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BEE Wärmeszenario 204554 Prozent Erneuerbare Wärme bis 2030, 100 Prozent bis 2045

Der ehemalige Flakbunker in Hamburg Wilhelmsburg wurde im Rahmen der IBA Hamburg saniert und zu einem regenerativen Kraftwerk mit Großwärmespeicher ausgebaut
Kommunale Nahwärme: Der ehemalige Flakbunker in Hamburg Wilhelmsburg wurde im Rahmen der IBA Hamburg saniert und zu einem regenerativen Kraftwerk mit Großwärmespeicher ausgebaut. Er versorgt rund 3.000 umliegende Haushalte mit Wärme oder Strom mithilfe von Solarenergie, Biomethan und einer Holzfeuerungsanlange.(Foto: selber erstellt / CC0 / via Wikimedia Commons)

Der Wärmesektor braucht politische, finanzielle und strukturelle Unterstützung, um die fossile Preis- und Klimakrise zu überwinden. Ein Wärmeszenario zeigt auf, wie Erneuerbare Wärme fossile Energieträger bis 2045 vollständig ersetzen könnte.

22.11.2022 – Der erneuerbare Wärmesektor wurde jahrelang stiefmütterlich behandelt – jetzt hat das Thema an Brisanz gewonnen, vor allem durch die offensichtlich gewordene Abhängigkeit von fossilem Gas, die Haushalte und Unternehmen massiven Preissprüngen ausliefert. Zudem ist der Sektor noch nicht auf Kurs bei den Klimazielen: Gebäudesanierungsraten und Anreize für den Austausch alter fossiler Heizungen sind zu niedrig. Mit hoher Inflation und steigenden Bau- und Materialpreisen wird das gerade nicht besser.

Mit dem „BEE-Wärmeszenario 2045“ will der Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) zeigen, in welchem Umfang und mit welcher Geschwindigkeit Erneuerbare Wärme-Technologien eingesetzt werden können – wenn die politischen Voraussetzungen stimmen. „Die Wärmewende gehört ganz oben auf die politische Prioritätenliste, sonst drohen weiter hohe Kosten und eine unsichere Versorgung“, warnt BEE-Präsidentin Simone Peter. „Es ist nicht damit zu rechnen, dass die Gasspeicher im kommenden Winter wieder voll sind.“ Erneuerbare Wärme könnte fossile Energieträger bis 2045 vollständig ersetzen, meint der BEE. Doch man muss noch an vielen Stellschrauben ordentlich drehen. Vor allem aber muss man jetzt sofort beginnen.

Es braucht alle verfügbaren Technologien, damit die Wärmeerzeugung unabhängiger von fossilen Energien wird, sind sich die Branchenverbände einig.

Die Autoren des BEE-Szenarios gehen davon aus, dass ein massiver Ausbau an Erneuerbaren Energien über alle Anwendungen bevorsteht. Ein vorgesehener Wärmepumpen-Hochlauf treibe dann die Anlagenzahl von derzeit 1,3 auf 6 Mio. bis zum Jahr 2030 und auf 14-18 Mio. bis zum Jahr 2045 hoch. Wenn bis 2030 rund 6 Mio. Wärmepumpen in Privathaushalte installiert werden sollen, muss die energetische Gebäudesanierung parallel dazu schneller vorankommen, und wir müssen „das Handwerk mit Huckepack nehmen und ausbilden“, so Peter.

Auf die Frage, wie der Wärmepumpen-Ausbau denn real vorangehe, berichtete Karl-Heinz Stawiarski vom Bundesverband Wärmepumpe, dass in diesem noch laufenden Jahr über 200.000 Geräte installiert werden. 500.000 wären bis 2024 geplant und bis zum Jahr 2030 rund sechs Millionen. Dabei gebe es aber noch eine Riesenkette an Aufgaben: Da wäre einmal die Halbleiterproblematik, es gebe nicht genügend Heizungsinstallateure, Handwerker müssten nachgeschult werden. Die Hersteller in Deutschland wollen indes das Ziel erreichen. Beim geplanten Wärmepumpenhochlauf gelte es vor allem in Bestandsgebäude reinzugehen, in Einfamilienhäuser aber auch Mehrfamilienhäuser, wo es möglich ist.

Großes Potenzial und eine gute Kombination zur Wärmepumpe sieht der Bundesverband Solarwirtschaft (BSW) auch in der Solarthermie, die sollte im großen Stil eingesetzt werden – einmal auf Gebäudedächern aber auch als Freilandflächen. Die Solarthermie spielt vor allem im Niedrigtemperaturbereich eine große Rolle und ergänzend in den Übergangsmonaten. Ein Zuwachs der Solarthermie wäre laut Szenario bis zum Jahr 2030 um weitere 30 Terawattstunden (TWh) auf 40 TWh möglich.

BSW-Chef Carsten Körnig hält rund zehn Prozent Zuwachs bei der Solarthermie bis 2030 für wahrscheinlich. Doch die Politik bremst schon wieder. Für die energetische Ertüchtigung mit Solarthermie im Gebäudebestand wurden Förderangebote gekürzt, Kredite für Solarthermie-Willige sind nicht mehr zinsgünstig. Vielen Haushalten fehlt schlichtweg das Geld zur energetischen Sanierung. Häufig fällt dann die Entscheidung zwischen Wärmedämmung oder zusätzlichem erneuerbaren Heizsystem. Die oft hohen Investitionskosten können viele nicht tragen. Die Branche fordert daher bspw. Nullzinsdarlehen für die erneuerbare Wärmeaufrüstung.

