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Nachgefragt 26.01.2024

An Cuxhaven hängt die Energiewende

Ohne die Erweiterung des Cuxhavener Hafens drohen die Ausbauziele der deutschen Windkraft zu scheitern. Warum das so ist, die Zeit drängt und wer die Finanzierung sicherstellen müsste – BWE-Präsidentin Bärbel Heidebroeck gibt Antworten.

Bärbel Heidebroeck ist seit Mai 2023 Präsidentin des Bundesverband WindEnergie (BWE) e.V.


Nachgefragt 26.01.2024

An Cuxhaven hängt die Energiewende

Ohne die Erweiterung des Cuxhavener Hafens drohen die Ausbauziele der deutschen Windkraft zu scheitern. Warum das so ist, die Zeit drängt und wer die Finanzierung sicherstellen müsste – BWE-Präsidentin Bärbel Heidebroeck gibt Antworten.

Bild: BWE

Bärbel Heidebroeck ist seit Mai 2023 Präsidentin des Bundesverband WindEnergie (BWE) e.V.



Frau Heidebroeck, was hat der Hafen von Cuxhaven mit der deutschen Energiewende zu tun?

Seit der Schließung des letzten deutschen Werkes für Rotorblätter in Lauchhammer im Juni 2022, müssen diese Bauteile für Windräder komplett importiert werden. Rund 80 Prozent des deutschen Bedarfs an Rotorblättern wird aktuell über den Hafen von Cuxhaven importiert. Insgesamt 15.000 Großbauteile für Windenergieanlagen landen jährlich in Cuxhaven an. Der Hafen ist also Dreh- und Angelpunkt des Windkraftausbaus in Deutschland.

Woher wird vor allem importiert und warum werden in Deutschland keine Rotorblätter mehr hergestellt?

Importiert wird unter anderem aus Spanien, Portugal, der Türkei und auch Brasilien. Seit 2017 der Windkraftausbau in Deutschland so eingebrochen ist und sich nur langsam wieder erholt, lohnte es sich wirtschaftlich nicht mehr in Deutschland Rotorblätter, aber auch andere Teile für Windkrafträder, herzustellen. In anderen Ländern war der Zubau hingegen deutlich größer, sodass sich der Aufbau von Fabriken dort lohnt.

Die Importfähigkeiten deutscher Häfen aber stoßen an ihre Grenzen.

Richtig. Für die Ausbauziele des Bundes von insgesamt 145 Gigawatt On- wie Offshore bis 2030 fehlen bis 2027 50 Hektar und bis Ende des Jahrzehnts 200 Hektar Hafenfläche in Deutschland. Stand jetzt wird schlicht zu wenig Platz in den Häfen sein. Ohne die Erweiterung des Cuxhavener Hafens würden, laut Modellierungen, 30 bis 45 Prozent der Ausbauziele nicht erreicht. Dort aber gibt es eine Genehmigung für den kurzfristigen Ausbau des Hafens um 38 Hektar. Mit einer geschätzten Bauzeit von zweieinhalb Jahren könnte in Cuxhaven ein erheblicher Bedarf der kommenden Jahre gedeckt werden. Noch fehlt es aber an einer ausreichenden Finanzierung.

Von welcher Summe reden wir?

Von rund 300 Millionen Euro. Eigentlich sind für den Ausbau von Häfen die Bundesländer zuständig. Niedersachsen hat bereits 100 Millionen Euro zugesagt. Weitere 100 Millionen kommen vom Hafenbetreiber. Da wir den Hafen aber als elementar für den Windkraftausbau in Deutschland betrachten, sehen wir die Erweiterung als nationale Aufgabe an. Daher sollten die restlichen 100 Millionen Euro vom Bund finanziert werden. Bis zum 31. Mai dieses Jahres muss die Finanzierung stehen, damit der Planfeststellungsbeschluss nicht seine Rechtskraft verliert und spätestens Anfang 2025 mit dem Bau begonnen werden kann.

Der Haushalt ist nach dem Verfassungsurteil in diesem Jahr besonders knapp bemessen. Wo könnte der Bund das Geld hernehmen?

Das Bundeswirtschaftsministerium könnte Einzelprojekte mit hoher Bedeutung für die Energiewende bezuschussen, ohne in rechtliche Schwierigkeiten der Kompetenzen von Bund und Ländern zu kommen. Für die Versteigerung von Konzessionen für Windparks im Meer hat der Bund bislang 12,6 Milliarden Euro eingenommen. Während ein Großteil weiter für die Senkung von Stromkosten verwendet wird und ein kleinerer Teil für Meeresschutz und Fischerei, sollen fast sechs Prozent in den Klima- und Transformationsfonds fließen. Das sind immerhin noch 740 Millionen Euro. Die sollten unter anderem dem Ausbau der Häfen zugutekommen, so unsere Forderung.

