Technische Kohlenstoffsenken: CCS – Teurer Notnagel für den Klimaschutz

Für CCS soll es nun schnell gehen, zumindest die gesetzliche Grundlage soll bald geschaffen werden. Der Bau der Anlagen, womöglich ein Pipelinenetz und erst recht die Erkundung und Erschließung von Speicherorten werden viele Jahre brauchen.
12.06.2025 - Die Regierungsparteien wollen das Abscheiden und Speichern von Kohlenstoff (CCS) zügig ermöglichen und dafür das Kohlendioxid-Speicherungsgesetz – kurz KSpG oder auch CO2-Speichergesetz genannt - ändern. Noch in diesem Jahr könnte die Novelle in Kraft treten, wie das Handelsblatt mit Verweis auf ein internes Papier des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWE) berichtet. Schon die Ampelregierung hatte vor etwa einem Jahr ihre Strategie zum Carbon Management vorgestellt. Aufgrund des Regierungsbruchs kam eine Gesetzesänderung nicht mehr zustande. Nun will Wirtschaftsministerin Katharina Reiche auf dem Entwurf aufbauen.
Doch auch wenn die Erlaubnis schnell kommt – bis Infrastrukturen für das Abscheiden, den Transport und die Speicherung von Kohlenstoff stehen, kann gut ein Jahrzehnt ins Land gehen. Außerdem sind viele Details bisher nicht ausreichend erforscht: zum Beispiel potenzielle Lagerstätten, aber auch die Abscheide-Prozesse selbst, die sich je nach Entstehungsort der Emissionen unterscheiden. Zudem wird es teuer werden, sehr teuer. Alle drei Schritte des CCS – das Abscheiden, das Transportieren und das Speichern – erfordern große Infrastrukturinvestitionen.
Vermeidung preiswerter als Speicherung
Wohl auch deshalb sind sich Forschende weitgehend einig: Aufgrund der hohen Kosten für CCS bleibt die Vermeidung von Kohlenstoffemissionen noch lange die kostengünstigere Klimaschutzalternative. Denn die meisten heute fossil betriebenen industriellen Prozesse lassen sich elektrifizieren, und wenn die Stromerzeugung zu 100 Prozent erneuerbar ist, sind es die elektrifizierten industriellen Prozesse auch.
Die mühsame gesellschaftliche Debatte, was schwer vermeidbare Emissionen sind, könne man sich sparen, ist sogar zu hören. Stattdessen sollte sich der Fokus nur auf die unvermeidbaren Emissionen richten, wie sie etwa in der Zement- und Kalkindustrie sowie der Müllverbrennung anfallen. Und selbst hier gibt es noch Potenziale zur Emissionsvermeidung.
Wird gar der Einsatz von CCS an Gaskraftwerken diskutiert, handele es sich eher um eine ideologische Debatte, wie Klaus Wallmann,Leiter der Forschungseinheit Marine Geosysteme, Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel (GEOMAR), kommentiert.
Wallmann geht davon aus, das CCS für Gaskraftwerke schlichtweg zu teuer ist und deshalb dort nicht eingesetzt wird. Denn wenn die Prozesse nicht kontinuierlich laufen, steigen die ohnehin schon sehr hohen Kosten weiter. Bei Gaskraftwerken wäre das der Fall, sie sollen lediglich in Zeiten von Stromknappheit laufen. CCS an Gaskraftwerken wäre demnach nur mit massiven Subventionen möglich. Eine Nutzung von CCS für Kohlekraftwerke ergibt für Wallmann ebenfalls keinen Sinn: „Da CCS sehr energieintensiv ist, müsste ein Kohlekraftwerk dann konstant 20 bis 30 Prozent mehr Kohle verbrennen.“
Wallmann rechnet ein weiteres Beispiel vor: „Eine Müllverbrennungsanlage erzeugt heute sowohl Strom als auch Abwärme. Für die Abscheidung des entstehenden CO2 bräuchte die Anlage jedoch in etwa so viel Strom wie heute bei der Verbrennung gewonnen werden kann, sodass dann nur noch die Wärme genutzt werden kann.“
Franziska Holz, Stellvertretende Leiterin der Abteilung Energie, Verkehr und Umwelt am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), weist auf technische Grenzen hin: „CCS macht eine Technologie niemals vollständig klimaneutral. Je nach Industrieprozess und Abscheidetechnologie liegen viele Schätzungen mit Abscheideraten zwischen 70 Prozent und 90 Prozent noch deutlich niedriger – dann würden also weiterhin 10 bis 30 Prozent des CO2 emittiert.“
Nicht zuletzt der Sachverständigenrat für Umweltfragen hatte bereits im Oktober 2024 gefordert: Die Technologie sollte nur gezielt zur Einlagerung von nach dem Stand der Technik unvermeidbaren Restemissionen aufgebaut und eingesetzt werden. Es ist eine dringende Aufgabe, den Einsatzbereich von CCS klar und verbindlich zu definieren, um die notwendige Infrastruktur bedarfsgerecht aufzubauen und allen voran ökologische sowie energiewirtschaftliche Risiken zu minimieren.
