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Einseitige Kostenverlagerung

Im neuen Biberacher Baugebiet Hochvogelstraße herrscht Unmut, dabei schien das Projekt vielversprechend: Bauherren klagen über eine einseitige Kostenverlagerung der Nahwärmeversorgung auf ihre Schultern. Der städtische Energieversorger Ewa Riss und die Stadt signalisieren bisher kein Entgegenkommen.

17.04.2016 – Eigentlich hört sich das Konzept sinnvoll an: Die Erdwärme unter einer Obstbaumwiese ganzjährig anzapfen und damit über eine Ringleitung ein ganzes Wohngebiet klimafreundlich zu beheizen und mit Warmwasser versorgen. So geplant im Neubaugebiet Hochvogelstraße im oberschwäbischen Biberach, wo vor einigen Wochen die Kräne anrückten. Doch die grüne Idylle ist gestört. Unter den Bauwilligen, meist jungen Familien, macht sich Frust und Unmut breit. Es ist von „Knebelverträgen“, „einseitiger Risikoverteilung“ und „fehlender Lernbereitschaft“ des städtischen Versorgers Ewa Riss und der Kommunalpolitik die Rede. Auf der containergroßen Technikzentrale prangt mittlerweile ein großes Fragezeichen.

Ortstermin bei Regenwetter im Baugebebiet Hochvogelstraße. „Wir sind für klimaschonendes Bauen, doch nicht zu diesen Konditionen“, sagt Tanja Seeliger. „Eigentlich passt das ganze Konzept nicht an diesen Standort, da die geologischen Voraussetzungen für Geothermie hier nicht optimal gegeben sind“, ergänzt Till-Uwe Kudernatsch. Er verweist darauf, dass die Erdwärme nicht wie ursprünglich geplant in 150 Metern, sondern in 200 Metern Tiefe gewonnen werden musste. Zudem mussten 34 Erdsonden statt wie anfangs geplant 31 im Boden versenkt werden. Diese Faktoren seien gewichtige Kostentreiber für diese Art der Nahwärmeversorgung, in welche die Ewa Riss laut Angaben von Geschäftsführer Dietmar Geier rund eine Million Euro investierte.

Das Geld holt sich das Unternehmen, das der Stadt und der EnBW gehört, vor allem über einen sogenannten Baukostenzuschuss von den Bauherren zurück. Für eine Laufzeit von 15 Jahren beläuft sich dieser laut Seeliger auf stattliche 17.824 Euro. Dazu kommen einmalige Anschlusskosten an die Wärmeversorgung in Höhe von 4.095 Euro, weitere Kosten für den Mehrspartenanschluss in Höhe von 1.650 Euro plus gut 10.000 Euro für die eigene Erdwärmepumpe. Macht zusammen über 33.500 Euro Investitionskosten, rechnet Seeliger vor. Die Grundgebühren, die Kosten für die bezogene Sole und den Strom der Erdwärmepumpe für Heizung und Warmwasserversorgung kommen dann als Verbrauchskosten, abhängig vom persönlichen Wärmebedarf, dazu. „Die Betriebskosten, auf 15 Jahre gerechnet, belaufen sich auf jährlich 3.200 Euro, für einen Heiz- und Warmwasserbedarf von 10.000 kWh und sind um 70 Prozent teurer im Vergleich zu einer Luftwärmepumpe“, sagt die Ingenieurin. Die reinen Verbrauchskosten der kalten Nahwärme im Vergleich zu einer Luftwärmepumpe seien um 25 Prozent teurer und je weniger ein Haus für Wärme und Warmwasser benötige, desto teurer werde das Ewa Riss Konzept.

„Man hat uns hier von Anfang an nicht richtig informiert. Über den Anschluss- und Abnahmezwang wussten wir ja Bescheid, dass es jedoch kein Anschlusskonzept nach zehn bzw. 15 Jahren gibt, wurde uns erst sehr spät mitgeteilt. Dass der Gemeinderat auch nicht hinter den Bauherren steht war der Gipfel der Enttäuschung“, ärgert sich Kudernatsch, der vor Ort als Zahnarzt arbeitet. Es verstärke sich der Eindruck, dass das knappe Angebot an Bauplätzen in Biberach als Druckmittel verwendet werde, zu Lasten der Bauherren.

Deshalb sei es zumindest geboten, dass die Ewa Riss die Wärmeversorgung für eine Laufzeit von mindestens 20 bis 25 Jahren statt nur für 15 Jahre zu festen Konditionen zusage und vertraglich sichergestellt werde, dass die Bauherren künftig nicht nochmal einen teuren Baukostenzuschuss berappen müssten, fordern Kudernatsch und Seeliger. Auch müsse der Anschluss- und Benutzungszwang für das Nahwärmenetz nach 15 Jahren aufgehoben und den Bauherren so ermöglicht werden, beispielsweise umweltfreundliche solarthermische Anlagen auf ihren Dächern zur eigenen Wärmeversorgung zu installieren – derzeit ist dies verboten. Denn momentan sei ja noch unklar, ob das Erdwärmefeld nicht nach einigen Jahren „verbraucht“ sei. Ohnehin sei den Bauherren derzeit nur eine Erdwärmelieferung an den Hausanschluss mit Null Grad vertraglich zugesagt, die Zapftemperatur sollte laut Vorinformationen jedoch zwölf Grad betragen. „Wir sind die Versuchskaninchen bei einem Nahwärmeprojekt, dessen Ausgang noch ungewiss ist“, empört sich Kudernatsch. Mittlerweile seien 15 Familien an einer Nachbesserung des Konzeptes interessiert, ergänzt Seeliger.

Auf die Forderung der Anwohner wollten sich allerdings Ewa Riss Geschäftsführer Dieter Geier und die Gemeinderäte bei einem Ortstermin vor einigen Wochen nicht einlassen. Vertreter der Stadtverwaltung glänzten bei dem von Anwohnern anberaumten Termin laut Seeliger mit Abwesenheit. Man darf nun gespannt sein, ob doch noch ein Kompromiss gefunden werden kann, auch im Sinne eines bürgerfreundlichen Klimas in der gut 32.000 Einwohner großen Stadt. Hans-Christoph Neidlein


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