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Wärmewende Hamburger HafenFernwärme grün transformieren

Abwasser-Klärbecken mit pyramidenförmigen Deckeln, Windkraftanlagen von Hamburg Wasser und der Eurogate
Hamburger Hafen, Abwasserbehandlung im Klärwerk Dradenau von Hamburg Wasser, Abwasser-Klärbecken mit pyramidenförmigen Deckeln, Windkraftanlagen von Hamburg Wasser und Eurogate (Foto: Joerg Boethling)

Lange ist nichts passiert, jetzt umso mehr: Die stadteigenen Hamburger Energiewerke investieren Milliarden, um das Fernwärmenetz bis zum Jahr 2030 ohne Steinkohle betreiben zu können.

23.10.2025 – Nur vier Kilometer Luftlinie. So nah liegen An- und Widerspruch der Energiewende im Hamburger Hafen auseinander: Der im Aufbau befindliche Energiepark Hafen auf der Dradenau südlich der Elbe einerseits und das inzwischen weggesprengte Kohlekraftwerk Moorburg andererseits.

Während das einst vom schwedischen Energiekonzern Vattenfall nur wenige Jahre betriebene Kraftwerk für Kohleausstieg und mehr Klimaschutz stillgelegt wurde, versucht nun die stadteigene Hamburger Energiewerke GmbH, die nach einem Volksentscheid vor zehn Jahren Vattenfall beerbte, im Verbund mit großen Industriebetrieben und Hamburg Wasser die Wärmewende an Elbe und Alster entscheidend voranzubringen.

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Gunnar Hansen strahlt derweil stoische Ruhe aus. Schon seit sieben Jahren arbeitet der Ingenieur für Verfahrenstechnik am Projekt. Nächstes Jahr soll es endlich auf dem weitläufigen Gelände der Klärwerkstandortes Dradenau in Betrieb gehen. Das Rauschen der benachbarten Autobahn A7 mit der Abfahrt Waltershof ist der nimmer versiegende Klangteppich an diesem Ort. Eines der fünf großen Rolltüren fährt langsam nach oben.

Und da stehen sie: Vier riesige Großwärmepumpen vom Hersteller Johnson Controls à 15 Megawatt (MW) Wärmeleistung, die in Zukunft dem Abwasser der Hamburger Wärme entziehen werden. Die installierte Gesamtleistung beträgt damit stolze 60 Megawatt. Eine Größenordnung, die nur ganze wenige Hersteller in der Welt im Portfolio haben.

Der hohe Strombedarf wird aus dem Netz bezogen, das schon mittelfristig klimafreundlicher werden wird. Die Windenergieanlagen des Herstellers Nordex SE, die in den letzten Jahren im Hamburger Hafen zwischen Terminals und sonstigen Industrie- und Hafenbauten errichtet worden sind, zeugen davon.

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Kostbares Abwasser

Aber zurück zur Wärmewende der Superlative. 450.000 Kubikmeter Abwasser fließen aus den Clos, Küchen und Badezimmer der Hanseaten täglich zum Klärwerk Hamburg, von wo aus das Abwasser über einen 2,2 Kilometer langen Düker zur biologischen Behandlung auf der Dradenau in die Elbe gelangt. Wenn Starkregen fällt, dann schnellt die Wassermenge entsprechend noch weiter hoch. Im Winter wird das Abwasser nie kälter als rund zwölf Grad Celsius und im Sommer ist es natürlich wesentlich wärmer. Kurzum: Am Ablauf des Klärwerks steht gereinigtes Abwasser mit Temperaturen von mindestens zwölf Grad Celsius ganzjährig in großen Mengen zur Verfügung – und ist somit deutlich wärmer als Luft im Winter.

Dieses Abwasser wird nun von den Wärmepumpen gefördert und im Wärmetauscher der Wärmepumpe, dem sogenannten Verdampfer, um ca. 3,5 K abgekühlt. Das Kältemittel, von dem jede Wärmepumpe rund 17 Tonnen enthält, wechselt dabei seinen Aggregatzustand von flüssig nach gasförmig. Das gasförmige Kältemittel wird auf bis zu 31,7 bar verdichtet und erreicht dabei eine Temperatur von 95 Grad Celsius. So aufgeheizt kann es seine Wärme an das Heizwasser abgeben und wieder kondensieren.

Danach wird das wieder flüssige Kältemittel noch auf einen niedrigen Druck entspannt und kann wieder dem Verdampfer zufließen, um neue Wärme bei niedriger Temperatur aufzunehmen. Dabei wird auch die Abwärme des Elektromotors, der die Antriebsenergie für den Verdichter liefert, genutzt.

