Klimakiller: Brasiliens Präsident beschimpft Umweltschützer als „Krebs“
Jair Bolsonaro hat Umweltschutzorganisationen als „Krebs“ bezeichnet, den er gerne ausrotten würde. Grund für den neuesten Zornausbruch ist eine Kampagne von NGOs, die Investoren zum Divestment zugunsten des Regenwaldes bewegen wollen.
08.09.2020 – Die NGOs hätten ihm nichts zu sagen, wetterte der rechtsextreme Bolsonaro auf Facebook. Die „Bastarde“ beschuldigten ihn, „den Amazonas in Brand zu stecken“. Sein neuer ungezügelter Wutausbruch kommt nicht von ungefähr. Diesmal geht es um wirtschaftlichen Druck – das könnte ihn erstmals in die Enge treiben, hoffen Umweltschützer.
Mit der neu gestarteten Kampagne Defundbolsonaro.org rufen Umweltgruppen potenzielle Investoren dazu auf, ihr Engagement in Brasilien von einer Verpflichtung des Staates zum Schutz des Amazonas-Regenwaldes abhängig zu machen. „Bolsonaro zündet den Amazonas an. Schon wieder. Auf welcher Seite stehst du?“ heißt es auf der Website der Kampagne. Unterstützt wird die Idee, dem Präsidenten bei einem Weiter-so die Finanzierung zu entziehen, bereits von einzelnen internationalen Investmentfonds: Sie hatten im Sommer von Brasiliens Regierung einen sichtbaren Kurswechsel in Sachen Umweltpolitik gefordert.
Es ist nicht das erste Mal, dass Bolsonaro die Berichte über Brände im Amazonasgebiet als Lüge bezeichnet. Doch die Fakten sind eindeutig: Satellitenaufnahmen des nationalen Instituts für Weltraumforschung INPE (Instituto Nacional de Pesquisas Espaciais) hatten allein im August über 29.000 Feuer im Amazonasgebiet nachgewiesen. Laut INPE wurde im ersten Quartal 2020 mehr als doppelt so viel abgeholzt wie im Vorjahreszeitraum – rund 1.200 Quadratkilometer. In der Corona-Krise hat Jair Bolsonaro zudem die Zahl der Umweltbeamten, die für die Kontrollen zuständig sind, massiv reduziert und damit illegalen Holzfäller und Plünderern weiter Tür und Tor geöffnet.
Bolsonaro brüstet sich bereits seit dem Wahlkampf damit, das Amazonasgebiet wirtschaftlich stärker erschließen zu wollen. Indem er „Schutzgebiete für Landwirtschaft und Bergbau“ eröffnet, können Konzerne sich auf Regenwaldgebieten ausbreiten. Großgrundbesitzer eignen sich seit Jahren illegal neues Land im Regenwald an, der Raum indigener Bewohner wird zerstört. Mit einem Gesetz, das er bereits im Dezember einbrachte, will Brasiliens Präsident die illegale Abholzung und unrechtmäßige Besetzung von öffentlichem Land vor 2018 sogar nachträglich legalisieren.
Bolsonaro will Landraub rückwirkend legalisieren
Das Gesetz ging jedoch einigen Unternehmen dann doch zu weit. Ein paar europäische Supermarktketten hatten sich zusammengetan und drohen nun mit Boykott. Im Juni hatten mehrere britische Supermarktketten in einem offenen Brief zum Boykott von Produkten aufgerufen, wenn ein Gesetzesvorhaben angenommen wird, das „zu weiterem Landraub“ im Amazonas ermutige. Sie hatten angedroht, Produkte der Großgrundbesitzer nicht mehr zu verkaufen, sollte das Gesetz in Kraft treten. Während internationale Proteste Bolsonaro eher kalt lassen, scheint wirtschaftlicher Druck etwas besser zu wirken: Einen Tag nach der ersten Boykottdrohung strich immerhin der brasilianische Kongress das geplante Gesetz von der Tagesordnung.
Auch die NGO Campact hat eine Kampagne gestartet, um das Gesetz zu kippen und sammelt Stimmen für einen breiteren Boykott. Drei große Ketten fehlten dafür noch: Edeka, Lidl und Aldi Nord. Mit ihnen würden über 70 Prozent der deutschen Konsumenten Bolsonaro boykottieren, schreibt campact auf seiner Kampagnenseite.
Brandbeschleuniger Mercosur
Umweltorganisationen fordern in diesem Zusammenhang auch von der EU, das Mercosur-Abkommen zwischen der EU und den vier südamerikanischen Ländern Brasilien, Argentinien, Paraguay und Uruguay im Oktober nicht zu ratifizieren. Sie halten den Handelsdeal für einen weiteren „Brandbeschleuniger, der die Zerstörung des Regenwaldes weiter vorantreibt“, so Martin Kaiser, Geschäftsführer von Greenpeace Deutschland. Mehr als zwei Drittel der brasilianischen Amazonasbrände loderten im vergangenen Jahr ausgerechnet in den Herkunftsregionen für Schlachtfleisch. „Der Abschluss wäre eine klimapolitische Bankrotterklärung der EU“, so Kaiser. Bolsonaros Politik würde damit weiter legitimiert. Stattdessen müsse sich die EU für eine sozial-ökologische Neuausrichtung von Handelsabkommen einsetzen – mit Blick auf Klima-, Umweltschutz und Menschenrechte. na