Nachhaltiges Bauen: Öko-Quartier in der Hauptstadt
Ein Bauprojekt im Berliner Norden macht vor, wie die Energiewende im Gebäudesektor gelingen kann. Kalte Nahwärme und Photovoltaik ermöglichen hier bald eine dezentrale, fossilfreie und klimapositive Energieversorgung im Quartier.
19.01.2022 – Die Wärmewende gehört zu den größten Herausforderungen für den Klimaschutz und eine nachhaltige Zukunft. Wärme- und Energieversorgung müssen effizienter werden, weniger Ressourcen verbrauchen und fossile Altlasten abschütteln. Mit einer ambitionierten Wärmestrategie will die neue Bundesregierung den Sektor voranbringen. Laut Koalitionsvertrag sollen schon 2025 bei jeder neu eingebauten Heizung 65 Prozent aus erneuerbaren Quellen kommen. Bis 2030 sollen dann sogar 50 Prozent der gesamten Wärmeversorgung klimaneutral erzeugt werden.
Klimaneutrale Gebäudestrategien sind deshalb essenziell. Ein nachhaltiges Wohnquartier im Berliner Norden könnte hier zum Vorbild werden. Kokoni One umfasst 84 Doppel- und Reihenhäuser auf 23 Hektar im Viertel Französisch Buchholz in Pankow. Ab 2023 wird das gemeinschaftliche Öko-Quartier mit brennstoff- und emissionsfreier Energie versorgt.
Gebäude dezentral mit Wärme und Energie versorgen
Das fossilfreie Energiekonzept besteht aus einem gedämmten, 1,2 Kilometer langen Niedertemperatur-Nahwärmenetz mit 68 Wärmesonden, zwei zentralen Wärmepumpen und dachintegrierter Photovoltaik.
Die Wärmesonden entziehen der Erde konstant Energie mit einer Temperatur von ca. 10°C und die Pumpen erwärmen diese auf 40°C. So können die Gebäude im Winter geheizt werden – und im Sommer gekühlt. Denn in den warmen Monaten kann der Vorgang umgekehrt werden. Dann wird den Gebäuden Wärme entzogen und ins Erdreich eingeleitet. Die beiden zentralen Wärmepumpen operieren mit jeweils ca. 50 Kilowatt elektrischer Eingangsleistung sowie knapp 200 Kilowatt thermischer Ausgangsleistung. Die Heizwärme wird in die einzelnen Gebäude mit KfW-gefördertem Baustandard BEG 55 transportiert.
Die Photovoltaik-Anlagen ersetzen die Dachdeckung der Häuser und sind in einem gemeinsamen Netz verbunden, das günstigen Mieterstrom für die Bewohner ermöglicht. Auch die hygienische Wasserbereitung und Stellplätze mit Ladepunkten werden von den eigenen Dächern versorgt. Die Photovoltaik-Anlagen haben dabei zusammen eine Leistung von insgesamt 222 bis 323 Kilowattpeak. Dabei werden die einzelnen Anlagen über ein separates Netz zu einer großen Gesamtanlage verbunden und haben einen zentralen Zähler. Die hygienische Wasserbereitung erfolgt jeweils dezentral über elektrische Durchlaufsysteme.
„In den kommenden Jahren muss sowohl die Wärmeversorgung klimaneutral gestellt als auch der Erneuerbaren-Anteil im Stromsektor drastisch erhöht werden. Mit der innovativen Kombination aus Solarstrom und Wärmepumpen schlagen wir hier zwei Fliegen mit einer Klappe“, sagt Sarah Debor, Abteilungsleiterin für Projektentwicklung beim Ökostromversorger NATURSTROM. Gemeinsam mit dem Berliner Projektentwickler Incept und den Architekten ZRS Architekten Ingenieure baut der Ökostromversorger das Pionierprojekt in der Hauptstadt. jb
Kommentare
Erika Romberg am 20.01.2022
Eine Frage an die ArchitekInnen und die ProjektentwicklerInnen,
warum werden die Neubauten nicht im Standard EH 40 errichtet? Was sind die Gründe, dass der Effizienzstandard dieses Neubauvorhabens bei EH 55 stecken blieb?
Mit freundlichen Grüßen
Erika Romberg