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DänemarkWärmenetze in Bürgerhand

Dänemark
Dänemark zeigt, wie grüne Wärmewende geht (Foto: Travel 'n' Lifestyle/stock.adobe.com).

Grüne Fernwärme versorgt den Großteil der Gebäude in Dänemark, Wärmenetze werden gemeinnützig und häufig von Genossenschaften betrieben. Deutschlands nordischer Nachbar zeigt, wie eine erfolgreiche Wärmewende aussehen kann.

29.10.2025 – Seit Anfang Juli hat Dänemark die EU-Ratspräsidentschaft übernommen und rückt den Fokus erneut auf bezahlbare, von Russland unabhängige und grüne Energie für Europa. Im eigenen Land leben die Dänen dies bereits seit Jahren vor. Einst stark abhängig von fossilen Energien, entschied sich Dänemark nach der Ölkrise Mitte der 1970er Jahre, seine Wärmeversorgung unabhängiger und nachhaltiger aufzustellen. Eine kommunale Wärmeplanung wurde in Dänemark bereits 1979 eingeführt. „Die erste Reaktion Dänemarks auf den Krieg in der Ukraine und die Gaskrise hatte viele Ähnlichkeiten mit der dänischen Reaktion auf die letzte schwere Energiekrise in den 1970er Jahren: Mehr Fernwärme!“, sagt Birger Lauersen, International Director, Dansk Fjernvarme, der dänischen Assoziation für Fernwärmebetreiber. Das „Klimaabkommen über Ökostrom und Wärme“ verpflichtete Kommunen ab 2022 dazu, bis Ende des Jahres Wärmepläne ohne Gas zu erstellen und genehmigen zu lassen.

Kommunen waren und sind dabei nicht nur verpflichtet zu prüfen, welche Form des Heizens in der betroffenen Region am günstigsten umzusetzen ist. Energiequellen für Fernwärmenetze werden ebenso analysiert wie die Kosten für den Ausbau von Fernwärmenetzen im Vergleich zu individuellen Wärmepumpen. Mit der Wärmeversorgung darf dabei kein Profit gemacht werden, die Kosten spiegeln die Gestehungs- und Transportkosten wider.

Grundsätzlich werden Öl- und Gasheizungen im Neubau bereits seit 2013 nicht mehr verbaut, und seit 2016 alte Heizkessel nicht mehr gegen neue fossile Heizungen getauscht. Ein von der dänischen Regierung eingeführtes Programm zur Verschrottung von Ölkesseln und seit 2020 auch von Erdgaskesseln unterstützt Haushalte außerhalb des Fernwärmenetzes zudem dabei, eine Wärmepumpe zu installieren. All diese Maßnahmen werden dabei in Dänemark parteiübergreifend gefördert und sind nahezu Konsens.

Mehr Fernwärme!

Dänemark hat eines der am besten ausgebauten Fernwärmenetze der Welt. Rund zwei Drittel der Haushalte haben einen Fernwärmeanschluss. Fast die gesamte Wärmeversorgung Dänemarks ist zudem auf die ein oder andere Weise in Bürgerhand. „Es gibt zwei vorherrschende Eigentumsformen in der dänischen Fernwärmeversorgung: 308 Genossenschaften, die in der Regel kleiner sind und ein Drittel der gesamten Fernwärme liefern sowie 58 kommunale Versorgungsunternehmen, die in der Regel in größeren Städten ansässig sind und 65 Prozent der gesamten Fernwärme liefern. Eine kleine Anzahl privater Versorgungsunternehmen liefert drei Prozent der Wärme“, erklärt Birger Lauersen.

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Die kommunalen Betreiber trennen den Betrieb der Wärmenetze vollständig von anderen kommunalen Aufgaben, eine Querfinanzierung ist nicht erlaubt. „Das Fehlen eines Gewinnmotivs im Bereich Fernwärme hat dazu geführt, dass kommerzielle Energieunternehmen kein Interesse daran haben“, sagt Lauersen. Ein breiter, gemeinnütziger, basisdemokratischer Genossenschafts- und kommunaler Fernwärmesektor mit viel Zusammenarbeit in betrieblichen und politischen Fragen sorge dafür, dass der Sektor stark und wettbewerbsfähig bleibe. Ein über Jahrzehnte konsistenter staatlicher Rahmen, leicht zugängliche Planung und Beratung in der ersten Projektphase und Zugang zu günstigen Finanzierungsmöglichkeiten taten wohl ihr übriges.

