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Henne-Ei-ProblemBundesrechnungshof zu Risiken der Wasserstoffstrategie

Wasserstoffelektrolyseur, zwei große zylinderförmige Behälter und Leitungen
Zuwenig Nachfrage, zu hohe Preise – beim Wasserstoff muss das Henne-Ei-Problem gelöst werden. Unter anderem Leitmärkte werden vorgeschlagen. (Foto: Hanno Böck auf Wikimedia / CC0 1.0 Universal)

Der Bundesrechnungshof sieht im stockenden Wasserstoffhochlauf Risiken für Energiewende, Industrie und den Bundeshaushalt. BEE und VDI stimmen mit Einschätzung des Status Quo überein, werben aber für Pragmatismus und politische Flankierung.

05.11.2025 – Die Wasserstofferzeugung in Deutschland ist nicht auf Zielpfad. Jetzt hat der Bundesrechnungshof in einem Sonderbericht die Umsetzung der Wasserstoffstrategie bewertet. Die Aussagen von Kay Scheller, Präsident des Bundesrechnungshofes fallen drastisch aus: „Trotz milliardenschwerer Förderungen verfehlt die Bundesregierung ihre ambitionierten Ziele beim Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft. Angebot und Nachfrage bleiben deutlich hinter den Erwartungen zurück. Dies gefährdet das Erreichen der Klimaneutralität bis 2045 und die Zukunftsfähigkeit des Industriestandorts Deutschland. Und solange nicht absehbar ist, dass Wasserstoff preislich wettbewerbsfähig wird, droht eine staatliche Dauerförderung die bereits aus den Fugen geratenen Bundesfinanzen weiter unter Druck zu setzen.“

Der Bund hat bereits in den Jahren 2024 und 2025 mehr als sieben Milliarden Euro vor allem an Subventionen bereitgestellt. Zusagen in Milliardenhöhe bestehen bis Ende des Jahrzehnts. Zusätzlich sichert er den Aufbau der Netzinfrastruktur finanziell ab. Die Ziele der Wasserstoffstrategie erreicht die Bundesregierung trotz dieses finanziellen Engagements bisher nicht. Weder die inländische Erzeugung noch die Importmengen reichen aus, um den erwarteten Bedarf zu decken.

Zugleich entwickelt sich die Nachfrage langsamer als erwartet. Die von der Bundesregierung initiierten Förderungen der industriellen Nutzung von Wasserstoff haben nicht zu der erhofften Nachfrage geführt, insbesondere aus der Stahlbranche. Es fehlt außerdem ein wesentlicher Nachfrageimpuls, solange Gaskraftwerke – anders als in der Vergangenheit geplant – nicht zwingend auf Wasserstoff umzurüsten sind.

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Wasserstoff-Kernnetz zu ambitioniert geplant

Der Ausbauplan für das Wasserstoff-Kernnetz berücksichtigt nach Einschätzung der Prüfer diese Entwicklungen bislang nicht. Angesichts der tatsächlichen Entwicklung von Angebot und Nachfrage ist der Aufbau des Wasserstoff-Kernnetzes zu ambitioniert geplant.

Zudem ist grüner Wasserstoff weiterhin deutlich teurer als fossile Energieträger wie Erdgas. Da er absehbar nicht zu wettbewerbsfähigen Preisen erzeugt oder importiert werden kann, sei eine staatliche Dauerförderung absehbar. Um die Preisdifferenz zwischen Wasserstoff und Erdgas auszugleichen, könnten 2030 allein für Importe Belastungen in Höhe von drei bis 25 Milliarden Euro für den Bundeshaushalt entstehen, warnen die Prüfer.

Bedenken bei Klimaneutralität und Umweltverträglichkeit

Und auch in punkto Klimaneutralität meldet der Bundesrechnungshof Bedenken an. Grüner Wasserstoff habe zwar grundsätzlich das Potenzial klimaneutral erzeugt und genutzt zu werden. Ob die gewünschte positive Klimawirkung eintritt, sei aber unsicher. Insbesondere beim Import von grünem Wasserstoff können erhebliche Vorkettenemissionen entstehen. Die Bundesregierung will aber mindestens die Hälfte des Wasserstoffbedarfs über Importe decken und hat bei internationalen Ausschreibungen bereits Zugeständnisse bei Nachhaltigkeitsanforderungen gemacht.

