NaturschutzDiskussion um Windräder im Wald

Viele Windräder ragen aus einem Waldgebiet
Windräder im Wald erhitzen die Gemüter. (Foto: Giggel auf Wikimedia / CC BY 3.0)

Nur sechs Bundesländer erlauben Windkraftanlagen im Wald, natürlich unter Auflagen. Der Rückzieher Thüringens hat dem Thema neue Aufmerksamkeit beschert. Befürworter und Naturschutzexperten haben gute Argumente für Windstandorte im Nutzwald.

22.02.2021 – Auf der Suche nach geeigneten Standorten für Windkraftanlagen rücken vor allem Nutzwälder in den Fokus, aber die Meinungen zu Wind im Wald gehen auseinander. Die Bundesländer haben zu dem Thema unterschiedliche Regeln. Die verschiedenen Meinungen finden Ihren Niederschlag auch in der Akzeptanzstudie der Agentur für Erneuerbare Energien. Eine Mehrheit der Befragten findet den Windkraftausbau im Wald nicht oder weniger sinnvoll.

Thüringen revidiert seine Entscheidung

Thüringen hat mit seiner Änderung des Waldgesetzes im Dezember letzten Jahres die Diskussion neu entfacht. Das Kompetenzzentrum Naturschutz und Energiewende (KNE) hat vor diesem Hintergrund eine Bewertung vorgenommen und die verschiedenen Voraussetzungen beschrieben.  

Im Windenergieerlass des Landes Thüringen von 2016 war demnach eine behutsame Öffnung des Waldes außerhalb von ausgewiesenen Schutz- und Erholungswäldern erfolgt. Infrage kommende Waldflächen konnten nach Abwägung aller relevanten Belange in die regionalplanerische Flächenkulisse für die Windenergienutzung aufgenommen werden. Der 2019 veröffentlichte Aktionsplan Wald 2030 empfahl, insbesondere von Schädlingsbefall oder Windwurf betroffene Flächen zu berücksichtigen.

Durch die Änderung des Thüringer Waldgesetzes ist dies nun nicht mehr möglich. Das erklärte Ziel des aktuellen Thüringer Klimagesetzes von einem Prozent der Landesfläche für die Windenergie soll fortan wieder ausschließlich auf Offenlandstandorten erreicht werden, was im waldreichen Thüringen schwierig werden dürfte. In den waldreichen Mittelgebirgsregionen sind Standorte in Tälern häufig nicht geeignet. Offenlandstandorte liegen hingegen oft nahe an Siedlungen. Windreiche Standorte finden sich in den bewaldeten Höhenlagen.

Auch Nordrhein-Westfalen erschwert die Errichtung von Windrädern im Wald. Seit Juli 2019 dürfen nur noch Waldbereiche für die Windenergie in Anspruch genommen werden, wenn ein Bedarf nachgewiesen ist, der nicht außerhalb von Waldbereichen realisierbar ist. Bereits seit Mai 2018 ist in Nordrhein-Westfalen der seinerzeit erste Leitfaden zur „Windenergie im Wald“ von 2012 nicht mehr anzuwenden.

Angesichts der Änderungen in Thüringen und Nordrhein-Westfalen ist die Windenergienutzung auf Waldstandorten insgesamt nur noch in sechs Ländern zulässig: Baden-Württemberg, Bayern, Brandenburg, Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland.

Niedersachsen öffnet sich

In Niedersachsen, wo der Wald bisher tabu war, wird hingegen eine Öffnung diskutiert. Der aktuelle Entwurf des Landesraumordnungsprogramms enthält Grundsätze, die eine Öffnung des Waldes für die Windenergie vorsehen. Dabei sollen allerdings auch zukünftig historische alte Waldstandorte, Waldschutzgebiete und Waldgebiete in Schutzgebieten nach Naturschutzrecht ausgeschlossen bleiben. In Landschaftsschutzgebieten und Naturparken können Waldflächen geprüft werden, wobei jedoch – weiterhin – in erster Linie vorbelastete Flächen oder aus forstlicher Sicht geringwertig versorgte Standorte genutzt werden sollen. Niedersachsen erhofft sich davon größere Spielräume bei der Flächenausweisung bei gleichzeitigem Schutz von ökologisch hochwertigen Waldflächen.

Mehr erreicht als mit einem Verbot

Die Schutzgemeinschaft Deutscher Wald in Brandenburg lehnt den Wald als Standort für Windräder nicht ab. Wenn ein Teil der Erträge aus der Windenergie in den notwendigen Waldumbau fließe, sei mit Windrädern an unschädlichen Standorten im Wald mehr erreicht als mit einem Verbotsgesetz, sagte der Vorsitzende Gregor Beyer. Außerdem sollten Abstände von Windrädern zu schützenswerten Wäldern geregelt werden. Brandenburg hatte im Jahr 2019 nach Angaben der Fachagentur Windenergie 3890 Windkraftanlagen, davon 320 im Wald.