„Das Non-Profit-Prinzip gewährleistet, dass die Verbraucher vor Missbrauch des natürlichen Fernwärmemonopols geschützt sind, da der Fernwärmepreis auf einer kostenorientierten Preisgestaltung basiert“, erklärt John Halkjær Christensen, Area Manager for District Heating von Hofor, einem der größten kommunalen Versorgungsunternehmen Dänemarks im Raum Kopenhagen. Um die Effizienz von Verwaltung und Betrieb sicherzustellen, würden Fernwärmeversorger jährlich freiwillig mittels Benchmarkings miteinander verglichen.

Finanziert wird die Wärmeplanung über den Kommunalhaushalt. Eine wichtige Rolle spielen deshalb Kommunale Banken und die Kreditvereinigung Kommunekredit, an der alle dänischen Städte und Gemeinden beteiligt sind, und deren Finanzmittel die dänische Regierung zur Verfügung stellt. Sie bieten Kredite zu günstigen Konditionen an, für die Kommunen gemeinsam haften. Weiterhin gibt es Programme und Förderungen, die über die dänische Energieagentur abgewickelt werden.

Biomasse, Abwärme, Solarthermie, Wärmepumpen

Dänemark plant, die Fernwärmeversorgung bis 2030 zu 100 Prozent klimaneutral zu gestalten. Die Fernwärmeversorgung basiert aktuell bereits etwa zu drei Vierteln auf Erneuerbaren Energien. Davon wird gut die Hälfte aus Biomasse erzeugt, die andere aus Abwärme, Solarthermie und grünem Strom. Zwischen 2010 und 2019 wurden u. a. große Solarthermie-Projekte gefördert, deren Anteil inzwischen allerdings stagniert. Seit zunehmend mehr günstiger, erneuerbarer Strom zur Verfügung steht als verbraucht werden kann, rückt hingegen Power-to-Heat zunehmend in den Fokus. 2021 verlagerte die dänische Regierung ihren Förderfokus auf elektrische Lösungen mit Zuschüssen für große Wärmepumpen für den Fernwärmemarkt sowie die Exploration von Geothermie als Wärmequelle. Langfristig soll so auch die Abhängigkeit von erneuerbarer Biomasse reduziert werden.

Project Zero

Ein Vorzeigebeispiel der Wärmewende in Dänemark ist die im Süden gelegene Kommune Sønderborg. Die Kommune verfolgt bereit seit 2007 das Klimaprojekt Project Zero mit dem Ziel, die Kommune samt ihrer 75 000 Einwohner bis 2029 in allen Bereichen CO₂-neutral zu machen. Dafür arbeiten Industrie, das genossenschaftlich organisierte Fernwärmeunternehmen Sønderborg Varme, die Stadtverwaltung und viele weitere Akteure seit Jahren daran, Energie einzusparen und fossile Energiequellen zu ersetzen. Innerhalb von 15 Jahren hat die Kommune ihre Emissionen bereits um 66 Prozent reduziert. 20-30 Prozent des Wärmebedarfs werden inzwischen durch Abwärme etwa aus Supermärkten, Rechenzentren, Industrie- und Gewerbebetrieben gedeckt, die Kommune arbeitet weiter an Elektrifizierung und Abwärmenutzung der Industrie, und auch Geothermie-Projekte werden geprüft. Die Sektoren wachsen zusammen.

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Sønderborg besteht aus einem Stadtgebiet sowie umliegenden Dörfern. Für alle, die noch mit Gas heizen, wurde oder wird die Wärmeplanung aktualisiert. Die meisten werden an das Fernwärmenetz angeschlossen. Für einige abgelegenere Dörfer, für die ein Fernwärmeanschluss teurer wäre, werden entweder Nahwärmenetze aufgebaut oder der Einsatz von individuellen Wärmepumpen empfohlen. Falls Wärmepumpen die günstigste Lösung sowohl für die individuellen Haushalte wie die Gemeinde als Ganzes sind, arbeiten Vertreter von Projekt Zero mit der Gemeindevertretung zusammen, um einen gemeinsamen, und damit günstigeren Kauf von Wärmepumpen zu organisieren.

In der Nachbarkommune von Sønderborg, in Vojens, findet sich ein weiteres Pionierprojekt, einer der größten saisonalen Erdbeckenspeicher weltweit. Der Wärmespeicher mit einem Fassungsvermögen von über 200.000 Kubikmetern speichert vor allem überschüssige Wärme aus einer Solarthermieanlage und kann etwa ein Viertel des Wärmebedarfs der rund 7.500 Einwohner-Stadt decken. Selbstverständlich ist der Betreiber, der Fernwärmeversorger Vojens Fjernvarme, ebenfalls genossenschaftlich organisiert. Julia Broich

Der Artikel ist Teil des aktuellen Fachmagazins der energiezukunft: Kraftakt Wärmewende - vom Plan in die Praxis

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