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Keine Vergütung, kein Problem?!

Windenergieanlagen auf Hügeln in Spanien
Den Zuschlag für Spaniens erste Windenergie-Ausschreibung erhielten ausschließlich Auktionsteilnehmer, die komplett auf eine staatliche Förderung verzichteten. (Pixabay / Free License)

Spaniens erste Windenergie-Ausschreibung über 500 Megawatt endete Mitte Januar mit einer Überraschung: Den Zuschlag erhielten ausschließlich Auktionsteilnehmer, die komplett auf eine staatliche Förderung verzichteten. Netzparität oder Marketing-Gag? Das Ergebnis wirft weiterhin Fragen auf.

27.07.2016 – Mit diesem Ergebnis hatte niemand gerechnet. Als das spanische Ministerium für Industrie, Energie und Tourismus (Minetur) vor einem halben Jahr mitteilte, wer die Gewinner der Ausschreibungsrunde waren, zeigten sich viele Branchenkenner überrascht: Ein Fleischproduzent, sein Bruder und ein portugiesischer Energiekonzern haben den Löwenanteil der ersten spanischen Erneuerbaren-Ausschreibung unter sich aufgeteilt. Wie das Minetur mitteilte, sicherten sich Forestalia und Grupo Jorge, zwei Unternehmen aus der autonomen Region Aragon im Nordosten Spaniens, sowie der portugiesische Energiekonzern Energias de Portugal (EDP) 495 der ausgeschriebenen 500 Megawatt (MW) Windenergiekapazität.

Auf Forestalias Tochtergesellschaft Energías Eólicas de Aragón entfielen 300 MW, Jorge Energy, die Energiesparte des hauptsächlich für Schweinefleischproduktion bekannten Mischkonzerns Grupo Jorge bekam den Zuschlag für 102 MW. Die beiden Unternehmen teilen sich somit 80 Prozent des ausgeschriebenen Windenergievolumens. Und sie teilen es sich im Wortsinne brüderlich. Forestalia-Inhaber Fernando Samper Rivas und sein Gegenüber bei der Jorge-Gruppe, Sergio Samper Rivas, sind Geschwister. Wobei laut Angaben spanischer Medien keinerlei geschäftliche Verbindungen zwischen den beiden in Saragossa beheimateten Unternehmen bestehen.

Auch bei der parallel durchgeführten Ausschreibung für elektrische Erzeugungskapazität aus Biomasse konnte sich Forestalia gegenüber den Mitbewerbern behaupten und erhielt den Zuschlag für mehr als die Hälfte (108,5 MW) des Ausschreibungsvolumens von insgesamt 200 MW. Den Großteil der restlichen Kapazität teilten sich das Biomasse- und Zellstoffunternehmen Ence (40 MW) und der Erneuerbaren-Projektentwickler Renova, eine Tochtergesellschaft des Forst- und Holzwirtschaftsunternehmens Grupo García Forestal. Den Gewinnern der Ausschreibung ist gemein, dass sie im spanischen Erneuerbaren-Sektor bislang eine eher untergeordnete Rolle gespielt haben. Vor allem aber, dass ihr Gebot für die Höhe der staatlichen Förderung faktisch unschlagbar günstig war: Es betrug exakt null Cent pro Kilowattstunde.

„Die Tatsache, dass es sich um eine isolierte und kleine Auktion gehandelt hat, hat zu einem unerwarteten Ergebnis geführt.“

Heikki Willstedt, spanischer Windverband AEE

Laut Angaben der für Außenwirtschaftsförderung und Standortmarketing der Bundesrepublik Deutschland zuständigen Gesellschaft Germany Trade and Invest (GTAI) hatte das spanische System der Ökostromförderung in den Jahren von 2005 bis 2013 zu einem Haushaltsfehlbetrag von rund 30 Milliarden Euro geführt. In den Jahren 2007 und 2008 erhielten Photovoltaikanlagen zum Teil staatliche Einspeisevergütungen von bis zu 460 Euro pro Megawatt. Zum Jahresbeginn 2012 hatte die damalige konservative Regierung von Ministerpräsident Mariano Rajoy daher ein sogenanntes Moratorium verhängt, um die Kostenentwicklung einzudämmen und den im Zuge der Wirtschaftskrise verordneten Sparauflagen der EU-Kommission zu genügen. Darin wurde die Förderung per Einspeisevergütung von Neuanlagen auf unbestimmte Zeit ausgesetzt.

