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Strom und Wärme im Mix

Für die notwendige Verknüpfung der Strom- mit der Wärmewende gibt es bereits gelungene Projekte. Regionale Energieversorger wie die Nürnberger N-ERGIE oder die Stadtwerke Tübingen gehen hier mit gutem Beispiel voran. Sie setzen auf Wärmespeicher, um die regionale Versorgung zu optimieren.

29.10.2015 – Wer mit der Bahn von Fürth in den Nürnberger Hauptbahnhof einfährt, dem ist er wahrscheinlich schon mal aufgefallen: Ein mit hellen Stahlplatten verkleideter Turm mit flachem Dach, der 70 Meter hoch neben den Kaminen des Heizkraftwerks in den Himmel ragt und einen Durchmesser von 26 Meter hat. Der im Dezember vergangenen Jahres in Betrieb genommene Wärmespeicher der N-ERGIE AG im Stadtteil Sandreuth gilt als eines der neuen Wahrzeichen der mittelfränkischen Metropole. „Damit haben wir einen wichtigen Baustein für das Gelingen der regionalen Energiewende gesetzt“, sagt Vorstandsvorsitzender Josef Hasler. Denn mit dem Speicher könne die Erzeugung und Bereitstellung von Ökostrom und Fernwärme besser miteinander verzahnt und der Betrieb des GuD-Heizkraftwerks, an das der Speicher gekoppelt ist, flexibilisiert werden.

Das Kraftwerk arbeitet auf Basis von Erdgas sowie von Holzhackschnitzeln aus Waldrestholz und erzeugt per Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) sowohl Strom als auch Wärme. Mit dem Wärmespeicher kann dies nun zeitlich entkoppelt und es können auch die Einspeisemöglichkeiten für Erneuerbare Energien verbessert werden. Wenn in dem Kraftwerk mehr Strom erzeugt werden muss, weil beispielsweise an trüben und windarmen Tagen wenig Strom aus Erneuerbaren Energien vorhanden ist, fährt das Kraftwerk die Leistung hoch und die dabei entstehende überschüssige Wärme wird in den Speicher geladen. Je geringer der aktuelle Bedarf im Fernwärmenetz ist, desto mehr Wärme wird gespeichert. „Wird dagegen viel Ökostrom in das Netz eingespeist, wird die Leistung des Kraftwerks gedrosselt und die Fernwärmeversorgung wird über die Entladung des Wärmespeichers gesichert“, erklärt Hasler.

Rund ein Viertel der Nürnberger Haushalte werden von Sandreuth aus mit Fernwärme versorgt.

Bis zu 50 Stunden Wärmepuffer

Der Speicher hat ein Wasservolumen von 33.000 m3. Seine maximale Wassertemperatur beträgt 113° C, so heiß ist die Vorlauftemperatur im Nürnberger Fernwärmenetz. Damit das Heißwasser nicht verdampft, ist oben im Speicher ein mit Kaltwasser beschwerter Stahldeckel montiert, eine zweite Zone. Übliche Ein-Zonen-Speicher arbeiten mit einer maximalen Temperatur von 98° C. Die Zwei-Zonen-Technik erlaubt also, eine höhere Wärmemenge zu speichern. Ist der riesige Boiler erst einmal mit Wärme aus dem benachbarten Heizkraftwerk geladen, kann dieses bei Außentemperaturen von mehr als 20° C bis zu 50 Stunden lang ausgeschaltet bleiben. „Im Sommer können wir nun bei geringen Strompreisen zum Beispiel durch hohe Photovoltaik-Einspeisung das Heizkraftwerk Sandreuth abstellen und die Fernwärme-Versorgung des gesamten Nürnberger Netzes über ein Wochenende komplett aus dem Speicher sicherstellen“, freut sich Hasler. Bei Außentemperaturen unter minus 16° C im Winter und maximalem Verbrauch können die 1500 MWh Energiegehalt im Speicher den Fernwärmebedarf der angeschlossenen Verbraucher der 500.000 Einwohner zählenden Großstadt für ca. 2,5 Stunden sichern.

