Klimaneutrale IndustrieStartschuss für Wasserstoffkernnetz in Deutschland

Ausgehobene Trasse mit Ferngasleitung
Um solche Gasfernleitungen geht es beim Wasserstoffkernnetz. (Foto: Niteshift auf Wikimedia / CC BY-SA 3.0)

Nur zweieinhalb Jahre hat die Planung gedauert, nun hat die Bundesnetzagentur das zukünftige Wasserstoffkernnetz genehmigt. Industrie und Netzbetreiber werten diesen Schritt als wichtige Grundlage für weitere Planungen.

24.10.2024 – Das Wasserstoffkernnetz wird 9.040 Kilometer lang sein. Die Bundesnetzagentur ist in ihrer Genehmigung im Wesentlichen den Vorschlägen der Fernleitungsnetzbetreiber gefolgt. Die Leitungen zum Transport von Wasserstoff sollen sukzessive bis 2032 in Betrieb gehen, die ersten bereits im nächsten Jahr.

Rund 60 Prozent der künftigen Wasserstoff-Transportleitungen werden bereits bestehende Gasleitungen sein, die auf Wasserstoff umgestellt werden. 40 Prozent der 9.040 Leitungs-Kilometer sollen neu gebaut werden. Im Zieljahr 2032 beträgt die Einspeiseleistung 101 Gigawatt und die Ausspeiseleistung 87 Gigawatt. Insgesamt planen die Fernleitungsnetzbetreiber Investitionen in Höhe von 18,9 Milliarden Euro.

Privatwirtschaftliche Investitionen gestützt durch ein Amortisationskonto

Die Leitungen des Kernnetzes sollen privatwirtschaftlich gebaut und betrieben werden und durch die Entgelte der Nutzer finanziert werden. Da es jedoch am Anfang relativ wenige Abnehmer geben wird, können die Investitionskosten nicht voll auf die Nutzer umgelegt werden – daher werden die Netzentgelte gedeckelt. Ein Amortisationskonto sorgt dafür, dass die Mindereinnahmen der ersten Phase durch spätere Mehreinnahmen ausgeglichen werden. Mit Ausnahme der von Bund und Ländern geförderten Important Project of Common European Interest (IPCEI) Leitungsprojekte fließen keine Bundesmittel in die Kernnetzleitungen – das Finanzierungskonzept enthält aber eine finanzielle Absicherung des Bundes gegen unvorhersehbare Entwicklungen.

Das Wasserstoff-Kernnetz ist der erste Schritt für den Aufbau eines deutschlandweiten Wasserstoffnetzes. Es verbindet die künftigen Wasserstoffcluster miteinander. In diesen bündeln sich regionale und lokale Wasserstoffprojekte, wie zum Beispiel in Industrie- oder Gewerbeparks. Das Wasserstoff-Kernnetz berücksichtigt auch die Verbindung mit den Nachbarstaaten.

Wasserstoff-Verteilnetz nicht inklusive

Das Kernnetz dient dem überregionalen Transport des Wasserstoffs – es sind die Autobahnen der Wasserstoff-Infrastruktur. Die Planungen für das Kernnetz umfassen noch nicht das Verteilnetz – Leitungen vom Kernnetz zu den Kunden. Derzeit sind rund 1,8 Mio. industrielle und gewerbliche Letztverbraucher an das Gasverteilnetz angebunden – Kunden, die potenziell auch an einer klimaneutralen Wasserstoff-Versorgung interessiert sind.

Der Weg zum Wasserstoff-Kernnetz

Bereits in den letzten beiden Netzentwicklungsplänen Gas 2020 und 2022 führten die Fernleitungsnetzbetreiber (FNB) Marktabfragen für Wasserstofferzeugung und -bedarf durch. Ebenfalls wurden Leitungen zur Umstellung von Erdgas auf Wasserstoff identifiziert. Die Fernleitungsnetzbetreiber entwickelten anschließend eine eigene, noch unverbindliche Wasserstoffmodellierung im Netzentwicklungsplan Gas. Dieser wies auch erste Wasserstoffcluster in Deutschland aus.

Für den Aufbau und die Inbetriebnahme des Netzes war mehr Verbindlichkeit auf der Produzenten- und Nachfrageseite sowie der Bau von Leitungen notwendig. Aus diesem Grund beschloss die Bundesregierung im Frühjahr 2023 die Errichtung eines Wasserstoff-Kernnetzes. Ziel sollte sein, deutschlandweit die wesentlichen Wasserstoffproduktions-, Import- und Verbrauchspunkte zu verbinden.

Parallel zum Gesetzgebungsverfahren für die rechtliche Grundlage veröffentlichten die Gas- Fernleitungsnetzbetreiber im Juli 2023 ihren Planungstand. Dieser wurde gemeinsam von den FNB und dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz konsultiert. In diesem Rahmen wurden auch die Kriterien zur Festlegung des Szenarios für das Wasserstoff-Kernnetz veröffentlicht. Zudem konnten zum Beispiel Betreiber von Gasverteilernetzen mögliche Leitungsstrukturen einbringen.

Im November 2023 wurde der Antragsentwurf für das Wasserstoff-Kernnetz von den FNB bei der Bundesnetzagentur eingereicht, welchen die Bundesnetzagentur konsultierte und prüfte. Die FNB nutzten die Ergebnisse der Konsultation und Vorabprüfung für eine Überarbeitung des Antrags. In wenigen Regionen wurden einzelne Leitungen hinzugefügt, sowie vereinzelt Leitungen herausgenommen.

Energiewirtschaft begrüßt die Festlegungen

Die Verbände der Energiewirtschaft – BDEW, VKU und BEE – begrüßten die Genehmigung des Wasserstoffkernnetzes. Damit sei die Grundlage geschaffen, auf die Industrie und Wirtschaft bei der Dekarbonisierung ihrer nicht elektrifizierbaren Prozesse angewiesen sind. Allerdings wurden auch Lücken und Schwachstellen angesprochen.

So wies VKU-Geschäftsführer Ingbert Liebing auf die Verunsicherung von Verteilnetzbetreibern hin, die Leitungen ins Kernnetz einbringen wollen. Ihnen fehlten die rechtlichen Grundlagen, um die Umrüstung der bisherigen Gasnetze auf grüne Gase wie Wasserstoff rechtssicher planen und entsprechend investieren zu können. Auch die Frage der Finanzierung müsse geklärt werden: „Beim Kernnetz ist es das Amortisationskonto. Bei den Verteilnetzen ist die Frage, wie die Umrüstung finanziert wird, hingegen noch offen. Hier muss schnellstmöglich Klarheit geschaffen werden.“

Der BEE kritisierte die in den Planungen angenommenen Importkapazitäten als zu hoch. Sie widersprächen den Aussagen in der Nationalen Wasserstoffstrategie sowie den BMWK-Langfristszenarien. Auch dürfe die mit dem Aufbau des Wasserstoffkernnetzes einhergehende Umbau der Gasnetzinfrastruktur nicht zu Lasten der Einspeisung von Biomethan und anderen grünen Gasen gehen.

Das genehmigte Wasserstoff-Kernnetz einschließlich aller Maßnahmen ist unter www.bundesnetzagentur.de/wasserstoff-kernnetz veröffentlicht. pf

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