Kostenbremse als Wahlargument

Für die spanische Regierung bedeutete das Ergebnis wenige Monate vor den Parlamentsneuwahlen Ende Juni einen unerwarteten Erfolg und die Bestätigung der eingeschlagenen Regulierungsrichtung. Nach den gescheiterten Parlamentswahlen im Dezember 2015, als Rajoys Partido Popular zwar stärkste Kraft wurde, anschließend aber keinen Koalitionspartner zur Regierungsbildung fand, ist die bei der ersten Erneuerbaren-Ausschreibung geglückte angestrebte Kostenbremse auch ein nicht zu unterschätzendes Argument zur eigenen Wiederwahl.

Wobei abzuwarten bleibt, ob die erfolgreichen Auktionsteilnehmer ihre Projekte auch wirklich umsetzen können. Zudem ist bereits jetzt deutlich, dass die bislang ausgeschriebenen Erzeugungskapazitäten nicht ausreichen, um Spaniens 2020-Klimaziele zu erreichen. Diese liegen bei einem Anteil von 20 Prozent erneuerbarer Energien am Bruttoendenergieverbrauch bis 2020 und einem Erneuerbaren-Anteil von 36,6 Prozent an der Bruttoenergieerzeugung. Für dieses Szenario ist ein Zubau von rund 6500 MW allein an Windkraftkapazitäten an Land nötig, teilte Spaniens Regierung im Herbst vergangenen Jahres mit.

Das könnte für die ohnehin gebeutelte Erneuerbaren-Branche zum Kraftakt werden. Nach Inkrafttreten des Moratoriums war sie von einem Tag auf den anderen zusammengebrochen, zumal auch der Netzausbau ins Stocken geriet und keine neuen Einspeisepunkte entstanden. In der Folge kamen weitere rückwirkende Änderungen am Einspeiseregime hinzu. Zuletzt galt die Regelung, dass die Betreiber von Erneuerbaren-Anlagen eine garantierte Rendite von 7,4 Prozent über den jeweils geltenden Vergütungszeitraum erhalten sollten.

Aufgrund der durch das Moratorium entstandenen Einnahmeausfälle haben seitdem insbesondere ausländische Investoren internationale Schiedsgerichte eingeschaltet, um die Rechtmäßigkeit der Maßnahmen zu überprüfen. Bislang sieht es danach aus, dass die Gerichte die Sichtweise der spanischen Regierung teilen und die rückwirkenden Vergütungseingriffe für gesetzeskonform erachten. Anfang Juni urteilte Spaniens Oberster Gerichtshof, dass die 2014 per königlichem Erlass verabschiedete Kürzung der Erneuerbaren-Förderung in Höhe von rund 1,7 Milliarden Euro mit der spanischen Verfassung und geltendem EU-Recht vereinbar sei.

Bereits im Januar hatte der schwedische Schiedsgerichtshof der Handelskammer Stockholm Klagen zweier Tochterunternehmen des Industriekonzerns Isolux abgelehnt, die die Rechtmäßigkeit der 2010 für den Erneuerbaren-Sektor eingeführten Vergütungskürzungen in Frage gestellt hatten. Mehr als 20 weitere Investorenklagen sind derzeit noch am Internationalen Schiedsgerichtshof der Weltbank anhängig.

Kritik am Ausschreibungsdesign

Die umstrittenen rückwirkenden Eingriffe in die Erneuerbaren-Vergütungsregeln hatten insbesondere den Windenergiezubau in Spanien faktisch zum Erliegen gebracht. Nach Jahren des Stillstands – 2015 wurde in ganz Spanien keine einzige Windenergieanlage errichtet – wollte das Energieministeriums in Madrid daher mit der 500-MW-Auktion nach eigenen Angaben das Interesse an weiteren Auktionen mit größeren Volumina ausloten. Nun steht fest: An mangelndem Interesse sollten künftige Ausschreibungen nicht scheitern – Spaniens erste Erneuerbaren-Auktion war fünffach überzeichnet.

