FernwärmeMit doppelt so viel Geld könnte es klappen

Silberne Leitung am Boden und Kraftwerk im Hintergrund
Ausbau von Leitungen und Dekarbonisierung der Fernwärme müssen vorangetrieben werden (Bild: Ulrichulrich, Wikimedia, CC BY-SA 3.0)

Klimaneutrale Fernwärme gilt vor allem in urbanen Räumen als Hoffnungsträger der Wärmewende. Neue Berechnungen zeigen was nötig ist, um rund ein Drittel aller Wohnungen in Deutschland bis 2045 mit Fernwärme zu versorgen.

23.09.2024 – Was in Berlin bereits der Fall ist, könnte nach Ansicht des Think Tanks Agora Energiewende auch für ganz Deutschland klappen. Die Versorgung von einem Drittel aller Haushalte mit Fernwärme. „Fernwärme bietet die Chance, in dicht besiedelten Gebieten viele Gebäude auf einmal mit erneuerbarer Wärme zu versorgen und so den Klimaschutz im Gebäudesektor schnell voranzubringen“, sagt Simon Müller, Direktor des Think Tanks.

Aktuell werden laut Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) 15,2 Prozent der Haushalte in Deutschland mit Fernwärme beheizt. Wärme also, die an einem Ort erzeugt und über weitverzweigte Leitungen in die Haushalte gebracht wird. Noch wird die Fernwärme aber überwiegend mit fossilen Energieträgern wie Kohle und Gas erzeugt. Rund 70 Prozent entfallen auf die klimaschädlichen Brennstoffe.

Neben der Erweiterung des Fernwärmenetzes, geht es daher auch um die Dekarbonisierung der Energieerzeugung. In Berlin soll das Netz beständig ausgebaut werden. Aktuell ist es 2.000 Kilometer lang und versorgt rund 1,4 Millionen Wohneinheiten. Jedes Jahr wächst es, laut zuständiger Berliner Energie und Wärme (BEW), um weitere circa 20 Kilometer und umgerechnet etwa 25.000 versorgte Wohneinheiten. Um die Versorgung klimaneutral zu gestalten, baut die BEW diese um. Beim Berliner Heizkraftwerk Reuter West etwa wird bis 2026 eine Großwärmepumpenanlage errichtet, die die Energie aus dem Abwasser der nebenan liegenden Kläranlage nutzt, auf ein höheres Temperaturniveau hebt und ins Berliner Fernwärmenetz einspeist.

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Für Aus- und Umbau der Fernwärmeversorgung braucht es in Berlin und anderswo immense Investitionen. Laut Agora Energiewende und der für die Berechnungen beauftragten Prognos AG liegt der jährliche Investitionsbedarf bei rund fünf Milliarden Euro. Das aktuelle Investitionsvolumen der Fernwärmeunternehmen betrage aber aktuell nur die Hälfte.

Die Agora-Analyse zeigt zudem, dass diese Investitionen für Fernwärmeversorger aktuell betriebswirtschaftlich häufig nicht leistbar sind. Die Gründe: hohe Strompreise im Vergleich zu fossilen Energien, Unsicherheit über Fördermittel, erschwerter Zugang zu Finanzmitteln und teils hohe Finanzierungskosten. Das habe auch Auswirkungen auf Fernwärmekund:innen. Ohne weitere Anpassungen des Ordnungsrahmens drohen Fernwärmekosten mancherorts bis 2045 um rund ein Drittel zu steigen, was günstigen Fernwärmepreisen im Weg stehen würde.

Niedrigere Stromkosten und ein gesicherter Förderrahmen seien dagegen die entscheidenden Hebel, um die klimaneutrale Transformation der Fernwärme zu beschleunigen. Die Bundesförderung für Effiziente Wärmenetze (BEW) als wichtigstes Förderinstrument für Wärmenetzbetreiber läuft bis 2028 und stellt rund 0,8 Milliarden Euro jährlich zur Verfügung. Dazu kommen bis Ende 2026 rund 1,8 Milliarden aus dem Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz. Agora fordert die Förderung zu verstetigen und mit ausreichend Mitteln auszustatten, etwa über ein Gesetz, aus dem sich für Versorger ein Rechtsanspruch auf Förderung für Fernwärme aus Erneuerbaren Energien ergibt und dass laut Prognos AG rund 3,5 Milliarden Euro betragen solle.

Darüber hinaus sei es zentral, mehr privates Kapital und neue Investorengruppen für die Wärmewende zu gewinnen, um auf insgesamt fünf Milliarden Euro jährlicher Investitionen zu kommen. Dies könnte auch dadurch erleichtert werden, dass der Staat bestimmte Risiken abfedert – beispielsweise mit Blick auf Anschlusszahlen für neue Wärmenetze.

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Die Fernwärme-Wende braucht Vertrauen der Kund:innen in diese. Wie auch die Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv), sieht Agora Energiewende Transparenz als entscheidend an. Ende August veröffentlichte das Bundeswirtschaftsministerium einen Referentenentwurf zur Novelle der sogenannten AVBFernwärmeV. Die Fernwärmeverordnung regelt die Versorgung der Verbraucher:innen durch die Unternehmen.

Bislang gilt die Preisgestaltung Fernwärmeversorger als intransparent. Dem Entwurf zufolge soll es künftig Veröffentlichungspflichten der Fernwärmeanbieter geben, etwa für mehr Transparenz von Preisänderungen. Auch soll es konkretere Vorgaben für sogenannte Preisänderungsklauseln geben. Der vzbv geht der Schutz der Verbraucher:innen nicht weit genug.

Es brauche mehr Verbindlichkeit im Fernwärmerecht, so vzbv-Vorständin Ramona Pop. „Was fehlt, ist die Einrichtung einer unabhängigen Preisaufsicht, die Verbraucher:innen wirkungsvoll vor schwarzen Schafen und überhöhten Preisen schützt.“ Diese bundesweite Preisaufsicht soll einer einheitlichen Kontrolle der Preise und ihrer Zusammensetzung dienen. Fernwärmeversorgungsunternehmen sollen zudem zur Teilnahme an Schlichtungsverfahren verpflichtet werden. mg

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