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Wärmerückgewinnung an FlüssenBürokratie gefährdet Flusswärme-Projekte

Luftaufnahme Heizkraftwerk Niel am Rhein
Das mit Erdgas befeuerte Heizkraftwerk Niehl der Rheinenergie im Kölner Stadtteil Niehl versorgt die Kölner Innenstadt mit Fernwärme. Direkt neben dem Kraftwerk soll demnächst eine Großwärmepumpe errichtet werden, als Wärmequelle soll das Rheinwasser dienen. (Foto: Raimond Spekking auf Wikipedia / CC BY-SA 4.0)

Aus Fließgewässern ließe sich wertvolle Heizwärme gewinnen. Derzeit entstehende Leitlinien zur Nutzung von Flusswärme kritisieren Scientists for Future als zu bürokratisch. Einzelfallprüfungen würden die klimafreundliche Wärmegewinnung ausbremsen.

15.05.2025 – Fließgewässer transportieren unvorstellbare Mengen Wasser vom Land ins Meer, allein in Deutschland jedes Jahr 188 Milliarden Kubikmeter. Wer diese riesige Wassermenge auch nur um zwei Grad Celsius abkühlt, kann theoretisch eine Wärmemenge von 430 Terawattstunden gewinnen. Das entspricht etwa der Hälfte der Wärmemenge, die Deutschland für Heizung und warmes Wasser benötigt. Wissenschaftler der TU Braunschweig schätzen die gewonnene Wärmemenge noch höher; sie sprechen davon, dass ein Wärmeentzug von zwei Grad sogar knapp zwei Drittel des Wärmebedarfs für die Gebäudeheizung decken könnte.

Wassertemperaturen steigen, der Sauerstoffgehalt sinkt

Die Zunahme der mittleren Temperaturen von Fließgewässern von 3,5 bis 4 Grad Celsius in den letzten 64 Jahren war verbunden mit einer deutlichen Abnahme des Sauerstoffgehalts – ein großes Problem nicht nur für die Tierwelt. Aus Sicht von Wissenschaftlern der Scientists for Future erscheint daher eine Entzugstemperatur von 2 bis 3 Grad in der Heizperiode durchaus als ökologisch verträglich. Außerdem könnten bundesweit damit tausende an mittleren bis großen Fließgewässern liegende Kommunen das Potenzial auch in der Wärmeplanung zu berücksichtigen, umso mehr weil Lösungen für die Zeit nach Erdgas und Heizöl immer wichtiger werden.

Eine besondere Chance bieten die 7.600 kleinen und mittleren Wasserkraftanlagen, die derzeit zur Stromerzeugung eingesetzt werden. Durch eine Erweiterung auf die thermische Nutzung könnte zusätzlich zur elektrischen Leistung ein Vielfaches an Wärmeleistung erbracht werden. Das wäre für viele Kommunen ein willkommener Beitrag zur kommunalen Wärmeplanung. Zudem ist bereits ein Einlaufbauwerk vorhanden und ein zusätzlicher baulicher Eingriff ins Gewässer nicht erforderlich.

Doch nun kommen Bedenken aus Naturschutzkreisen, die sich gegen eine zu starke Wärmeentnahme aus Oberflächengewässern richten: Die Gewässerkundler der Bund-Länder-Arbeitsgemeinschaft Wasser (LAWA) sind dabei, Leitlinien für eine ökologisch verträgliche Nutzung von Gewässern zur Wärmegewinnung zu beschließen. Diese Leitlinien bedürfen nach Ansicht von Wissenschaftlern der Scientists for Future jedoch eingehender Prüfung. Im Gegensatz zu anderen Institutionen wie z. B. dem bayerischen Landesamt für Umwelt verlangt die LAWA weitgehende Einzelfallprüfungen, die eine schnelle Umsetzung zur Nutzung der Flusswasserwärme eher verhindern würden – zu viel Bürokratie auf dem Weg zu einer effektiven Wärmewende.