„Mit dem Ausschreibungsverfahren hat der Staat getestet, ob überhaupt noch Subventionen nötig sind.“

Georg Abegg, Rödl & Partner

Doch gerade deshalb mehren sich in Branchenkreisen kritische Stimmen. „Die Tatsache, dass es sich um eine isolierte und kleine Auktion gehandelt hat – und das vor dem Hintergrund, dass der Erneuerbaren-Sektor wegen des Moratoriums für mehrere Jahre lahmgelegt war –, hat zu einem unerwarteten Ergebnis geführt“, sagt Heikki Willstedt, Energiepolitischer Direktor des spanischen Windenergieverbands AEE. „Vor dem Moratorium von 2012 befanden sich Windenergie-Projekte mit einer Kapazität von rund 10 000 MW in der Pipeline.“ Diese seien wegen des staatlich erzwungenen Stillstands aber nie umgesetzt worden. Zudem habe auch das Ausschreibungsdesign Mängel aufgewiesen. Unter anderem hatte das Energieministerium davon abgesehen, Präqualifikationen wie beispielsweise Finanzierungsnachweise einzufordern. Einige Unternehmen hätten vor allem an der Auktion teilgenommen, weil ihre Baugenehmigungen in Kürze ablaufen, so Willstedt.

Die GTAI geht in ihrer Einschätzung des spanischen Energiesektors davon aus, dass es sich bei den erfolgreichen Geboten um einzelne, gut vorbereitete, regional günstig gelegene Projekte handelt. Der Fakt, dass die Ausschreibung nach der dreijährigen Durststrecke des Moratoriums für Entwickler die erste Möglichkeit gewesen sei, ihre Projekte umzusetzen, habe zu der Abgabe der nun bezuschlagten Null-Cent-Gebote beigetragen, so GTAI.

„Viele Projekte wurden aufgrund der gesetzlichen Änderungen gestoppt, und die Unternehmen konnten diese Projekte daher nicht umsetzen“, bestätigt Marta Estellés, Verwaltungsdirektorin in der spanischen Niederlassung des deutschen Projektentwicklers Abo-Wind. Zum Zeitpunkt des Moratoriums seien Lieferverträge mit den Anlagenherstellern häufig bereits unterzeichnet gewesen. „Die beteiligten Firmen haben sich gesagt: Es ist besser, die fertig vorbereiteten Projekte realisieren zu können und dafür auf eine staatliche Einspeisevergütung zu verzichten als die Projekte komplett abschreiben zu müssen, was sich in Verlusten in den Unternehmensbilanzen niedergeschlagen hätte.“ Immerhin hätten die erfolgreichen Firmen bei der Ausschreibung zumindest eine Priorität beim Netzanschluss gewonnen.

Innerhalb von vier Jahren können sie beginnen, den Erneuerbaren-Strom einzuspeisen. Dass die Unternehmen, die letztlich den Zuschlag erhalten haben, komplett auf staatliche Unterstützung verzichten wollen, sei dennoch eine Überraschung gewesen. In der Branche würden die Ergebnisse heiß diskutiert. „Derzeit macht niemand klare Aussagen zu dem Sachverhalt. Die Firmen nicht, aber auch nicht der spanische Windverband“, sagt Estellés.

Immerhin haben alle erfolgreichen Firmen eine im Zuge des Ausschreibungsverfahrens gesetzte Frist eingehalten und Mitte März beim Industrieministerium ihre Bürgschaften zur Durchführung der bezuschlagten Projekte eingereicht. Diese liegen bei 20 Euro pro zuerkanntem Kilowatt. Damit verbunden ist die Pflicht, die Projekte binnen 48 Monaten zu realisieren. Für die Forestalia-Tochter Energías Eólicas de Aragón, mit 300 MW der große Gewinner der Windenergie-Ausschreibung, beläuft sich die Projektausfalls- und Verzugsbürgschaft damit auf sechs Millionen Euro. Hinsichtlich ihrer Gebotsstrategie und des Umsetzungsstatus‘ der einzelnen Projekte halten sich die erfolgreichen Auktionsteilnehmer, Forestalia, Grupo Jorge und EDP, allerdings sichtlich bedeckt.