Fertigstellung für 2026 geplant

Anfang nächsten Jahres soll alles fertig sein. Ab dann werden große Mengen Wasser, aufgeheizt bis zu 95 Grad Celsius, die Wärmepumpenhalle verlassen und zur benachbarten Gas- und Dampfturbinenanlage (GuD) geleitet. Dort kann das Wasser in einem Wärmespeicher mit einer beachtlichen Höhe von 50 Metern und einem Fassungsvermögen von 50 Millionen Litern zwischengespeichert werden.

Daneben ist die neue GuD mit einer Leistung von ca. 290 MWth errichtet worden. Es fungiert in Zukunft als Drehkreuz für die Wärmeerzeugung. „Das GuD-Kraftwerk dient dazu, die klimaneutrale Wärme zu ergänzen, aufzuheizen, zu speichern sowie abzusichern. Das ermöglicht zu jeder Jahreszeit ein Maximum an Flexibilität und dient der Versorgungssicherheit“, heißt es auf dem Steckbrief der Energiewerke. Dabei ist die neue KWK-Anlage auf die Verwertung von synthetischem Gas ausgelegt, „um in Zukunft auf Basis klimaneutraler Brennstoffe arbeiten zu können“, geht es, fast ein wenig entschuldigend, im Text weiter.

 

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Energiemix für die Fernwärme

Denn anfänglich wird es mit Erdgas betrieben werden. Dabei ermöglicht eine integrierte Power-to-Heat-Anlage mit einer Leistung von 30 Megawatt schon heute eine Integration von Windenergie und übernimmt eine netzdienliche Funktion. Zusätzlich werden die Abwärme von ArcelorMittal und der MVR Rugenberger Damm hier zukünftig ebenfalls entgegengenommen, um sie am Ende für die Wärmeversorgung des städtischen Fernwärmenetzes bereitzustellen. Über eine neugebaute Leitung unter der Elbe hindurch gelangt die Wärme dann zu den meisten der 540.000 Wohneinheiten, die bislang am Hamburger Fernwärmenetz angeschlossen sind.

Weitere Fernwärmeleitungen im Bau

Ein weiterer Ausbau ist fest im Visier: Die „Spange Haferweg-Grindel“ ist beispielsweise eine der wichtigen Fernwärmeleitungen, die mit einer Länge von knapp fünf Kilometer derzeit neu verlegt wird, damit die Wärme aus dem Energiepark Hafen in die Stadtteile Eppendorf und Eimsbüttel transportiert werden kann. Seit 2022 sind rund 1,1 Milliarden Euro geflossen; weitere 2,5 Milliarden Euro sollen in den nächsten vier Jahren bis 2029 noch investiert werden, um die Energiewende in Hamburg voranzutreiben.

Erst raus aus Kohle, dann aus Erdgas

Dem kritischen Betrachter stellt sich allerdings die ketzerische Frage: Ist es angesichts dieser großen Anstrengungen seitens des städtischen Energieversorgers nicht doch eine etwas halbherzige Lösung, wenn das Herzstück des Energieparks Hafen ein vorerst zu mindestens noch mit Erdgas (aus den USA oder Qatar importiert?) gefeuertes GuD ist?

David Kappenberg, Pressesprecher der Hamburger Energiewerke, hält dagegen: „Es geht eben nicht alles auf einen Schlag“, räumt er ein, „es geht nur Schritt für Schritt.“ Woher das dafür notwendige Biomethan oder auch Wasserstoff nehmen, wenn es noch gar nicht in den notwendigen Mengen verfügbar ist?

Kappenberg verweist daher trotz der „Brückentechnologie“ Erdgas auf die positiven Effekte, die die Bemühungen von Hamburg Wasser, Energiewerke und den weiteren Akteuren bewirken. „Wir arbeiten hier mit Hochdruck daran, die Wärmeerzeugung für das Stadtnetz auf lokale und klimaneutrale Wärmequellen umzustellen. Bis spätestens 2030 sind wir aus der Kohle ausgestiegen. Dann sparen wir mit dem Kohleausstieg allein in der Wärmeerzeugung rund 700.000 Tonnen CO₂ pro Jahr im Vergleich zum Jahr 2020 ein.“ Dierk Jensen

Die Reportage ist Teil des aktuellen Fachmagazins der energiezukunft: Kraftakt Wärmewende - vom Plan in die Praxis

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