Realitätscheck empfohlen

Der Bundesrechnungshof empfiehlt der Bundesregierung, die Wasserstoffstrategie und deren bisherige Umsetzung einem Realitätscheck zu unterziehen und dabei neu zu bewerten, ob und wann grüner Wasserstoff ohne dauerhafte Subventionen in ausreichenden Mengen, zu einem wettbewerbsfähigen Preis sowie klimaneutral und nachhaltig verfügbar sein kann. Es gelte die Wasserstoffstrategie so zu überarbeiten, dass Angebot, Nachfrage und Infrastruktur möglichst synchron und wirtschaftlich aufgebaut werden sowie nach einer Neubewertung gegebenenfalls rechtzeitig einen Plan B zu entwickeln, um die Klimaneutralität bis 2045 auch ohne eine dauerhaft subventionierte Wasserstoffwirtschaft zu erreichen.

Bewertung greift aus Sicht des BEE zu kurz

Der Bundesverband Erneuerbarer Energien sieht die Bewertung durch den Bundesrechnungshof zu kurz gegriffen. Es sei zwar richtig, dass grüner Wasserstoff derzeit noch nicht wettbewerbsfähig sei, jedoch müsse dies mittelfristig nicht so bleiben. So zeige unter anderem die Studie des Oeko-Instituts, dass mittel- und langfristig erhebliche Kostensenkungen möglich seien, insbesondere bei der heimischen Produktion. Allerdings brauche es dafür politische Flankierung.

„Wir haben bei Wasserstoff aktuell ein Henne-Ei-Problem. Grüner Wasserstoff ist teuer, weil er bislang nur in geringem Maße verfügbar ist. Weil er teuer ist, wird er weniger nachgefragt. Damit fehlt die Absatzperspektive, um mehr zu produzieren – wodurch die Preise fallen würden. Die Politik ist hier aber nicht zum hilflosen Zuschauen verdammt. Die Regierung hat Gestaltungsmöglichkeiten. Sie muss sich nur trauen, diese auch zu nutzen“, appelliert die BEE-Präsidentin Ursula Heinen-Esser, die dieses Amt im Oktober 2025 antrat.

Beispielsweise könnten Leitmärkte geschaffen werden und die gerade von der EU beihilferechtlich bewilligten Gaskraftwerke als H2-ready ausgeschrieben werden. Ebenfalls könnte mit einer festen Grünstahlquote bei Aufträgen der Öffentlichen Hand die Nachfrage angereizt werden. Die jetzt investierten Mittel seien kein Risiko, sondern eine Rendite für die Zukunft.

Wasserstoff nicht voreilig abschreiben

Der Verein Deutscher Ingenieure (VDI) argumentiert ähnlich. „Der Bundesrechnungshof kritisiert zurecht den bisherigen Status Quo beim Wasserstoffhochlauf, notwendig ist aber ein breiterer Blick auf die Ursachen. Trotz klar formulierter Ziele zur Förderung von grünem Wasserstoff der Bundesregierung ist eines der Hauptprobleme nach wie vor fehlender Pragmatismus und Überregulierung beim Einsatz von Wasserstoff“, erklärt VDI-Direktor Adrian Willig. ES wäre falsch, die bestehenden Probleme zu ignorieren und stattdessen die Nutzung von Wasserstoff voreilig abzuschreiben.

Neben dem klassischen Henne-Ei-Problem spricht der VDI von bestehender Überregulierung und fordert verlässliche Rahmenbedingungen auch über 2030 hinaus. Fehlende Planungssicherheit, komplexe Regulierung, unklare Finanzierungsmodelle und ein nicht synchronisierter Infrastrukturausbau bremsen Tempo und Investitionen. „Wasserstoff ist eine Zukunftstechnologie, die wie jede Schlüsselinnovation am Anfang Geduld braucht. In der Startphase gelten andere Spielregeln. Wir dürfen nicht die Risiken maximieren und die Chancen minimieren – sondern Verantwortung mit Weitsicht verbinden,“ fordert Willig.

Klare Nachfrageimpulse setzen

Aus Sicht des Deutsche Wasserstoffverbandes DWV benennt der Bundesrechnungshof zentrale Herausforderungen, die der DWV seit Langem adressiert. Der Verband fordert klare Nachfrageimpulse, etwa über verbindliche Quoten und langfristige Abnahmeverträge von 10 bis 15 Jahren, außerdem beschleunigte Genehmigungsverfahren für Erzeugungsanlagen und eine koordinierte nationale Ausbauplanung. pf

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