Wald ist nicht gleich Wald

Im Hinblick auf eine Nutzung von Waldflächen für die Windenergienutzung sollte nach Auffassung des KNE unterschieden werden zwischen intensiv forstwirtschaftlich genutzten und artenarmen Waldflächen sowie solchen mit hohem Anteil standortfremder beziehungsweise nicht heimischen Baumarten einerseits und eher extensiv genutzten und vor allem naturnahen Wäldern andererseits.

In letzteren sind die waldspezifischen Ökosystemfunktionen für die Pflanzen- und Tierwelt sowie die weiteren Naturgüter in der Regel deutlich höher ausgeprägt – auch die direkt dem Klimaschutz dienende Funktion als Kohlenstoffsenke. Insgesamt weisen solche Waldflächen einen hohen naturschutzfachlichen Wert auf und sollten für die Windenergienutzung tatsächlich ausgeschlossen werden. Auch Schutz- und Erholungswälder sollten nur ausnahmsweise nutzbar sein. Für die übrigen Waldflächen, vor allem solche mit starker forstlicher Prägung, sollte jedoch eine Prüfung als geeigneter Standort für Windenergieanlagen zugelassen werden.

So kann im Wald naturverträglich gebaut werden

Aus Sicht des Kompetenzzentrums lassen sich Windkraftanlagen auch auf Waldstandorten naturverträglich realisieren. Es empfiehlt einige Grundsätze:

Kalamitätsflächen – durch Dürre, Sturm oder Schädlingsbefall stark geschädigte Flächen – sollen vorrangig genutzt, Waldflächen mit altem und artenreichen Laub- und Laubmischbeständen oder Flächen mit hohem Anteil an Höhlenbäumen gemieden oder ausgeschlossen werden.

Bereits bei der Standortwahl soll der Eingriff planerisch minimiert werden: kurze Zuwegungen ins Auge gefasst und vorhandene Wege in die Planung einbezogen, insgesamt möglichst nur geringe Flächen in Anspruch genommen werden.

Die Tier- und Pflanzenwelt ist möglichst wenig zu stören, zum Beispiel sind notwendige Rodungen nur in bestimmten Zeiten vorzusehen und die Bauzeit besonders zu optimieren. Die untere Rotorkante der Anlage muss einen hinreichend großen Abstand zur Vegetation haben. Alle Baumaßnahmen sollten sorgfältig unter Umweltschutzaspekten begleitet werden.

Aufwändige Einzelfallbetrachtung nicht scheuen

Das KNE appelliert, bei aller berechtigten Sorge um den deutschen Wald, seine biologische Vielfalt und seine unverzichtbaren Ökosystemleistungen, den Wald nicht pauschal als Standort für die Windenergienutzung auszuschließen. Das würde uns wichtiger Möglichkeiten berauben, dringend benötigte Flächen für den Ausbau der Erneuerbaren Energien naturverträglich zu erschließen. Einzelfallbetrachtungen sind aufwändiger als pauschale Urteile, aber wir sollten bereit sein, die Mühe auf uns zu nehmen. pf

Veröffentlichungen des KNE zum Thema:

Das KNE hat in einer neuen Auswahlbibliografie zum Thema „Windenergienutzung auf Waldstandorten“ aktuelle Veröffentlichungen, aber auch Positionen unterschiedlicher Akteure zusammengetragen, die einen Einstieg bzw. eine Vertiefung in das Thema ermöglichen.

Eine Veröffentlichung des KNE zur naturverträglichen Planung und Errichtung von Windenergieanlagen im Waldenthält die übergreifenden Inhalte der besonders relevanten Studien und Veröffentlichungen der letzten Jahre sowie Hinweise auf laufende Forschungsvorhaben.

Kommentare

Karl Napp am 28.07.2021

+134 Gut Antworten

Wer einmal gesehen hat wie viel Wald vernichtet wird und wie es dort aussieht bevor auch nur eine dieser Windkraftanlagen steht, kann vernünftigerweise nicht für die Verortung der Subventionsmonster im Wald sein.

Der gleiche Wald den GRÜNE in den 80ern noch meinten Baum für Baum schützen zu müssen, fällt heute deren abgehobenen Plänen großflächig zum Opfer.

Der Irrsinn hat einen Namen, ist meine Überzeugung.

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