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WärmewendeOfenCampus 2.0 – innovativ, nachhaltig, effizient

Einbau eines Speicherofens in ein altes niedersächsisches Fachwerkhaus. (Foto: Dierk Jensen)
Einbau eines Speicherofens in ein altes niedersächsisches Fachwerkhaus. (Foto: Dierk Jensen)

In diesem Jahr schlagen beim OfenCampus international bekannte Akteure des ressourcenschonenden Bauens und Heizens einen spannenden Bogen von klimaschonender Wärme mit Speicheröfen hin zu innovativen Ansätzen nachhaltigen Bauens auch im Mainstream.

23.05.2025 – Nach erfolgreichem Auftakt im Vorjahr findet in diesem Jahr vom 25.-27. Juni im Ofen- und Keramikmuseum im brandenburgischen Velten der zweite OfenCampus statt.„Wie müssen Ofenbauer sich gegenüber potenziellen Kunden, innerhalb der erneuerbaren Wärmebranche und letztlich in der Politik positionieren, um den traditionsreichen Speicherofen als innovative, nachhaltige und effiziente Heizform erfolgreich in die Zukunft zu bringen“, stellt Ofenbauer Thomas Zander, Vorsitzender von 850 Grad, die Kardinalfrage, um die sich alle Inhalte und Vorträge des diesjährigen OfenCampus drehen werden.

Traditioneller Ofenbau in der UNESCO-Liste

Dabei ist es der Stiftung Museumsstandort Velten, dem Ofen- und Keramikmuseum Velten und dem Verein 850 Grad Handwerklicher Grundofen, allesamt Hauptakteure im „Netzwerk Kachelofenbau“, erst vor zwei Jahren gelungen, dass der traditionelle Kachelofenbau als immaterielles Kulturerbe von der deutschen UNESCO-Kommission anerkannt wurde. Nach der erfolgreichen Premiere im letzten Jahre haben die Initiatoren wieder interessante und bekannte Dozenten aus Architektur, Ofenbau und nachhaltigem Bauen nach Velten locken können.

Vielfältiges Programm

Am ersten Tag wird Jessica Steinhäuser zum Kachelofenbau in Kanada vortragen und Einblicke in die Transformation europäischer Heiztradition auf den nordamerikanischen Kontinent gewähren.

Am zweiten Tag lenken die Vortragenden auf dem OfenCampus im historischen Gebäudeensemble einer Ofenfabrik den Blick auf die Nachhaltigkeit des Bauens. Als Referent dafür haben die Ofenbauer Roland Bechmann, Vorstand der Werner Sobek AG, gewinnen können, die in vielen internationalen Großprojekten involviert sind. So übernahm Werner Sobek beispielsweise aktuell die Tragwerksplanung des Pavillions von Usbekistan auf der diesjährigen Expo in Osaka, die durch eine spektakuläre, dreieckige Dachkonstruktion aus Holz besticht.

Bechmann wird über Lebenszyklus-Analysen von diversen Baustoffen berichten, die deutlich machen, was wirklich ressourcenschonend ist und was eben nicht. Der Bau-Ingenieur ist der festen Überzeugung, dass Holz grundsätzlich primär zum Bauen genutzt werden sollte und erst nachgelagert energetisch zu verwenden sei. Diese Präferenz macht für ihn Sinn, weil das verbaute Holz im Gebäude eine nachhaltigere, langfristigere Kohlenstoffbindung biete als es die bloße Verbrennung zu leisten vermag. Nichtsdestoweniger ist für ihn holzige Biomasse beispielsweise in Form von Holzresten an vielen Orten eine sinnvolle Ergänzung in der bunten Reihe vieler klimaschonender Heizmethoden wie beispielsweise ein hocheffizienter Speicherofen. Deswegen ist für ihn der handwerkliche Ofenbau eine interessante Option in speziellen Segmenten.

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Koalition für Holzbau

Unabhängig davon konzentriert sich Bechmann bei seiner kritischen Analyse der gegenwärtigen Bauwelt aber die Betrachtung der großen Mengen an Emissionen, den die Baumaterialien in ihrer Herstellung gewöhnlich verschlingen. Und gerade in diesem Bereich, so die gute Botschaft von Bechmann, der sich auch als sogenannter „Ambassador“ in der Kampagne „Koalition für Holzbau“ engagiert. Denn aus seiner Sicht habe die Bauwirtschaft in den letzten Jahren enorme Fortschritte gemacht. „Wir haben in einigen unserer Bauprojekte bis zu 30 Prozent des CO2-Ausstoßes zur Herstellung, zum Transport und zur Verarbeitung der vor Ort benötigten Baumaterialien, von Stahl über Beton bis hin zum Glas, verringern können, was am Ende den CO2-Abdruck eines energieeffizienten Hauses auf bis zu 60 Prozent reduzieren läßt“, vermerkt Bechmann.

Für den Ingenieur relativiere dies bei Neubauten die Dämm-Aktivitäten an und in der Gebäudehülle, die für ihn ohnehin nicht in jedem Fall besonders zielgerichtet sind. „Weniger wäre da oft mehr“, kritisiert er und verweist auf Negativbeispiele, bei denen Neubauten bekanntermaßen zu luftdicht errichtet wurden. Insgesamt aber, so die Einschätzung des Vorstandes der Sobek AG, haben sich sowohl Professionalität als auch Wissenschaftlichkeit hinsichtlich aller Fragen zur Nachhaltigkeit zumindest im europäischen Bauwesen nach jahrelangem Ringen inzwischen doch etabliert.

