Deutschlands Strompreiszone: Teilen oder nicht teilen, das ist die Frage

Ganz Deutschland ist als eine Strompreiszone definiert. Tatsächlich reichen die Netzkapazitäten jedoch oft nicht aus, um Strom zwischen Norden und Süden zu transportieren. Eine Aufteilung in lokale Strompreisgebiete könnte Abhilfe schaffen.
29.04.2025 – In Deutschland wird seit Monaten darüber diskutiert, ob die einheitliche Strompreiszone aufgeteilt werden soll. Hintergrund sind steigende Redispatch-Kosten aufgrund von Netzengpässen.
Strompreise lokal setzen
Die Denkfabrik Agora Energiewende und das Fraunhofer-Institut für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik haben in einer aktuellen Studie die Beibehaltung der einheitlichen Zone mit einer Aufteilung in drei Zonen und einem lokalen Stromzonenmodell verglichen. Demnach würden mit 22 lokalen Preiszonen die Stromkosten deutlich sinken, das Netz entlastet und die Versorgungssicherheit gestärkt werden.
Mithilfe lokaler Preise ließen sich Angebot und Nachfrage gezielter in Einklang bringen und damit das Übertragungsnetz gleichmäßiger auslasten, argumentieren die Autoren der Studie. Der Analyse zufolge hätte ein lokales Strompreissystem im Jahr 2023 die Stromkosten für Unternehmen und Haushalte im bundesweiten Durchschnitt um gut 6 Euro pro Megawattstunde senken können. In jedem Jahr des betrachteten Zeitraums lag der durchschnittliche lokale Strompreis deutlich unter dem der gemeinsamen Strompreiszone. Der Preisvorteil verstärke sich zudem, wenn künftig mehr flexible Verbraucher und Speicher ans Netz kämen und mehr Erneuerbare Energien eingespeist werden.
Die Preiszonen definieren den aktuellen Strompreis für eine geographische Region in Europa. Voraussetzung ist, dass der Strom innerhalb dieser Region frei fließen kann. Es müssten also ausreichend Übertragungsnetzkapazitäten auch für große Strommengen – zum Beispiel zu Spitzenauslastung für Wind oder Solarstrom – zur Verfügung stehen.
Netz überlastet
Genau das ist in Deutschland aber nicht immer der Fall. Die Übertragungskapazitäten zwischen Nord- und Süddeutschland können die zu transportierenden Strommengen immer öfter nicht stemmen. Kann der Strom in einer Preiszone widererwartend nicht ungehindert fließen, muss eine Lösung für die überlasteten Netze gefunden werden. Die dafür anfallenden Redispatch-Kosten sind zwischen 2019 und 2023 von 1,3 auf 3,2 Milliarden Euro gestiegen; mit auch weiterhin steigender Tendenz.
Die Redispatch-Kosten könnten durch die Aufteilung der Strompreiszone verhindert werden. Eine Aufteilung würde allerdings den notwendigen Ausbau der Übertragungsnetze dämpfen und die Strompreise für bestimmte Standorte deutlich steigen lassen.
Lokale Flexibilitäten nutzen
Die Autoren der Studie kommen zu dem Schluss, dass zwar die Markterlöse der Erzeuger durch eine Aufteilung sinken, Effizienzgewinne die Verluste jedoch mehr als wettmachen würden. Weiterhin könnten steigende Engpassrenten – also Einnahmen, die durch den Stromtransport über Netzknoten entstehen – genutzt werden, um Nachteile für Großverbraucher der Industrie auszugleichen, deren Strompreis durch eine Aufteilung erheblich steigt.
„Das deutsche Stromsystem mit der einheitlichen Gebotszone ist derzeit blind für die Auslastung des Übertragungsnetzes. Um das Stromsystem zukunftsfest zu gestalten und hohe Kosten zu vermeiden, braucht es Preissignale, die lokale Produktion und Nachfrage realitätsnah abbilden“, sagt Markus Steigenberger, Geschäftsführer der Agora Think Tanks. Preissignale setzten Anreize für flexible Verbraucher wie E-Autos, Wärmepumpen und Elektrolyseure, und auch Batteriespeicher, ihren Stromverbrauch netzdienlich anzupassen. Gleichzeitig werde ein geographisch netzdienlicher Ausbau Erneuerbarer Erzeugungskapazitäten angeregt. Besonders der Süden Deutschlands muss hier dringend nachziehen.
Eine Strompreiszone oder lokale Preise
Zwar ist ein erheblicher Ausbau der Übertragungskapazitäten geplant. Doch auch der geplante Ausbau könnte die Erzeugungsspitzen und die steigende Stromnachfrage wohl langfristig nicht stemmen. Kurzfristig verursachen die Engpässe erhebliche Kosten und erfordern oft ein schnelles Handeln der Netzbetreiber, die ein überlastetes Netz stabilisieren müssen.
Die neue Bundesregierung hatte sich zuletzt in ihrem Koalitionsvertrag auf eine Beibehaltung der Einheitszone geeinigt, auch von einer zuvor angedachten Überprüfung wurde Abstand genommen. In ihrem gestern veröffentlichten Bidding Zone Review empfahl der europäische Verband der Übertragungsnetzbetreiber ENTSO-E hingegen eine Aufteilung der Strompreiszone, und zwar in fünf Zonen. Die Modellierung der Agora-Studie zu lokalen Strompreisen kann ab morgen im interaktiven Agorameter nachverfolgt werden. jb