Jürgen, nach vielen Jahren als Vorstand der Umweltbank hast du dich entschieden, zu einem Unternehmen der Erneuerbaren Branche zu wechseln. Wie kam es dazu?
Ja, fast mein ganzes bisheriges Berufsleben habe ich als Banker bestritten. Die Arbeit bei der Umweltbank hat mir große Freude bereitet, aber nach so vielen Jahren war es einfach Zeit für eine Veränderung. Nur die Bank zu wechseln, war nicht meine Idee. Eine neue Aufgabe mit Sinn sollte es sein. Dabei bin ich Herrn Dr. Banning wiederbegegnet. Wir kennen uns schon seit vielen Jahren, schließlich habe ich die Erneuerbaren Energien lange in der Rolle des Kreditgebers begleitet. Der gute Ruf und die Erfolgsgeschichte der naturstrom-Gruppe waren für meine Entscheidung ausschlaggebend, aber mich freut auch, dass es einen naturstrom-Standort im Großraum Nürnberg gibt und ich in Wohnortnähe arbeiten kann. Es hat also vieles gut zusammengepasst.
Welches Resümee würdest du nach den ersten Monaten ziehen, was hast du vorgefunden?
Ich habe auf dem Mitarbeitendentreffen Ende September 2024 eine unglaublich motivierte Kolleg:innenschar getroffen. Das war ein tolles Erlebnis, noch vor dem ersten Arbeitstag. Die NaturEnergy als überschaubar großes und junges Unternehmen mit einer langen Geschichte hat auf der einen Seite eine interessante Strategie und Philosophie, und ist auf der anderen Seite noch im Aufbau. Es gibt also ordentlich was zu tun. Es geht darum, Strukturen und Abläufe weiter zu professionalisieren. Und das ist auch das, was mir Freude bereitet: dass ich gestalten kann.
Welche Entwicklung strebst du für die NaturEnergy an?
Die NaturEnergy soll eine noch größere Rolle bei der Stromerzeugung aus Erneuerbaren in Deutschland einnehmen und weiterwachsen. Aus diesem Grund hat sie die Struktur einer Kommanditgesellschaft auf Aktien. Das bedeutet, sie kann neue Aktien ausgeben und darüber frisches Geld für tolle Projekte einwerben. Denn die Projektpipeline unserer für die Projektentwicklung zuständigen Gesellschaft NaturStromProjekte GmbH ist groß, die Vorhaben brauchen eine gute finanzielle Grundlage. Deswegen führen wir gerade eine Kapitalerhöhung durch und nehmen neue Aktionäre auf. Das Unternehmen wird dadurch kräftiger und eigenständiger, die naturstrom AG bleibt aber weiterhin die größte und wichtigste Gesellschafterin und Partnerin. Beide zusammen treiben die Energiewende weiter voran.
Welchen Part wirst du in dieser Entwicklung übernehmen, wo deine Expertise einbringen?
Geld und Geldbeschaffung ist natürlich mein Thema, doch auch darüber hinaus werde ich Verantwortung übernehmen – sei es im Marketing, beim Personal oder der IT. Diese Dinge brauchen genauso viel Aufmerksamkeit und gutes Management. Auf die Wirtschaftlichkeit der Projekte werde ich ebenfalls große Aufmerksamkeit legen und die dafür notwendigen Strukturen stärken.
Mit welchen Strategien will die NaturEnergy wachsen?
Zunächst einmal wollen wir aus der Vielzahl der in der Entwicklung befindlichen Projekte vor allem die wirtschaftlichsten rasch umsetzen. Gerade im Bereich der Windkraft haben wir einige Asse im Ärmel. Im Bereich der Photovoltaik müssen neue Kraftwerke unbedingt für den flexiblen Strommarkt ausgerichtet und z.B. mit einem Speicher geplant werden. Denn durch den starken Zubau der letzten Monate ist in den Mittagsstunden zu viel Strom da. Hier muss die NaturEnergy – wie andere Akteure auch – ihr Geschäftsmodell etwas anpassen. Insgesamt sind die NaturEnergy und naturstrom mit der Abdeckung aller Wertschöpfungsstufen – von der Projektentwicklung über den Bau und Betrieb bis hin zum Stromhandel – zukunftssicher und wachstumsreif aufgestellt.
Kannst du etwas zu den Anlagen sagen, die demnächst gebaut oder in Betrieb genommen werden?
Das Jahr 2025 und auch die Jahre 2026 und 2027 stehen ganz im Zeichen des Windes. Nach vielen Jahren, in denen hauptsächlich Solarparks umgesetzt wurden, haben wir gerade das RepoweringProjekt Windpark Niese-Köterberg mit drei Windenergieanlagen ans Netz gebracht. Derzeit bauen wir außerdem vier Windenergieanlagen in Bühnerbach mit 18 Megawatt Leistung in der Nähe unseres Standorts Osnabrück. Wir planen, diese gegen Ende des Jahres ans Netz anzuschließen. Weitere gut 150 Megawatt Windenergieleistung wollen wir in verschiedenen Projekten deutschlandweit bis Ende 2027 zubauen. Im Solarbereich haben wir Anfang des Jahres 2025 unseren bislang größten Solarpark mit 70 Megawatt Leistung in Petershagen in Brandenburg in Betrieb genommen. Im Sinne einer angepassten Solarstrategie erweitern wir in Rottenbach in Bayern einen Solarpark, den wir gemeinsam mit der Suchmaschine Ecosia betreiben.
Zurück zum Thema Kapitalerhöhung. Bitte erläutere nochmal genauer, wie das funktioniert.
Die öffentliche Kapitalerhöhung läuft bis 6. Mai 2025. Bis zu diesem Tag können Interessierte Neue Aktien der NaturEnergy zeichnen, d.h. erwerben. Dieser öffentlichen Phase der Aktienausgabe war im Dezember 2024 eine Bezugsrechtsphase vorangegangen, in der ausschließlich bestehende Aktionäre weitere Papiere erwerben konnten. Etwa die Hälfte der Altaktionäre haben mitgemacht und 5,3 Millionen Euro neues Geld einbezahlt. Das zeigt Vertrauen und Begeisterung für unser Unternehmen, für uns ist das ein Ansporn. Und für die Entwicklung des Unternehmens bedeutet es neue Chancen: Je mehr Kapital wir haben, umso mehr Projekte können wir finanzieren und so den Erneuerbaren Anteil am Strommix in Deutschland weiter erhöhen.
Welche Rolle spielt das Thema Nachhaltigkeit im Unternehmen und bei dir persönlich?
Wir erzeugen Strom aus Erneuerbaren Energien. Damit tragen wir viele Mosaiksteinchen bei zu der großen Aufgabe, menschliches Handeln nachhaltiger zu gestalten und den Klimawandel aufzuhalten. Dass wir es in Deutschland geschafft haben, den Anteil Erneuerbaren Stroms auf über 60 Prozent zu steigern, ist ein irrer Erfolg. Damit hat vor 30 Jahren niemand gerechnet. Jetzt könnte man meinen: Von 60 auf 100 Prozent ist nicht mehr viel zu tun. Aber bitte bedenke: Auch der Verkehr und die Wärmeerzeugung sollen immer stärker durch Strom „angetrieben“ werden. Es ist also noch viel zu tun. Im Unternehmen selbst ist der Nachhaltigkeitsgedanke stets präsent. Demnächst wird die NaturEnergy einen detaillierten Nachhaltigkeitsbericht veröffentlichen. Und persönlich? Ich selbst bin noch nie mit dem Auto ins Büro gefahren, sondern komme immer mit dem Zug.
Das Gespräch führte Petra Franke.