Bundesnetzagentur eröffnet Dialog: Stromnetzentgelte neu strukturieren

Die Bundesnetzagentur eröffnet die Debatte um eine Reform der Netzentgelte. Das Papier sei absichtlich ergebnisoffen, betont Behördenchef Klaus Müller. Eine mögliche Option: auch Einspeiser an den Kosten des Netzausbaus beteiligen.
13.05.2025 – Der Zubau von Wind- und Solaranlagen allein macht noch keine Energiewende. Das gesamte Energiesystem muss umgebaut werden, um den preiswert erzeugten erneuerbaren Strom in dafür ausgebaute Netze zu integrieren. Die Netzentgelte finanzieren den Netzausbau, aber sie könnten auch eine Steuerungsfunktion übernehmen: die Einspeisung von Strom zu bestimmten Zeiten in bestimmten Regionen anreizen oder dämpfen. Der Netzausbau insgesamt könnte so unter Umständen geringer dimensioniert und damit kostengünstiger werden.
Reformbedarf bestehe, betont der Chef der Bundesnetzagentur Klaus Müller. Die Behörde hat weitreichende Kompetenzen, die Regeln für Netzentgelte festzulegen. In einem Anfang dieser Woche veröffentlichten Diskussionspapier ruft die Agentur Marktakteure auf, ihre Stellungnahmen zu den aufgeworfenen sehr konkreten Fragen bis Ende Juni einzureichen.
Müller erklärt auch, warum die Reform notwendig wird: „Erstens wird die Zahl der Nutzer immer kleiner, die in voller Höhe Entgelte zahlen – bei gleichzeitig steigenden Kosten. Wir haben zweitens keine ausreichend wirksamen Signale, wie und wo Anlagen kostengünstig betrieben werden können, um einen unnötig teuren Ausbau der Netze zu vermeiden. Drittens gibt es im System heute keine Anreize, die flexibles Verhalten belohnen, eher im Gegenteil.“
So führt der hohe Anteil lastferner Einspeisung zu hohen Netzausbaukosten und vermehrt zu einspeisedominierten Netzen. Zudem erfordert die steigende erneuerbare Erzeugung, dass Verbrauch und Einspeiser zunehmend flexibel agieren. Gleichzeitig fehlen durch die steigende Anzahl von Prosumern immer mehr Finanzierungsbeiträge für das Netz. Darüber hinaus gilt es, die wachsende Anzahl flexibler Verbraucher sowie Stromspeicher sinnvoll in Markt und Netz zu integrieren.
Die verschiedenen Anreizfunktionen einer Netzentgeltsystematik werden nur noch eingeschränkt erfüllt. Die stark entnahmeabhängigen Komponenten setzen einen dauerhaften Anreiz zum sparsamen Umgang mit Netzkapazität, der jedoch oft nicht notwendig ist und flexibles Nachfrageverhalten behindert. Wie zukünftig Netzentgelte erhoben werden und die Netzkosten verteilt werden soll nun in gemeinsam mit den Stakeholdern ergebnisoffen diskutiert werden.
Errichter neuer Anlagen an Kosten für Netzintegration beteiligen
Um die genannten Ziele zu erreichen: eine breite Finanzierungsbasis und gleichzeitig kostengünstigen Netzausbau – gibt es mehrere Optionen. Zum einen könnten Einspeiser zukünftig Netzentgelte zahlen müssen. Derzeit werden Netzentgelte lediglich von Letztverbrauchern gezahlt, obwohl auch Einspeise-Anlagen das Netz nutzen und nicht zuletzt auch den Netzausbau dringend brauchen.
Die Bundesnetzagentur will daher zum Beispiel diskutieren, ob und wie zukünftig Netzentgelte erhoben werden sollten, wenn Strom in das Netz eingespeist wird. Ein Beitrag kann entweder über einspeiseabhängige Entgelte oder über ein Grundnetzentgelt erhoben werden, das auch Einspeiser zahlen müssen. So würden die Kosten auf mehr Schultern verteilt. Weiter wären Baukostenzuschüsse denkbar – die Errichter neuer Anlagen beteiligen sich an den Kosten der Netzintegration für das jeweilige Projekt.
