: Windenergie und Ästhetik der Landschaft
Naturschutz, Erholung, Äcker, Forsten, alles fein säuberlich abgegrenzt: Funktionalismus prägt die Planung im Grünen sagt Landschaftsplaner Sören Schöbel. Jetzt kommt eine weitere Kategorie hinzu – die Energielandschaft. In der Energiewende liegt eine Chance, wieder ganzheitliche Räume zu schaffen.
20.05.2015 – Immer, wenn Energie erzeugt wird, verändert das die Landschaft. Durch Brennholzeinschlag, Torfabbau oder Wasserkraftnutzung entstanden aus Naturlandschaften Kulturlandschaften. Bei der Gewinnung fossiler Energieträger wie Kohle und Erdöl – übrigens auch von Uran für Atomkraftwerke – wird besonders stark in die bestehenden Landschaften eingegriffen, nur geschieht dies eben auf relativ wenige Regionen der Welt beschränkt. Fossile Energie hat aber auch vor unserer eigenen Haustür die Landschaft verändert, weil sie quasi überall, unabhängig von den jeweiligen räumlichen Bedingungen, Industrieanlagen, Wohnsiedlungen, Flughäfen und Autobahnen ermöglicht hat, aber auch die Industrialisierung der Landwirtschaft.
Erneuerbare Energien lassen sich nicht immer und überall erzeugen und einsetzen. Sie greifen nicht oder nur vergleichsweise wenig in die Erdkruste, Böden, Tier- und Pflanzenwelten ein. Aber auch sie verändern Landschaft: vor allem in ihrem Erscheinungsbild. Und diese Veränderung geschieht nun wieder überall, in den Landschaften unseres Alltagslebens. An der Menge der benötigten Anlagen, an der Größe von Solarfeldern und der Höhe von Windenergieanlagen und der Menge an neuen Maisfeldern für Biogasanlagen kann man sehen, wie groß der Energiehunger unserer Gesellschaft ist.
Das Thema Windenergie polarisiert
Obwohl die meisten Menschen die Erneuerbaren Energien begrüßen, sind doch viele von den Veränderungen der Landschaft verunsichert, besonders bei Windenergieanlagen. Vor allem dort, wo neue Anlagen geplant sind, aber noch keine Erfahrungen mit ihnen vorliegen, entstehen Ängste. In Deutschland haben sich unzählige Bürgerinitiativen gegen Windenergieanlagen gegründet, obwohl der weitaus größte Teil der Bevölkerung gerade die Windnutzung richtig findet.
Auf die Natur wird Rücksicht genommen. Windenergieanlagen dürfen in Deutschland nicht im Wattenmeer entstehen, nicht in Brut- und Rastgebieten von Vogel- und Fledermausschwärmen. Auch in der direkten Nähe von Siedlungen dürfen sie nicht errichtet werden, damit die Belästigung der Nachbarn durch Geräusche und Schattenwurf bei tiefstehender Sonne gering bleibt, wobei die Mindestabstände zu Schutzgebieten und Siedlungen umstritten sind.
Die Menschen wenden sich aber auch gegen die optischen Veränderungen der Landschaft. Meist weniger, weil sie sich selbst gestört fühlen würden sondern befürchtet wird, dass Grundstücke und Häuser an Wert verlieren oder, wenn es sich um Urlaubsgebiete handelt, Touristen ausbleiben könnten, während ein Einzelner profitiert.
Dies alles muss man berücksichtigen, wenn es um die Ästhetik, die Schönheit der Landschaft geht. Windräder sind ein neues Element in der Landschaft. Die Herausforderung besteht darin, sie so in die vorhandene Landschaft einzuordnen, dass sie nicht als Belastung, sondern als selbstverständlicher, sinnvoller Bestandteil wahrgenommen werden.
Dazu müssen einige Regeln beachtet werden:
Windenergieanlagen sollen
1. in Formationen so in der Landschaft angeordnet werden, dass sie den bestehenden Strukturen der Landschaft folgen – große Anlagen den großen Morphologien der Naturlandschaft, kleine Anlagen den feineren Texturen der Kulturlandschaft,
2. die Landschaft nicht völlig dominieren, sondern andere Nutzungen und Strukturen, also Vielfalt erhalten,
3. nicht grundstücksbezogen nach einzelnen Privatinteressen verteilt werden, sondern nach einem räumlichen Konzept, das sich an naturräumlichen und kulturellen Strukturen orientiert und öffentlich beraten wurde,
4. die Eigenart von historisch gewachsenen Charakterlandschaften weiterführen, in dem regionale Anordnungsregeln angewendet werden,
5. nicht allein von Planern, also Technikern, Investoren und Politikern vorgegeben, sondern in einem öffentlichen und geschichtlichen Dialog entwickelt werden,
6. also nicht einzeln betrachtet werden, sondern in einem ganzheitlichen Zusammenhang von Landschaft,
7. als sinnvolles und sinnlich wahrnehmbares, ‚gelingendes’ Verhältnis von Mensch und Natur erscheinen, also Sinn stiften.
Sören Schöbel
Professor Sören Schöbel lehrt Landschaftsarchitektur regionaler Freiräume an der TU München in Freising-Weihenstephan. Er erforscht dabei das konzeptionelle, gestaltgebende Entwerfen von Freiraum und Landschaft als wissenschaftliche Methode. Ein Schwerpunkt seiner Forschung liegt auf neuen Energielandschaften, insbesondere eine nachhaltige, landschafts- und menschengerechte Nutzung der Windenergie.
Den Text mit mehreren Abbildungen und weiteren Projektbeispielen finden Sie auch in der aktuellen Print-Ausgabe der energiezukunft Heft 18/Sommr 2015, Seite 12-19