Aufladung innerhalb von 16 Stunden

16 Stunden dauert es, bis er mit einer maximalen Heizleistung von 94 Megawatt (MW) wieder komplett mit Wärme geladen ist. Der Speicher kann aber auch mit kleinerer Leistung beladen werden, je nachdem was gerade an Wärmeüberschuss aus dem Heizkraftwerk zur Verfügung steht. Dann dauert die vollständige Aufladung entsprechend länger, beispielsweise bei einer Ladeleistung von 10 MW 150 Stunden. Alternativ kann der Speicher auch über zwei Hochspannungs-Elektrodenheizkessel mit Wärme beladen werden, jeder mit 25 MW Heizleistung, erläutert Hasler. Sie sind im Kesselhaus des Kraftwerks aufgestellt. In den sechs Meter hohen Bottichen mit drei Meter Durchmesser stecken Elektroden in einer Art Wasserbadewanne. Das Wasser, welches in dem Boiler unter Hochspannung steht, lädt sich hierbei durch seinen eigenen Ohm`schen Widerstand auf.

40.000 Tonnen jährliche CO2-Einsparung

„Der Speicher funktioniert bisher einwandfrei und bringt die erwarteten Ergebnisverbesserungen“, sagt Hasler. Abhängig von der Strom- und Gaspreisentwicklung rechne man mit einer Amortisationszeit von bis zu zehn Jahren. Die Gesamtinvestitionen lagen bei rund 16 Mio. Euro, davon ca. 12 Mio. Euro für den Wärmespeicher inklusive Nebenanlagen (u.a. Anschluss ans Fernwärmenetz) sowie circa 4 Mio. Euro für die Elektroheizer inklusive Elektro- und Steuerungstechnik. Durch die optimierte Strom- und Wärmenutzung können laut N-ERGIE jährlich über 40.000 Tonnen CO2 eingespart werden. Das Unternehmen, das zu über 60 Prozent der Stadt Nürnberg gehört, betreibt zudem über 100 eigene Photovoltaik-, Windkraft- und Biogasanlagen.

Power-to-Heat in Tübingen

„Wir setzen auf eine verstärkte Verknüpfung der regionalen Strom- und Wärmewende“, sagt der grüne Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer. Über 30 Mio. Euro investierten die dortigen Stadtwerke bisher schon in Erneuerbare Energien, 46 Prozent des Stroms werden aus Erneuerbaren Energien und KWK erzeugt. Das Fernwärmenetz der 89.000 Einwohner zählenden Universitätsstadt wurde auf gut 50 Kilometer Länge ausgebaut, über 1.100 Haushalte sind daran angeschlossen. Neuer Baustein ist ein 2.000 Liter großer Elektroerhitzer. Seine elektrische Leistung beträgt 5 MW, die Betriebstemperatur liegt bei 115 bis 160° C. Er ist an das erdgasbetriebene Fernheizkraftwerk im Stadtteil Waldhäuser-Ost gekoppelt, das per KWK Strom und Wärme erzeugt. Der Elektro-Erhitzer funktioniert im Prinzip wie ein Heizkessel. Anstatt eines Brenners mit Erdgasfeuerung erhitzen hier jedoch 26 Heizstäbe das Wasser mit Strom. Faktisch wirkt die Anlage wie ein Speicher. „Auf diese Weise können wir die Stromproduktionsspitzen, insbesondere aus Windkraft- und Photovoltaik in Wärme umwandeln, speichern und bedarfsgerecht ins Fernwärmenetz einspeisen“, sagt Ortwin Wiebecke, der kaufmännische Geschäftsführer der Stadtwerke. „Gerade in Kombination mit KWK und der Nutzung unseres eigenen Fernwärmenetzes ist Power-to-Heat eine hervorragende Chance, mehr Industriekunden einzubinden“, ergänzt er.

Vermarktung als Sekundärregelenergie

Bedarfsweise kann die Wärme auch rückverstromt und als Sekundärregelenergie vermarktet werden. Dies ist die Ausgleichsmenge, die bei Schwankungen im Stromnetz innerhalb von fünf Minuten zur Verfügung gestellt werden muss, um das benötigte Gleichgewicht von durchgängig 50 Hertz zu gewährleisten. Eine genaue Abschätzung über die Amortisationszeit des Elektroerhitzers, dessen Gesamtkosten bei rund 550.000 € lagen, sei allerdings derzeit schwer zu treffen, so Wiebecke. Dies hänge auch stark von den anstehenden Änderungen des Strommarktdesigns ab. Erst dann wolle man konkret über weitere Power-to-Heat Projekte entscheiden. Hans-Christoph Neidlein


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