Wie funktioniert eine Flugwindenergieanlage?
Wir haben auf dem Boden eine Station in einem 30-Fuß-Container. In diesem Container haben wir, vereinfacht gesagt, eine Seiltrommel und einen Generator. Das Seil ist auf der Seiltrommel aufgerollt, und mit dem Kite verbunden. Sobald der Kite starten soll, fährt der Mast, an dem er befestigt ist, hoch. Er hängt dann in der Luft, und durch die Windeinlässe vorne strömt Wind hinein. Der Wind sorgt dafür, dass der Kite sich entfaltet und zu einer Tragfläche wird, wie bei einem Flugzeug. Sobald der Auftrieb groß genug ist, steigt der Kite langsam in die Luft auf. Ab ungefähr 100, 150 Meter steuert unser Autopilot den Kite so, dass immer maximal Zug auf dem Seil ist, während er weiter steigt. Gleichzeitig wertet unser System kontinuierlich Daten zum Windstrom aus. Die Rotationsenergie, die beim Abrollen des Seils von der Seiltrommel entsteht, wird durch den Generator, der daran angeschlossen ist, in Strom umgewandelt. Das Seil ist 800 Meter lang. Sobald das Seil komplett abgerollt ist, steuert der Autopilot den Kite mit einem Nosedive - einem Sturzflug - zurück auf ungefähr 150 Meter und der Zyklus fängt von vorne an. Bei der Rückholphase wird das Seil wieder aufgerollt. Dafür brauchen wir ungefähr 10 Prozent der vorher gewonnenen Energie. Ein Zyklus dauert in etwa 180 Sekunden, das kommt immer ein bisschen auf die Windverhältnisse an. Bei starkem Wind vielleicht ein bisschen schneller, bei schwächerem Wind vielleicht ein bisschen langsamer. Wir nennen unser System auch gerne das Jo-Jo der Lüfte, weil die Leistungszyklen eigentlich nach dem Jo-Jo-Prinzip funktionieren.
Welche Vorteile hat eine Flugwindenergieanlage im Vergleich zu einer normalen Windenergieanlage?
Wir sehen uns nicht in Konkurrenz zur konventionellen Windenergie. Flugwindenergieanlagen sind eine komplementäre Technologie. Wir brauchen alle Technologien, die es gibt, um unser großes Problem, den Klimawandel, zu bekämpfen und zu stoppen. Die Leistung unsere Anlagen bewegt sich im Kilowattbereich, vergleichbar mit Kleinwindenergieanlagen. Im Vergleich liefern unsere Anlagen aber viel mehr Volllaststunden, auch im Vergleich zu konventionellen Windenergieanlagen oder anderen konventionellen Technologien. Eine PV-Anlage läuft ungefähr 20 Prozent der Zeit in Volllast. Eine Onshore-Windenergieanlage schafft an einem guten Standort wahrscheinlich 30 bis 35 Prozent, und Offshore bis zu 45 Prozent Auslastung. Flugwindenergieanlagen schaffen auch Onshore bis zu 5000 Stunden, also um die 55 Prozent, weil wir den Höhenwind nutzen.
Der Vorteil des Höhenwinds ist, dass wir weniger Oberflächenreibung haben. Wir fliegen immer in Höhen zwischen 150 und 600 Metern – nie höher als 750 Meter, denn da fängt der regulierte Luftraum an. In diesen Höhen weht der Wind viel kräftiger und stetiger. Eine konventionelle Windenergieanlage kann diesen Wind nicht nutzen. Mit unserer Technologie machen wir das größte ungenutzte Erneuerbare Energiepotenzial nutzbar – den Höhenwind. Ein großer Vorteil ist, dass Flugwindenergieanlagen auch an Standorten mit geringer Windstärke funktionieren. Am Boden braucht die Anlage nur fünf Meter pro Sekunde Wind. Sobald das System gestartet ist, ist der Wind unten fast egal, weil wir weiter oben, wo unser Kite fliegt, eigentlich immer Wind haben. Deswegen können wir an Standorten Windkraft nutzen, wo konventionelle Technologien derzeit einfach keinen Sinn machen. Ein weiterer großer Vorteil ist die Materialreduktion, denn unsere Anlagen kommen ohne seltene Erden aus. Das heißt, wir können uns mit dieser Technologie resilienter von fragwürdigen Lieferketten machen.