Neue Entgeltkomponenten
Auch die Einführung neuer Entgeltkomponenten wie einen Grund- oder Kapazitätspreis wird als Option erwogen. Oberhalb der Niederspannung sind derzeit alle Netzentgeltkomponenten rein entnahmeabhängig. Der Verbrauch wird mit Entgelten belastet, obwohl er nicht der wesentliche Kostentreiber ist. Ein zusätzlicher pauschaler Grundpreis könnte die Kosten sachgerechter reflektieren.
Auch bei Prosumern in der Niederspannung könnte eine Stärkung der schon vorhandenen Grundpreiskomponente eine adäquate Beteiligung an den Netzkosten gewährleisten. Bei der Netzdimensionierung spielt die Netzanschlusskapazität eine wesentliche Rolle und gilt als ein weiterer Kostentreiber. Hier stellt sich die Frage, ob eine direkte Bepreisung der bestellten Netzanschlusskapazität sachgerecht wäre.
Eine weitere Option: Dynamische Netzentgelte. Sie würden die Auslastung der Netze in ein zeitlich differenziertes lokales Preissignal umsetzen. Statische zeitvariable Netzentgelte sind eine einfache Vorform der Dynamisierung. Sie sind für steuerbare Verbrauchseinrichtungen seit April 2025 bereits Realität. Die verschiedenen Tarifstufen werden mit langem Vorlauf festgelegt, ändern sich selten und gelten meist für große Gebiete.
Echte dynamische Netzentgelte, die sich nach dem aktuellen tatsächlichen Auslastungsgrad des Netzes bemessen, bedürfen hingegen zahlreicher technischer Voraussetzungen wie einer nahezu vollständigen Digitalisierung von Netz und Netznutzern. Sie sorgen außerdem für hohe Komplexität, die eher vermieden werden soll.
Bundeseinheitliche Netzentgelte
Mit der Einführung bundeseinheitlicher Netzentgelte auf Verteilernetzebene könnten die Mehrkosten aus der Erneuerbaren-Energien-Integration über das allgemeine Netzentgelt gedeckt und bundesweit verteilt werden. Auch dieser Gedanke wird im Diskussionspapier genannt, aber auch seine Schwachstellen: Netzbetreiber mit hohen Kosten wären keinem Rechtfertigungsdruck mehr ausgesetzt. Hinzu kämen komplexe Ausgleichsmechanismen und die Schwächung von Effizienzanstrengungen einzelner Netzbetreiber.
Baukostenzuschüsse für Speicher
Der Nutzung von Speichern im Strommarkt ist ein eigenes Kapitel gewidmet. Die Aufgabe besteht darin, ein Netzentgeltregime für Speicher zu finden, welches das Agieren an Strom- und Systemdienstleistungsmärkten so wenig wie möglich einschränkt und gleichzeitig einen kostenreflexiven Finanzierungsbeitrag für das Netz erbringt. Das heißt auch, dass der Finanzierungsbeitrag der Speicher umso geringer ausfallen kann, desto geringer die Kosten sind, die sie verursachen.
Wie die Netznutzung netzgekoppelter Speicher zukünftig bepreist wird, hängt eng mit der Netzentgeltsystematik zusammen. Deshalb soll im Findungsprozess auch geklärt werden, ob eine besondere Behandlung von Speichern in der Netzentgeltsystematik gerechtfertigt ist, welche Rabattformen welche Geschäftsmodelle unterstützen und wie ein geeignetes Netzentgeltregime für Speicher aussehen könnte.
Das Diskussionspapier ist unter www.bundesnetzagentur.de/1059172 veröffentlicht. Stellungnahmen zum Diskussionspapier können bis zum 30. Juni 2025 abgegeben werden. pf