Erderwärmung stoppenBäume in der Arktis pflanzen hilft dem Klima nicht

Steppenlandschaft in der Arktis
Steppenlandschaft in der arktischen Tundra – weil durch helle Oberflächen viel Wärme zurückgestrahlt wird, sind diese Flächen wertvoll für den Klimaschutz. (Foto: PxHere / CC0)

Weil mit der Erderwärmung Bäume weiter nördlich gedeihen, sind Baumpflanzungsprojekte in der Arktis geplant – als Klimaschutzmaßnahme. Wissenschaftler warnen jedoch: Dies könnte die globale Erwärmung eher beschleunigen als verlangsamen.

25.11.2024 – Die Anpflanzung von Bäumen wird als kosteneffiziente Methode zur Verringerung der globalen Erwärmung angepriesen, da Bäume große Mengen an Kohlenstoff aus der Atmosphäre speichern können. In der Fachzeitschrift Nature Geoscience argumentiert eine internationale Gruppe von Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen jedoch, dass die Anpflanzung von Bäumen in hohen Breitengraden die globale Erwärmung eher beschleunigen als verlangsamen wird.

Die arktischen und subarktischen Ökosysteme eignen sich schlecht für die Anpflanzung von Bäumen zur Eindämmung des Klimawandels, wie ihre Studie belegt. „Das fast durchgehende Tageslicht im Frühling und Frühsommer, wenn der Boden noch schneebedeckt ist, macht die Energiebilanz in dieser Region extrem anfällig für eine Oberflächenverdunkelung. Grüne und braune Bäume absorbieren nämlich deutlich mehr Wärme von der Sonne als weißer Schnee“, erklärt Jeppe Kristensen von der Universität Aarhus in Dänemark.

Mikrobieller Abbau des Bodenkohlenstoffs

Die Böden in der Arktis speichern enorme Mengen an Kohlenstoff. „Die Störung des Bodens durch die Anpflanzung, aber auch durch das Wachstum der Bäume selbst, führt zu einem verstärkten mikrobiellen Abbau des Bodenkohlenstoffs und damit zur Emission von Treibhausgasen aus diesen kohlenstoffreichen Böden“, sagt Carsten Müller, Mitautor der Studie und Professor für Bodenkunde an der TU Berlin. Viele arktische Böden speichern Kohlenstoff eher in einer Form, die für Bodenmikroben leicht verdaulich ist. Das macht diese Böden anfällig für Veränderungen der Umweltbedingungen, sei es durch den Klimawandel oder durch Maßnahmen wie das Anpflanzen von Bäumen.

Darüber hinaus sind die Regionen um den Nordpol in Nordamerika, Asien und Skandinavien anfällig für natürliche Störungen – wie Waldbrände und Dürren –, die die Vegetation absterben lassen. Durch den Klimawandel würden diese Störungen sowohl häufiger als auch heftiger. „Diese Orte sind riskant für einen Baum, insbesondere als Teil einer homogenen Plantage, die anfälliger für solche Störungen ist“, sagt Kristensen. Der in diesen Bäumen gespeicherte Kohlenstoff könnte durch Störungen freigesetzt und innerhalb weniger Jahrzehnte wieder in die Atmosphäre abgegeben werden.

Albedo-Effekt ist wichtiger als Kohlenstoffspeicherung

Im Kern ist der Klimawandel das Ergebnis davon, wie viel Sonnenenergie in die Atmosphäre gelangt und wie viel sie wieder verlässt bzw. wieder verlassen kann – die sogenannte Energiebilanz der Erde. Wie viel Wärme aus der Atmosphäre unseres Planeten entweichen kann, hängt stark von den vorhanden Treibhausgasen ab. Laut den Forscherenden ist jedoch an hohen Breitengraden die Menge an Sonnenlicht, die ins All zurückgestrahlt wird, ohne in Wärme umgewandelt zu werden – der sogenannte Albedo-Effekt – für die Energiebilanz wichtiger als die Kohlenstoffspeicherung.

Deswegen fordern die Forschenden eine ganzheitlichere Betrachtung von Ökosystemen, um wirklich sinnvolle naturbasierte Lösungen zu identifizieren, die das übergeordnete Ziel nicht gefährden: den Klimawandel zu verlangsamen. Dazu konträr wollen Regierungen und Unternehmen große Baumpflanzungsprojekte in der Arktis fördern, um die schlimmsten Folgen des Klimawandels abzuschwächen.

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Wie kann die globale Erwärmung in hohen Breitengraden abgemildert werden?

Ein Vorschlag ist, in Zusammenarbeit mit lokalen Gemeinschaften nachhaltige Populationen großer Pflanzenfresser wie Rentiere zu fördern. Dies könne eine praktikablere naturbasierte Lösung für den Klimawandel in arktischen und subarktischen Regionen sein als das Pflanzen von Millionen von Bäumen. Es gibt zahlreiche Belege dafür, dass große Pflanzenfresser die Pflanzengemeinschaften und die Schneeverhältnisse in einer Weise beeinflussen, die zu einer Nettokühlung führt. Dies geschieht sowohl direkt, indem Tundra-Landschaften offengehalten werden, als auch indirekt durch die Auswirkungen der winterlichen Futtersuche von Pflanzenfressern, wodurch sie den Schnee verändern und seine Isolierfähigkeit verringern, was die Bodentemperaturen und das Auftauen des Permafrosts reduziert.

Die Forschenden betonen, dass die biologische Vielfalt und die Lebensgrundlagen lokaler Gemeinschaften bei der Suche nach naturbasierten Lösungen für das Klima unbedingt berücksichtigt werden müssen. Große Pflanzenfresser können den klimabedingten Verlust der biologischen Vielfalt in arktischen Ökosystemen verringern und eine wichtige Nahrungsquelle für die lokalen Gemeinschaften bleiben. Biodiversität und lokale Gemeinschaften sind kein zusätzlicher Nutzen von naturbasierten Lösungen: Sie sind grundlegend. Zudem müssen alle naturbasierten Lösungen von den lokalen Gemeinschaften angeführt werden, die an der vordersten Front des Klimawandels leben.

Die Diplom-Biologin und Buchautorin Ulrike Aufderheide ist von den Studienergebnissen nicht überrascht: „Bei den Recherchen zu meinem Klimabuch bin ich auf die Untersuchungen zum Albedo-Effekt gestoßen. Sie zeigen, dass der Gedanke, wir könnten unsere Probleme lösen, indem wir Bäume pflanzen, zwar eine verführerische Plausibilität hat, aber in die Irre führt. Für uns als Augentiere ist vor allem das einleuchtend, was wir sehen können, und im Wald sehen wir die Stämme der Bäume und damit eine Menge Biomasse, gebundenen Kohlenstoff.“

Der physikalische Effekt der Absorption von Strahlungsenergie durch dunkle Flächen sei aber viel stärker als der relativ geringe biologische Effekt der Kohlenstoffspeicherung im Wald. Der Klimaforscher Martin Claußen, emeritierter Direktor am Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg, drückt das so aus: „Bäume pflanzen, um Kohlenstoff zu speichern, ist zu kurz gedacht.“ Wir brauchen eine möglichst stabile Speicherung von Kohlenstoff bei möglichst hoher Albedo. pf

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