Für welche Standorte wäre eine Flugwindenergieanlage besonders geeignet?
Inseln und Remote Areas, auch netzferne Regionen, können besonders von Flugwindenergieanlagen profitieren. Wir sind vor allem in Inselstaaten unterwegs. Die haben einen hohen „pressure to act“, weil sie die ersten sind, die den Klimawandel spüren werden, und gleichzeitig stark abhängig von fossilen Brennstoffen sind. Das sind oft Taifun-Regionen, wo konventionelle Windenergieanlagen gar nicht installiert werden können, weil sie einfach weggepustet werden würden. Das gleiche gilt für PV-Anlagen. Unsere Anlagen sind sehr klein und wir können alles auf dem Boden befestigen. Dementsprechend kann auch ein Taifun über sie wegfegen. Das haben wir mit unserer Pilotanlage auf Mauritius schon mehrmals bewiesen. Mauritius ist ein ganz klassischer Inselstaat, der genau diese Probleme hat.
In diesen Regionen besteht oft das Problem, dass sie gar keine Logistik haben, um große Anlagen zu stellen. Um nur mal ein Beispiel zu nennen, letztes Jahr war ich auf den Kap Verden, um mit dem Energieminister dort zu sprechen. Er hat mir 500-KW-Anlagen präsentiert, für deren Installation sie anderthalb Jahre gebraucht haben, weil sie keine Schwertransporter haben. Das ist die Herausforderung in solchen Gebieten, die wir lösen. Unsere Anlagen brauchen nur einen Container, den wir überall anlanden können. Dafür brauchen wir nur einen leichten Kran und auch nur einen LKW, einen zweiten für den Grid-Container, für das Netzanschluss-Modell. Bei konventioneller Windenergie hat man große Fundamente, die gegossen werden, und die dann auch erst mal aushärten müssen. Unsere Vorbereitung für eine Installation ist ein Kiesbett, das fest gerüttelt wird. Darauf werden dann drei Fundamentplatten aus Fertigbau-Beton gesetzt. Auch die Fundamentplatten können wir mitliefern. Auf ihnen wird der Tripod installiert, über den wir die Anlage in den Wind drehen können. Wir können eine Anlage innerhalb von einem Tag installieren.
Welche Erfahrungen hat SkySails mit dem Pilotbetrieb auf Mauritius gemacht?
Unsere Anlage steht dort seit ungefähr zweieinhalb Jahren. Wir haben zwei Standorte, unser erster ist in Schleswig-Holstein. Dort testen wir mit unserer Forschung und Entwicklung in kurzen Iterationen neue Entwicklungen, während wir auf Mauritius im Dauerbetrieb sind. Auf Mauritius lernen wir sehr viel über Material, Festigkeiten, darüber wie lange so ein Kite hält und wie wir unsere Materialien so verbessern können, dass sie noch länger halten.
Wir arbeiten daran, unsere Flugwindenergieanlagen bald in Serie zu produzieren und die Leistung zu steigern. Unsere Flugwindenergieanlagen sind übrigens die erste Technologie seit 15 Jahren, die Anfang des Jahres mit dem Solarpaket I ins Erneuerbare-Energien-Gesetz aufgenommen worden ist und demnächst im Marktstammdatenregister geführt wird.
Wie geht es jetzt weiter?
Unser großes Ziel ist, in den Floating Offshore-Bereich zu gehen. Bei Floating Offshore-Windenergieanlagen besteht immer das Problem, dass man das Gewicht vom Tower ausgleichen muss, weil der Schwerpunkt oben in der Luft ist. Flugwindenergieanlagen haben hier, wie auch bei den Taifun-Regionen, den Vorteil, dass das Gewicht nicht oben in der Luft ist, sondern unten auf dem Boden. Dadurch kann die schwimmende Plattform wesentlich kleiner werden. Das Einzige, was man ableiten muss, ist die Zugkraft des Kites, der versucht, die Plattform wegzuziehen. Man braucht nur eine Verankerung und kann so auch in einen Offshore-Bereich, in den konventionelle Technologien aktuell noch nicht hinkommen, wie die Küstengebiete um Japan.
Das Interview führte Julia Broich