Allerdings mache ihm die aktuelle politische Entwicklung in Sachen klimaneutralen Bauen große Sorgen. „Da die Amerikaner aus dem Pariser Klimaabkommen aussteigen und die gegenwärtige angespannte geopolitische Lage die öffentlichen Debatten beherrscht, befürchte ich, dass auch im Bausektor die Nachhaltigkeit wieder in den Hintergrund gerät, was in vielerlei Hinsicht fatal wäre.“

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Über den europäischen Horizont hinaus wird die schweizerisch-kirgisische Architektin Sakail Zhunushova auf dem 2. OfenCampus den Blick nach Zentralasien werfen, wo es erste, zarte Ansätze kluger Kombinationen von nachhaltigen Baustoffen und erneuerbaren Wärmetechniken zu vermelden gibt. Zhunushova weiß dabei genau um die besonderen Herausforderungen einer fragilen postsojwetischen Gesellschaft wie in Kirgisistan und wie wichtig es ist, verlorengegangenes Wissen zu reaktivieren und umweltpolitische Überzeugungsarbeit zu leisten.

Auch eine Frage des Preises

Aber wie immer ist alles auch eine Frage des Preises: Darüber hinaus wird es weiterhin elementar wichtig, wie es gelingt und welche Hürden überwinden werden müssen, um mit nachhaltig agierenden Bauunternehmen zusammenzukommen. Auf diese Fragen geht Referent Peter Breidenbrach vom Baustoffhersteller ClayTec nach. Er berichtet über die Chancen (und vielleicht über die Herausforderungen) von Lehmbaustoffen.

Lehmbau-Renaissance

Breidenbach gehörte zu Beginn der Achtzigerjahre zu denjenigen Pionieren, die nach der Betonwut in den Siebzigern wieder aus tiefer Überzeugung heraus auf den traditionsreichen Baustoff Lehm gesetzt haben. Wurde sein Wissen um Lehm und Lehmbau anfänglich nur von Denkmalschutzprojekten nachgefragt, hat sich seine Firma ClayTec mit Stammsitz in Viersen inzwischen auch im konventionellen Baugewerbe etablieren können.

Offenbar überzeugen die physikalischen und thermischen Vorteile des Baustoffes. Innovativ hat ClayTec die eigene Produktlinie weiterentwickelt und erweitert. Darunter befindet sich auch ein grober Lehm-Farbputz mit Stroh, zudem diverse Lehmsteine und Lehm-Dünnbettmörtel, der eine nachhaltige Wiederverwendung von Mauersteinen ermöglicht. Letzterer ist wasserlöslich, frei von gebrannten Bindemitteln sowie chemischen Zusätzen und definiert damit die Umweltperformance von Massivbaustoffen gänzlich neu. Die Kreislauffähigkeit trägt dazu bei, die Umweltauswirkungen der Baubranche zu minimieren.

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Auf Stroh gebaut? – Die Kombination macht‘s

Auf die ketzerische Frage, wie rosig die Perspektiven für den Lehmbau denn am Ende wirklich sind, darauf gibt Experte Breidenbach den Zuhörern mit Sicherheit dezidierte Antworten. Interessant wird auch sein, wie Breidenbach die Chancen für den Baustoff Stroh beurteilt; ob Bauen mit Stroh, wie es artefact, das Glückburger Zentrum für nachhaltige Entwicklung, vor Kurzem formulierte „schon auf dem Weg aus der Nische“ sei? Dass Stroh, Lehm und Holz gut zusammenpassen, daran zweifelt mittlerweile fast keiner mehr, ob es über das Handwerk hinaus skalierbare „Bau“-Dimensionen erreicht, bleibt jedoch abzuwarten.

Innovationspreis für nachhaltiges Ofenbauhandwerk

Themengerecht abgerundet wird der zweite Seminartag mit der Verleihung des Innovationspreises für nachhaltiges und CO2-reduziertes Bauen und Produzieren im Ofenbauhandwerk. Mit dem Innovationswettbewerb „Nachhaltige und zukunftsfähige Lösungen aus dem Ofenbauhandwerk“ unterstützt die Gütegemeinschaft Kachelofen e.V. Ofenbaubetriebe, ihre ökologischen und CO2-neutralen Ansätze rascher als bisher in die Praxis zu bringen. Prämiert werden die besten drei innovativen und zukunftsfähigen Ansätze aus dem Ofenbauhandwerk.

Den Schlusspunkt des illustren und interaktiven OfenCampus 2025 setzen am dritten Tag drei engagierte Ofenbauer: Zum einen greifen Tino Kanetzki und Frank Uffmann das Thema „Grundöfen mit Absorbertechnik“ auf, zum anderen beschäftigt sich Tino Milinski mit dem Grundofen als „Ganzhausheizung - eine ökologische und nachhaltige Lösung“. Unterdessen gibt Franz Maget, ehemaliger SPD-Landtagsabgeordneter in Bayern, sensible Einblicke in den Lobbyismus und stellt sich der Frage, wie der Grundofenbau seine zukunftsfähigen Ansätze in die Politik tragen kann. Diskussion inklusive. Dierk Jensen

Das 2. OfenCampus richtet sich an das breite Fachpublikum aus Ofenbau und Architektur, aber auch an fachinteressierte Laien. Weitere Infos unter: 850Grad@gmx.de | www.850grad.org | info@okmhb.de | Zum OfenCampus https://okmhb.de/ofencampus/

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