Auf mehrfache Nachfrage von neue energie war keines der Unternehmen zu einer einordnenden Stellungnahme bereit. Auch beim spanischen Windverband hat man keine Informationen darüber, in welchem Stadium sich die Projekte befinden. Das sei schwer zu sagen, räumt Willstedt ein. Der Zeitraum, innerhalb dessen die bezuschlagten Projekte fertiggestellt sein müssen, betrage aber vier Jahre. Laut GTAI äußerte sich zumindest Forestalia gegenüber spanischen Medien dahingehend, dass das Unternehmen als junge, wettbewerbsfähige Firma auf sich aufmerksam machen und beweisen wollte, dass es möglich ist, Windkraft ohne Subventionen zuinstallieren – ein Null-Cent-Gebot als Marketing-Übung?

„Der Windmarkt in Spanien trägt sich noch nicht selbst.“

Marta Estellés, Abo-Wind

Eine etwas andere Lesart des Ausschreibungsausgangs bringt Georg Abegg, Rechtsanwalt bei der spanischen Niederlassung der Beratungs- und Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Rödl & Partner, ins Spiel. „Mit dem Ausschreibungsverfahren hat der Staat getestet, ob überhaupt noch Subventionen nötig sind“, so seine Einschätzung. Das Ergebnis der Auktion lege den Schluss nahe, dass dies nicht mehr der Fall sei. „In Spanien hat man im Bereich der erneuerbaren Energien aufgrund der Produktionsbedingungen und der Marktpreise schon heute Grid Parity erreicht“, sagt Abegg. „Derzeit liegt der Börsenstrompreis bei etwa 50 Euro pro Megawattstunde. Das reicht für die Unternehmen, die bei der Ausschreibung den Zuschlag erhalten haben, offensichtlich aus.“

Dass die Erneuerbaren bei den Stromgestehungskosten Netzparität zu konventionellen Kraftwerken herstellen könnten, sei aus Sicht von Rödl & Partner zu erwarten gewesen. Diese Erfahrungen habe man bereits mit einigen betreuten Projekten im Bereich der Photovoltaik gemacht. Er gehe davon aus, dass in den kommenden Jahren in Spanien der für die 2020-Ziele erforderliche Ausbau der Erneuerbaren im Umfang von rund 6,5 Gigawatt stattfinden werde – zu Marktkonditionen. „Der Staat hat sich aus der Regulierung weitestgehend verabschiedet“, so Abeggs Einschätzung.

Netzparität umstritten

Doch auch diese Interpretation der ersten spanischen Erneuerbaren-Ausschreibung ist nicht unumstritten. Die Null-Cent-Gebote dürften nicht mit einer allgemeinen Netzparität verwechselt werden, sagt die GTAI-Spanien-Expertin Miriam Neubert. Darüber, welchen Weg die erneuerbaren Energien noch zu einer Netzparität vor sich haben, lägen derzeit noch keine Analysen vor. Auch Abo-Wind-Direktorin Estellés widerspricht. Aus Entwicklersicht sei in Spanien zwar die Tendenz erkennbar, dass es in Zukunft keine weiteren Zuschüsse für erneuerbare Energien geben werde, da die Regierung der Ansicht sei, die Erneuerbaren hätten Marktreife erlangt. Das spiegle der Markt selbst aber noch nicht wider. „Der Windmarkt in Spanien trägt sich noch nicht selbst“, so ihr Fazit.

Ob und wie es mit Erneuerbaren-Ausschreibungen weitergehen wird, scheint mehr denn je eine Frage der anstehenden politischen Weichenstellungen im Land. Nachdem die Parlamentswahlen im Dezember vergangenen Jahres zu keiner mehrheitsfähigen Regierungskoalition geführt hatten, waren Spaniens Bürger Ende Juni erneut zum Urnengang aufgerufen mit ähnlichem Ausgang wie im Dezember. „Wie sich dieses Ergebnis auf die Rahmenbedingungen für die erneuerbaren Energien in Spanien auswirken wird, das muss sich erst noch zeigen“, so Neubert. Auch in dem Mittelmeerland bleibt die Windenergie demnach ein Spielball politischer Kräfte, mit offenem Ausgang – obwohl der Klimawandel schnell voranschreitet. Isaac Bah (neue energie, Ausgabe Nr. 07 / Juli 2016 / S. 66 – 70)


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