Mit dem Ausbau des Hafens aber ist es nicht getan. Auch an anderen Stellen hapert es noch beim Hochlauf der Windkraft.

Erst einmal muss gesagt werden, dass auf Bundesebene in der bisherigen Legislaturperiode wirklich gute Rahmenbedingungen für den Ausbau geschaffen wurden. Nun geht es um kleine Anpassungen, etwa im Baugesetzbuch, um Repowering klarer zu definieren und zu stärken. Auch braucht es noch Vereinfachungen im Bundesimmissionsschutzgesetz und beim Thema Transporte. Wenn heute Teile von Windkraftanlagen durch drei Bundesländer transportiert werden, muss dies in den drei Ländern einzeln beantragt werden. Das kann oft drei Monate oder länger dauern. Im Bund-Länder-Pakt von November 2023 hat man sich unter anderem darauf geeinigt, diesen Prozess zu bündeln und damit deutlich schneller Transportgenehmigungen zu erteilen. Am Ende geht es aber vor allem darum, dass die beschlossenen Gesetze auf Länder- und kommunaler Ebene umgesetzt werden.

Bezogen auf die Leistungsdichte des Gesamtbestandes sind die südlichsten Bundesländer Bayern und Baden-Württemberg weiterhin Schlusslichter in Deutschland.

Baden-Württemberg aber hat bei den Genehmigungen deutlich aufgeschlossen und reiht sich in dieser Hinsicht in der Spitzengruppe ein. Wir sehen, dass seit dem Regierungswechsel auf Bundesebene und dem Angriff auf die Ukraine ein anderes Mindset in den Genehmigungsbehörden der meisten Bundesländer Einzug gehalten hat. Getrieben ist das aber auch von dem politischen Willen in den Ländern. Besonders positiv gilt es hier Nordrhein-Westfalen hervorzuheben. Da sehe ich aber auch den Unterschied zwischen Bayern und Baden-Württemberg. In Bayern sehe ich den politischen Willen zur Veränderung noch nicht.

Die Ausschreibungsrunden für neue Windkraftanlagen waren 2023 erneut unterzeichnet. Der Zubau legte im letzten Jahr zwar zu, aber befindet sich weiterhin nicht auf dem Pfad für die politisch festgesetzten Ausbauziele. Sind 115 Gigawatt Windenergie an Land bis 2030 überhaupt noch zu schaffen?

Es waren zum Teil zu wenig Projekte in den Ausschreibungen, weil es große Unsicherheiten gab. So gab es Lieferengpässe für Trafos. Projektierer konnten sich nicht sicher sein, ob sie ihre Projekte in vorgegebener Zeit realisieren konnten oder Strafe zahlen mussten. Das wurde ein Stück weit entschärft, weil Projekte jetzt längere Fristen von bis zu sechs Monaten erhalten. Auch hingen viele Projekte in Klageverfahren fest, die sich nicht in den Ausschreibungen bewerben konnten.

Im letzten Jahr wurden auch 7,5 Gigawatt Windkraft genehmigt. Das werden wir in den Ausschreibungen in diesem Jahr positiv zu spüren bekommen. Insgesamt hängt das Ausschreibungsvolumen auch viel mit psychologischen Faktoren zusammen. Je stabiler und besser die politischen Rahmenbedingungen, desto mehr Sicherheit gibt das den Projektierern und desto Investitionsfreudiger wird die Branche. Dafür gilt es auch den Netzausbau voranzutreiben und das Strommarktdesign so zu ändern, dass die fluktuierenden Erneuerbaren Energien aus Wind und Sonne ihre volle Wirkung entfalten können.

Gilt es da nicht auch die Resilienz zu stärken und den Bau von Windkraftteilen in Deutschland wieder voranzubringen?

Ich denke wir müssen da auf europäischer Ebene vorankommen und Windkraft Made in Europe stärken. Wir setzen uns für die auf europäischer Ebene diskutierten Präqualifikationskriterien ein, dass mindestens 50 Prozent des Wertes einer Anlage in der europäischen Union produziert werden muss. Über weitere Maßnahmen, wie einen Resilienzbonus, kann man nachdenken, ohne am Ende einen deutlich höheren Strompreis in Kauf nehmen zu müssen. Die Akzeptanz für den Ausbau der Windkraft in Deutschland ist derzeit hoch und muss erhalten bleiben.

Das Interview führte Manuel Grisard

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