Erneuerbare Energien: 100 Prozent bis 2030 machbar
Deutschland könnte schon bis 2030 eine bezahlbare Energieversorgung aus 100 Prozent Erneuerbaren Energien schaffen. Die Energy Watch Group skizziert diesen Weg in einer Studie. Der Windkraftausbau im Süden spielt dabei eine entscheidende Rolle.
02.06.2021 – Die aktuelle Studie der Energy Watch Group (EWG) zeigt, dass Deutschland bereits bis 2030 vollständig, zuverlässig und wirtschaftlich mit Erneuerbarer Energie versorgt werden kann und dabei sogar über ein ökonomisch vorteilhafteres Energiesystem verfügen würde. Damit liegt das erste Energie-Szenario vor, das den Weg zu 100 % Prozent Erneuerbaren sektorenübergreifend, techno-ökonomisch umsetzbar und mit vollständiger Bedarfsdeckung auch in winterlichen Dunkelflauten
stundengenau aufzeigt.
Innerhalb der Studie werden drei Szenarien gegenübergestellt, die sich durch einen verschieden starken Ausbau der Windkraft im Süden unterscheiden. Ein Szenario verzichtet vollständig auf den Windkraft-Ausbau im Süden, ein zweites geht von 24 Gigawatt installierter Leistung aus. Ein drittes Szenario setzt auf eine vollständige Ausschöpfung des Windpotenzials im Süden – 37 Gigawatt. Ein wesentliches Ergebnis ist, dass ein starker Windkraftausbau im Süden Deutschlands das wirtschaftlich sinnvollste Szenario ist.
Mehr Windkraft im Süden – weniger Netzausbau
Ein Grund dafür ist der in diesem Fall geringer ausfallende Netz- und Speicherausbau. Kommt das EWG-Szenario mit viel Windkraftausbau im Süden zum Tragen, wird der Ausbau der Nord-Süd-Transportkapazitäten von heute 8,9 auf 16,5 Gigawatt geschätzt. Das entspricht in etwa den jetzt in Planung und Bau befindlichen Nord-Süd-Übertragungsleitungen. Ohne den Windenergieausbau im Süden müssten die Übertragungsleitungen auf 21,3 Gigawatt ausgebaut werden.
Auch die Speicherkapazitäten würden sich im EWG-Szenario gleichmäßig auf ganz Deutschland verteilen. Je mehr Windenergie im Süden fehlt, desto größer wird der Bedarf an saisonaler Speicherung. Auch in Bezug auf die Endenergiebereitstellung führt der Verzicht auf den Ausbau der Windenergie im Süden zu einem deutlich erhöhten Speicherbedarf.
Ausbauraten um das 20-fache erhöhen
Die heutigen jährlichen Ausbauraten müssen für 100 Prozent Erneuerbare bis 2030 zum Teil um das bis zu 20-fache erhöht werden. Das erscheint immens, ist aber machbar. Hans-Josef Fell, Präsident der EWG, weist auf den Man-to-the-Moon-Charakter der unausweichlich notwendigen Transformation hin: „Solche exponentiellen Wachstumsgeschwindigkeiten ähneln denen, wie sie in bisherigen Technik-Revolutionen der Weltgeschichte oftmals in nur einer Dekade realisiert wurden: Mondlandung, PC, Internet und Mobilfunk.“
Ohne mehr Effizienz in der Energieverwendung ist das Ziel jedoch nicht zu schaffen – weder 2030 noch irgendwann sonst. Vor allem die Energieverwendung im Gebäude und damit die Wärmeversorgung ist ein entscheidender Hebel. Deshalb kommt der Gebäudesanierung im großen Maßstab und hoher Qualität eine besondere Bedeutung zu. Aber auch durch Verkehrsvermeidung sind Effizienzgewinne erreichbar.
Die Energiegestehungskosten von durchschnittlich 76 Euro pro Megawattstunden liegen im günstigsten EWG-Szenario (viel Windkraft im Süden) auf ähnlichem Niveau wie 2018; die jährlichen Gesamtkosten für Energie betragen zwischen 155 Milliarden (EWG-Szenario) und 191 Milliarden Euro (Szenario ohne nennenswerten Windkraftausbau im Süden): Zum Vergleich: im Jahr 2018 lagen sie bei 189 Milliarden Euro. pf
Kommentare
Stephan Geue am 04.06.2021
Etwas technisch für realisierbar zu halten und es personell (also mit ausreichend Handwerkern und sonstigen Fachkräften) und ohne gegen örtliche Widerstände erforderlichen Polizeischutz umzusetzen sind zwei verschiedene Paar Schuhe. Ich will den Autorinnen und Autoren der Studie nicht in der Notwendigkeit der Umsetzung ihrer Vorschläge widersprechen - ohne dass ich sie mir im Einzelnen angesehen habe -, aber wenn sie noch ein paar Tricks für eine gerade im Süden verbesserte Akzeptanz auf Lager hätten, wär's nicht übel.
Kurt Werner am 07.06.2021
Der Zubau der WK ist für das Erreichen der Klimaziele unerlässlich. Das Problem sind die Widerstände. In zunehmenden Maße werden auch Pseudolösungen angeboten. Beispiel: hohe Leistung der WKA, (7 GW) dazu mehr Jahresvollaststunden (3000) ergibt rechnerisch einen geringe Anzahl an WKA.
Tatsächlich steigt durch Repowering die Stromerzeugung. Je nach Bundesland sind dann noch mehr oder weniger WKA erforderlich. Ein Horrororzenorio mit überall verspargelten Landschaften wird es nicht geben. Grundsätzlich müssen mittelfristig aber noch weitere Anlagen gebaut werden. Langfristig können durchaus weniger WKA erforderlich sein. Aber jetzt schon diese Entwicklung vorwegzunehmen ist kontraproduktiv.