Die Ausweitung nachhaltig erzeugter Bioenergie wäre ebenso machbar – dabei würden ausreichende Kapazitäten für andere Sektoren verbleiben. Vor allem für die industrielle Prozesswärme bräuchte die Bioenergie einen starken Ausbauschub bis 2030 – Stichwort biogener grüner Wasserstoff. Beim Schlagwort Wasserstoff muss man unterscheiden, sagt Stefan Liesner, Vizepräsident des Bundesverband Kraft-Wärme-Kopplung: In jeden einzelnen Haushalt mache das keinen Sinn. Man sollte die Nah und Fernwärmenetze nutzen, denn die Infrastruktur ist schon vorhanden.

 

Kommunale Wärmeplanung wichtiger Baustein

Ein großer Teil der Wärmeversorgung fällt auf Nah- und Fernwärme-Systeme. Einen großen Förderschub für Erneuerbare Versorgung müsse es bei der Fernwärme geben, da gelte es nicht nur Anreize zu setzen, sondern auch ein Gebot der sauberen Fernwärme zu installieren. Der BEE fordert daher, bei der kommunalen Wärmeplanung Erneuerbare von Anfang an einzuplanen. Die Tiefengeothermie soll laut Szenario bis zum Jahr 2045 auf 80 TWh ausgebaut werden. Ein Eckpunktepapier für den Ausbau der Geothermie hatte die Bundesregierung vor kurzem vorgelegt.

Rechtsrahmen anpassen

„Der Erneuerbare Anteil an der Wärmeversorgung steigt laut Szenario auf 54 Prozent im Jahr 2030. Das im Koalitionsvertrag verankerte Ziel von 50 Prozent Erneuerbarer Wärme bis 2030 ist ambitioniert, aber möglich und nötig“, so Peter. Erreichen könne man es aber nur, wenn der Rechtsrahmen jetzt schnell angepasst wird.

Jetzt nicht in die falsche Infrastruktur investieren

Die Abhängigkeit von fossilem Gas und die damit verbundene Versorgungs- und Kostenkrise habe Deutschland in eine tiefe Krise gestürzt. Besonders die Wärmeversorgung ist davon betroffen. „Maßnahmen wie LNG-Belieferung oder die Reaktivierung von Kohlekraftwerken können aber nur eine vorübergehende Notlösung zur übergangsweisen Sicherung unserer Wärmeversorgung sein“, so Peter. „Denn die Antwort auf die fossile Krise sind nicht mehr fossile Energien, sondern Erneuerbare Energien, die in ihrer vielfältigen Anwendung Wärme für Heizungsanlagen, Netze und Industrie liefern.“

Gesetze nachjustieren, Förderungen massiv verstärken, Ausbildung forcieren

Wichtigste Forderungen des BEE: bei der kommunalen Wärmeplanung Erneuerbare von vornherein in den Blick nehmen, im Gebäudeenergiegesetz eine Verankerung der Pflicht zur Nutzung von 65 Prozent Erneuerbaren Energien ab 2024 vornehmen sowie eine dauerhafte Finanzierung und planbare Weiterentwicklung der Förderprogramme auf den Weg bringen. „Vor allem einkommensschwache Haushalte müssen dabei stärker berücksichtigt werden. Sie leiden am meisten unter den hohen Preisen und müssen ebenfalls die Chance bekommen, sich aus der Abhängigkeit von fossilen Energien zu lösen“, so Peter. Außerdem brauche es eine Fachkräfteoffensive, um die Wärmewende in den Wohnungen und Häusern auch umzusetzen. Für junge Klimaschützer wäre doch eine Ausbildung im Wärmesektor eine attraktive Jobperspektive, versucht der BEE es dem Nachwuchs schmackhaft zu machen.

Ausbildungsordnungen müssten aktualisiert und energiewendekompatibel werden, noch würde das Heizungshandwerk zu häufig Gasheizungen adressieren. Zudem seien die Zeiten von Förderzusagen bis zu Genehmigungen oft zu lange. Bei allen Anträgen müsste daher das Personal auf Energiewende fokussieren.

„Die Wärmewende ist vielfältig und lokal. Das Zusammenspiel aus Wärmepumpen, Tiefengeothermie, Solarthermie, Bioenergie und Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen ist die Zukunft unserer Wärmeversorgung. Die Bundesregierung muss sie jetzt entfesseln“, so Peters Fazit. Die Nachfrage von Verbrauchern sei vorhanden.

Vertrauensschutz statt Vertrauensbruch

Wenn der Wärmesektor mittels Wärmepumpen massiv elektrifiziert werden soll, halten viele Akteure die angestrebte Gaspreisbremse für nicht optimal. Bundeswirtschaftsminister Habeck hatte angesprochen, dass es eine Entlastung beim Strom geben muss. Doch die geplante Strompreisbremse über Erlösabschöpfung bremse den Ausbau Erneuerbarer-Energiesysteme. Die Verbände fordern, die Pläne zu überarbeiten – sonst werde der Ausbau behindert. Biogas sollte ganz aus der Gewinnabschöpfung befreit werden, fordern Branchen-Akteure – denn sonst würden viele Biogasanlagen bald nicht mehr rentabel laufen. Eine steuerliche Lösung statt Erlösabschöpfung wäre ohnehin sinnvoller. Verlässliche Rahmenbedingungen und Investitionen müssen nun bereitstehen – sonst ist das nicht zu schaffen mit der notwendigen Energiewende. na


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