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KlimaforschungDas Gedächtnis des Monsunregens

Eine Frau in traditioneller Kleidung steht mit einem Ruder auf einem kleinen Holzboot, in dem ein Kind sitzt. Sie navigiert durch überschwemmtes Wasser, vermutlich während der Monsunzeit in Bangladesch. Im Hintergrund ist ein Wasserbüffel teilweise untergetaucht zu sehen. Die Szene ist in Schwarz-Weiß aufgenommen und wirkt ruhig, aber eindrucksvoll.
Folgen eines heftigen Monsuns in Bangladesch (Bild: Faisal Akram, Faisal Akram Ether, flickr, CC BY-SA 2.0, Ausschnitt)

Warum schalten sich Monsunregen im Frühling ein und im Herbst wieder aus? Neue Forschungen zeigen, dass die Atmosphäre eine Art physikalisches Gedächtnis hat. Der Mensch droht dieses aber aus dem Takt zu bringen, die Folgen wären verheerend.

09.05.2025 – Nur mit den gleichmäßig wiederkehrenden Monsunregen ist eine intensive Landwirtschaft, etwa rund um den Golf von Indien möglich, der Milliarden von Menschen ernährt. Warme Winde nehmen über dem Meer viel Wasser auf und tragen diese in Form von Wolken an Land, wo diese abregnen. Warum sich die Monsunregen im Frühling ein und im Herbst wieder ausschalten? Bislang ging man davon aus, dass dies eine Reaktion auf veränderte Sonneneinstrahlung ist.

Wissenschaftler:innen des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) haben in einer neuen Studie jedoch ermittelt, dass die Atmosphäre in besonderen Situationen ein Gedächtnis haben kann. „Die Atmosphäre kann sich an ihren vorherigen Zustand ‚erinnern‘, das heißt sie speichert physikalische Informationen in Form von Wasserdampf“, erklärt Anja Katzenberger, PIK-Wissenschaftlerin und Autorin der Studie, veröffentlicht in der Fachzeitschrift PNAS. „In der Realität bedeutet das: Auch wenn die Sonneneinstrahlung im Jahresverlauf zunimmt oder abnimmt, reagiert die Atmosphäre nicht immer sofort. Im Frühjahr sammelt sie über Tage und Wochen Wasserdampf an. Dieses Reservoir bestimmt das Einsetzen des Monsunregens und erhält ihn auch, wenn im Herbst die Sonneneinstrahlung langsam weniger wird.”

Die PIK-Wissenschaflter:innen nennen das ein physikalisches Erinnerungsvermögen. Belege dafür sammelten die Forscher:innen mithilfe von Beobachtungsdaten aus Indien, China und anderen Monsunregionen der Welt und Computersimulationen der Atmosphäre. In den Computersimulationen wurde ein idealisierter Monsunplanet kreiert, auf dem der Monsun das dominante Wettersystem ist. Indem langsamere Bestandteile des Erdsystems, wie der Ozeane und deren Wärmespeicherung, separiert wurden, erkannten die Forscher:innen dass der Monsun auch ohne die Trägheit des Ozeans ein Erinnerungsvermögen hat und zwischen trocken und feucht umschalten kann.

Entscheidend sei die Bildung einer robusten Wassersäule in der Atmosphäre. Sie speichere Feuchtigkeit und stabilisiere den atmosphärischen Zustand über Wochen hinweg. Katzenberger erläutert: „Sobald der Wasserdampfgehalt in der Atmosphäre über eine Grenze von etwa 35 Kilogramm pro Quadratmeter steigt, setzt der Monsun ein. Sinkt er unter diesen Wert, endet der Monsun. Die Atmosphäre schaltet also abrupt um, abhängig davon, ob diese Schwelle über- oder unterschritten wird.“

Demnach hängt der Zustand der Atmosphäre von ihrer Historie im Jahresverlauf ab. Regnet es bereits, erhält sich der Regen selbst. Ist es trocken gewesen, dann ist es schwer den Regen in Gang zu bringen. So ist es im Frühling zuvor meist lange trocken gewesen, sodass sich die Atmosphäre erst mit Wasserdampf aufladen muss, bevor der Monsun einsetzen kann. Im Herbst ist die Luft in feucht-tropischen Regionen noch feucht vom Sommermonsun und bleibt es, auch wenn die Sonne bereits viel zu schwach scheint.

Bistabilität

„Dieses Verhalten nennen wir Bistabilität“, erklärt Katzenberger. Gemeint ist damit eine Art Schalterverhalten des Monsunregens. Die Forschungsergebnisse zeigen: mit der Sonneneinstrahlung hat das nichts zu tun. Denn die Atmosphäre kann bei der gleichen Sonneneinstrahlung entweder Trockenheit oder Regen bringen, je nachdem, was vorher war.

„Solch ein Erinnerungsvermögen kennen wir vom trägen Ozean und von den massiven Eisschilden, aber in der Atmosphäre wurde es bisher für unmöglich gehalten“, sagt Anders Levermann, Koautor und Leiter der Komplexitätsforschung am Potsdam-Institut. Der Wechsel zwischen Regen- und Trockenzeit erfolge dabei nicht allmählich, sondern abrupt. Ein solches Verhalten sei auch aus anderen Kippprozessen im Klimasystem bekannt, so Levermann. „Besonders ist aber, dass der Monsun jedes Jahr seinen Kipppunkt überschreitet und dann wieder zurückkommt. Das könnte es uns in der Zukunft ermöglichen, den Kipppunkt tatsächlich mit Beobachtungsdaten zu bestimmen und ein Frühwarnsystem zu entwickeln."

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Verheerende Folgen eines veränderten Monsuns

Denn die PIK-Forscher:innen warnen: Der innere Rhythmus des Monsunregens kann gestört werden, durch Luftverschmutzung und globale Erwärmung. Waren und sind es zeitweise Probleme ausbleibender Monsune und Dürre, traten in jüngster Zeit häufiger außergewöhnlich heftige Monsune mit Starkregenfällen und Überschwemmungen auf. Durch die Erwärmung der Meere nehmen die warmen Winde mehr Wasser auf, die zu den heftigen Regenfällen an Land führen. Insgesamt erwärmen sich durch den menschengemachten Klimawandel die Ozeane deutlich schneller als die Landmassen, was den Rhythmus der Monsune zusätzlich empfindlich stört.

Im letzten Jahr starben in Bangladesch über 50 Menschen infolge von Überschwemmungen, über 400.000 Menschen mussten ihre Häuser verlassen. Mindestens 49 Menschen starben 2024 im Norden Nigerias. Über 41.000 Menschen mussten ihr Zuhause verlassen. Rund 693 Hektar landwirtschaftliche Flächen wurden zerstört. Auch Mali rief in Folge von Starkregenfällen 2024 den Notstand aus. Mindestens 30 Menschen starben, 47.000 Menschen mussten ihre Heimat verlassen. mg

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