COP27: Ab Sonntag ist wieder Klimakonferenz
Sich treffen, um sich mehr anzustrengen – das ist die zentrale Erwartung an den bevorstehenden UN-Klimagipfel. Außerdem muss um Geld verhandelt werden: Geld für Anpassungen an den Klimawandel und Geld für unwiederbringliche Verluste.
04.11.2022 – In Glasgow herrschte Einigkeit – die Länder der Welt sollten ihre nationalen Beiträge zur Emissionsminderung innerhalb eines Jahres erhöhen. Diese Aufgabe haben bisher nur wenige Länder erfüllt.Auch sonst stimmt die Ausgangslage für die am 6. November beginnende Klimakonferenz COP27 wenig optimistisch. Die Invasion Russlands in der Ukraine hat das internationale Vertrauen geschwächt und den Kampf gegen die Klimakrise trotz Umweltkatastrophen in den Hintergrund treten lassen. Gleichzeitig werden aufgrund der Energiekrise fossile Strukturen wiederbelebt, weiter subventioniert und deren Emissionen billigend in Kauf genommen.
In Scharm El-Scheich in Ägypten sollen die im letzten Jahr in Glasgow beschlossenen Ziele in konkrete Maßnahmen gegossen werden. Ein wichtiger Erfolg von Glasgow war, dass die Länder übereinkamen, dass die nationalen Klimaziele nicht ausreichen, um die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen. Deshalb waren im Vorfeld der COP27 die Staaten aufgerufen, ihre nationalen Ziele zu überarbeiten und zu stärken. Dennoch haben bis heute weniger als 30 Staaten ihre nationalen Klimaziele angepasst. Auf der Agenda der Konferenz steht deshalb, die Staaten zu ambitionierteren Maßnahmen zu bewegen.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Anpassung an den Klimawandel. Es gilt die am meisten betroffenen Regionen in den Entwicklungsländern zu unterstützen und die Bedingungen dafür auszuhandeln. Dabei geht es vor allem um Geld – die internationale Klimafinanzierung. 100 Milliarden Dollar jährlich ab 2020 wurden dafür bereits 2009 in Kopenhagen als Summe festgelegt.
Dass die internationale Gemeinschaft die Entwicklungsländer unterstützen will, ist ein wichtiger und notwendiger Schritt. Allerdings wurde die Summe in den letzten beiden Jahren nicht erreicht, der Höchststand waren 83 Milliarden Dollar im Jahr 2020. Dieses nicht eingehaltene zentrale Versprechen der Industrieländer hat Vertrauen zerstört und belastet die Verhandlungen. 2023 soll es aber so weit sein und die 100 Milliarden Dollar zusammenkommen, wie ein kanadisch-deutscher Bericht analysiert. Demnach wären die 100 Milliarden jährlich von 2023 bis 2025 sicher – was danach kommt, soll auf der COP27 diskutiert werden. Transparenz und der Zugang zu diesen Mitteln sind Baustellen, an denen gearbeitet werden muss. Dabei überholt die Schärfe des Klimawandels die politisch ausgehandelten Linien – längst erscheinen angesichts der Dürren, Fluten und Stürme selbst 100 Milliarden wie ein Tropfen auf dem heißen Stein.
Auch im Anpassungsfonds, der bereits in Kyoto beschlossen wurde, fehlt Geld. Ein Jahr nach dem Gipfel in Glasgow wartet das Sekretariat des Anpassungsfonds immer noch auf 230 Millionen Dollar der 356 Millionen Dollar, die in Glasgow zugesagt worden waren.
Aktuell drängen die Entwicklungsländer bei einem weiteren Thema voranzukommen. Es ähnelt der Klimafinanzierung, steht aber für sich. Es geht um die Forderung der besonders betroffenen Regionen, dass die Industrienationen für irreversible Verluste und Schäden aufkommen, die der Klimawandel anrichtet, beispielsweise für verlorene Landflächen aufgrund steigender Meeresspiegel. Der Punkt steht unter dem Begriff Loss & Damage zwar auf der Tagesordnung, jedoch ohne konkretes Ziel. Die Summen für unwiederbringliche Schäden könnten leicht um ein Vielfaches höher sein als die zugesagten Mittel für Anpassungen. Kein Wunder, dass die Industrienationen hier mauern, vielleicht auch deshalb, weil daraus leicht eine Haftungsdiskussion werden könnte.
Die Länder der europäischen Union agieren als Gemeinschaft auf dem Klimagipfel. In einem Statement vor der Konferenz hat der Europäische Rat seine Standpunkte dargelegt. Die Mitgliedsstaaten heben hervor, dass weltweit mehr Ehrgeiz beim Klimaschutz gefordert ist. Die EU sieht sich mit ihrem Fit für 55 Paket auf einem adäquaten Weg – die Netto-Treibhausgasemissionen sollen bis 2030 um mindestens 55 Prozent gesenkt und spätestens 2050 Klimaneutralität erreicht werden. Zudem stehen die Mitgliedstaaten zu ihren jeweils beschlossenen Kohleausstiegsszenarien. Der Rat ruft alle Länder auf, zur Klimafinanzierung Finanzmittel aus allen Quellen zu mobilisieren und Klimaaspekte in allen Finanzströmen durchgängig zu berücksichtigen. Zudem wird die Zusage der EU und ihrer Mitgliedstaaten erneuert, ihre internationale Klimafinanzierung kontinuierlich in Richtung des Ziels der Industrieländer aufzustocken. Das Thema Loss and Damage ist die EU bereit zu erörtern und verspricht konstruktive Zusammenarbeit, bleibt ansonsten aber vage.
In einer Infografik hat die EU ihre Zusagen und den Weg zur Zielerreichung verständlich zusammengefasst. Der Weltklimarat IPCC wiederum hat seine Kernaussagen zum Sonderbericht 2022 und Antworten auf häufig gestellte Fragen in einer Broschüre zusammengefasst, die auch in deutscher Sprache erschienen ist.
Die Ikone der internationalen Klimabewegung Greta Thunberg wird nicht nach Ägypten kommen. Sie bezeichnete das Format der Klimakonferenzen als ungeeignet, um einen Systemwechsel zu erreichen.
Hintergrund: Vom 6. Bis 18. November trifft sich die Weltgemeinschaft im ägyptischen Badeort Scharm El-Scheich, um den Kampf gegen den Klimawandel und seine Folgen zu koordinieren. Rund 30.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus 200 Staaten werden zur 27. Conference of the Parties (COP) erwartet. Die jährliche Klimakonferenz findet auf Einladung der Vereinten Nationen statt. pf