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Ein genauer Blick in das Papier der LAWA zeigt nach Ansicht der Scientists for Future eine Reihe von Unklarheiten: So werden etwa Grenzen der Temperaturspreizung an mehreren Stellen mit starken Abweichungen genannt, unklar ist was denn nun gelten soll. Auch bleibt die Frage unbeantwortet, warum genau Gewässer mit einem Wasservolumenstrom von weniger als 500 Liter pro Sekunde generell von der Nutzung ausgeschlossen werden sollen. Genau diese Gewässer sind besonders stark vom Klimawandel und der daraus folgenden Gewässererwärmung betroffen, eine Kühlung dieser Gewässer aus ökologischer Sicht besonders wichtig.

Darüber hinaus transportiert eine solche Wassermenge einen Wärmestrom von 5 bis 8 Megawatt – genug, um 500 bis 800 Wohnhäuser zu heizen. Studien, die in diesen Fällen eindeutige Nachteile der Gewässernutzung durch Wärmepumpen nachweisen, sind bislang nicht bekannt.

Ebenfalls scheint ein unterer Grenzewert der Wassertemperatur bei 3 Grad Celsius, bis zu der eine Fließgewässerwärmenutzung möglich sein soll, aus gewässerkundlicher Sicht nicht ausreichend begründet. Auch mit Blick auf die an amtlichen Pegeln tatsächlich gemessenen Gewässertemperaturen erscheint dies nicht begründbar. Die untere Temperatur sollte eher bei 0 bis 2 Grad Celsius gesehen werden. Die in unseren Gewässern lebende Aquafauna ist nach Meinung der Wissenschaftler durchaus an diese niedrigen Wassertemperaturen angepasst.

Leicht umsetzbare Leitlinien statt mehr Bürokratie

Statt mehr Bürokratie aufzubauen, wäre es gerade aus ökologischen Gesichtspunkten wichtig, dass die LAWA Leitlinien erstellt, die die Nutzung von Oberflächengewässern mit Wärmepumpen schnell und unkompliziert ermöglichen – so die Forderung der Scientists for Future. Der Verweis auf die Notwendigkeit von Einzelfallprüfungen in den Leitlinien würde dazu führen, dass aufwendige, teure und langwierige Studien mögliche Investoren abschrecken. Ein Gegenbeispiel ist die Praxis des Bayerischen Landesamtes für Umwelt. Es empfiehlt eine einfache Genehmigung für eine Wasserabkühlung von bis zu 3 °C (nach Durchmischung).

Bei der Beurteilung, welche Wassermengen und Abkühlungseffekte der Ökologie zuträglich sind, könnte auf Erfahrungen aus der Schweiz zurückgegriffen werden. Dort sind bereits dutzende Fluss- und Seewasserwärmepumpen, zum Teil seit Jahrzehnten, in Betrieb. Die Wissenschaft aus allen einschlägigen Fachbereichen sei sich einig, dass die steigenden Gewässertemperaturen eine der Hauptbedrohungen für die Biodiversität sind. Der Entnahme von Wasser und dessen Rückführung in abgekühltem Zustand sei also prinzipiell ein positiver Effekt zuzuschreiben.

Gesellschaftlichen Diskurs wagen, kein Behörden-Alleingang

Die Leitlinien werden zudem lediglich von den für die Gewässer zuständigen Behörden aufgestellt. Sicher ein richtiger erster Schritt, aber die Nichtanhörung der Kommunen, die sich derzeit allerorten in Wärmeplanungsprozessen befinden, wie auch der lokalen Wärmeversorger stelle ein weiteres Manko dar. Die Wärmewende ist ein gesamtgesellschaftlicher Prozess und die Richtlinien, die sie steuern, sollten mit allen wichtigen Gruppen zusammen entwickelt werden, lautet eine weitere Forderung der Scientists for Future.

Eine Lösung wäre, den LAWA-Leitfaden zunächst nur als initialen Input in einen gesamtgesellschaftlichen Konsultationsprozess zu nutzen. Parallel zum gesellschaftlichen Diskurs sollten die bisher vorhandenen Anlagen gewässerökologisch untersucht und damit eine Faktengrundlage geschaffen werden, mit der sich mögliche Grenzsetzungen besser begründen lassen. Es wäre fatal, einen so wesentlichen Baustein einer erneuerbaren kommunalen Wärmeversorgung ohne zwingende Gründe so massiv einzuschränken. pf

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