Transport über Pipelines zum Schiff zur Plattform auf dem Meer
Relativ gut einschätzen und prognostizieren lassen sich die Herausforderungen und Kosten des Transportes. Hier herrscht Einigkeit, dass ein Pipeline-Netz auf lange Sicht die kostengünstigere Variante ist im Vergleich zum Transport per Schiene oder LKW. Jedoch müssten auch dann Verladeterminals gebaut werden, damit der Kohlenstoff mit Schiffen entweder in andere Länder exportiert werden kann oder auf Plattformen in der deutschen Außenwirtschaftszone gebracht wird, um ihn dort in den Meeresgrund zu verpressen.
Doch für ein Pipeline-Netz sieht Franziska Holz beträchtliche Hürden: „So ist die Koordinierung der Kostenübernahme zwischen den verschiedenen Nutzern, also den CO2-Emittenten untereinander, sowie zwischen den Emittenten und dem Speicherbetreiber notwendig. Die bisher fehlende Regulierung erschwert das Commitment der einzelnen Akteure.“
Felix Schenuit, Wissenschaftler im Forschungscluster Klimapolitik der Stiftung Wissenschaft und Politik, thematisiert Konflikte zwischen EU-Mitgliedsstaaten und zwischen den Bundesländern. Denn der Verlauf des zukünftigen CO2-Transportnetzes ist letztlich – ähnlich wie beim Wasserstoffnetz – Standortpolitik. „Je schlechter große Emittenten an das Netz angebunden sind, desto unwirtschaftlicher wird die CO2-Abscheidung und – mit Blick auf steigende CO2-Preise – der Standort unattraktiver“, erklärt Schenuit. Es sei – gerade für ein Industrie- und potenzielles CO2-Transitland wie Deutschland – wichtig, sich eng mit der EU-Ebene abzustimmen. Zielbild der Politik sollte ein europäischer Binnenmarkt für Carbon Management sein.
Mögliche Speicherstätten: ein Buch mit sieben Siegeln
Die unterirdische (geologische) Speicherung könnte als Option für die Bundesländer im Gesetz angelegt sein. Sie könnten selbst entscheiden, ob sie in ihrem Bundesland geologische Speicherstätten erkunden und erschließen wollen. Per Gesetz ermöglicht werden soll auf die Speicherung in der ausschließlichen Wirtschaftszone Deutschlands unter der Nordsee, ein Bereich, der schon heute stark beplant ist.
„Die Speicherung dürfte das eigentlich kritische Element der gesamten CCS-Kette sein“, sagt Peter Viebahn vom Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie. Er ist Mitautor des vom Wuppertal Institut herausgegebenen Zukunftsimpulses, in dem wissenschaftliche Empfehlungen zur Carbon-Management-Strategie und entsprechender Gesetze gegeben werden. Selbst nach der Kartierung potenzieller Speicherformationen sind demnach lange Vorlaufzeiten für Exploration, Tests und Genehmigungen erforderlich.
Viebahn schätzt, dass selbst bei schneller Regulierung der erste deutsche CO2-Speicher frühestens 2036 einsatzbereit ist. Und: Die realen Bedingungen können oft erst nach Beginn der Speicherung genau eingeschätzt werden, wenn beispielsweise Druckausgleichsprobleme auftreten. „Jede Speicherstätte unterscheidet sich von anderen und birgt ihre eigenen Risiken, so dass jedes potenzielle Speicherprojekt einzeln zu betrachten ist.“ pf