Klimaschäden: Die Klimaklage gegen RWE geht weiter

Die Klimaklage des Bergführers und Bauers Saúl Luciano Lliyua aus Peru gegen RWE wurde diese Woche am Oberlandesgericht mündlich verhandelt. Das Gericht soll feststellen, ob ein rechtlich relevantes Flutrisiko besteht. Ein Urteil gibt es noch nicht.
20.03.2025 – Die Klimaklage des peruanischen Bergführers und Bauers Saúl Luciano Lliyua gegen RWE geht weiter. Montag und Mittwoch fand die mündliche Verhandlung vor dem Oberlandesgericht in Hamm statt. Ein Urteil gibt es noch nicht.

Graphik: Germanwatch
Lliyua verklagt RWE, weil das Unternehmen mit seinem Geschäftsmodell die Klimakrise weitgehend mitverursacht hat und weiter befeuert. Er fordert, dass sich RWE an den Kosten für Schutzmaßnahmen am oberhalb der Stadt, auf über 4500 Metern Höhe liegenden Gletschersee Palcacocha beteiligt. Die geforderte Beteiligung ist dabei gering, es geht um etwa 17 bis 20 Tausend Euro. In der Anklageschrift wird gefordert, dass RWE sich zu 0,47 Prozent an den Kosten für Schutzmaßnahmen beteiligt.
Der Prozentsatz ist von einem Befund der Carbon Major Studie abgeleitet, nach dem RWE allein für 0,47 Prozent der menschengemachten Emissionen seit Beginn der Industrialisierung verantwortlich ist. RWE gehört zu den 100 Unternehmen, die gemeinsam rund 70 Prozent der globalen Treibhausgasemissionen verursacht haben. Eine Untersuchung machte wiederum 2021 den anthropogenen Klimawandel für etwa 95 Prozent der Gletscherschmelze vor Ort in Peru verantwortlich.
Emittenten für Klimaschäden zur Verantwortung ziehen
Es ist das erste Mal, dass ein Klimawandel Betroffener einen der größten Treibhausgasemittenten in Europa verklagt. Die Klage könnte einen Präzedenzfall schaffen. Lliyua hat bereits einen weiten Weg hinter sich. Seine 2015 eingereichte Klage wurde zunächst abgewiesen. In der Revision 2017 stellte das Gericht hingegen fest, dass Emittenten wie RWE grundsätzlich verpflichtet seien, Betroffene von Klimaschäden in armen Ländern zu unterstützen. Das Gericht ebnete damit den Weg für zivilrechtliche Klagen gegen große Verursacher der Klimakrise. Inzwischen gibt es zwei weitere Verfahren in Belgien und der Schweiz, in denen ähnlich argumentiert wird.

Saúl Luciano Lliuya mit Unterstützer:innen vor dem OLG in Hamm (Bild: Germanwatch / Alexander Luna)
„Für die größten Emittenten unter den Unternehmen bedeutet die Einschätzung des Gerichts, dass ihr Emissionsausstoß von nun an mit einem handfesten finanziellen Risiko behaftet ist", sagt Christoph Bals, Politischer Geschäftsführer von Germanwatch. „Für die Politik bedeutet es, dass sie nicht auf eine Vielzahl von Einzelklagen warten kann, sondern die großen Emittenten verbindlich und geordnet für die angerichteten Schäden und den Schutz vor Risiken zur Kasse bitten muss.“ Die Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch sowie die Stiftung Zukunftsfähigkeit unterstützen Lliuya und sein Team.
Geologie-Seminar im Gerichtssaal
Ein Ortstermin in Peru verzögerte sich durch die Corona-Pandemie, doch 2022 fand die Beweisaufnahme vor Ort statt. Für den Gerichtstermin ist Lliuya wiederum nach Deutschland gereist. In der mündlichen Verhandlung wurde die erste von zwei Beweisfragen diskutiert: Gibt es ein rechtlich relevantes Flutrisiko? Das Gericht entscheidet im Anschluss, ob RWE für das Flutrisiko teilweise haftbar gemacht werden kann. Dafür wurden vom Gericht ernannte Sachverständige befragt, die das Flutrisiko in Huaraz berechnet haben. Neben Experten sollen auch Lliuya und RWE zum Flutrisiko Stellung nehmen. Bejaht das Gericht die erste Frage, wird im nächsten Schritt darüber verhandelt, ob RWE eine Teilverantwortung für das Flutrisiko trägt. Sollte das Gericht verneinen, wird die Klage abgewiesen.
Die geologischen Risiken und Mechanismen wurden am Montag und Mittwoch vom Gericht über Stunden diskutiert, berichtet Sébastien Duyck, Senior Attorney und Campaign Manager Human Rights & Climate beim Centre for International Environmental Law (CIEL), der die Verhandlung vor Ort verfolgt hat, auf BlueSky. Die Sachverständigen seien der Beweisfrage eher negativ eingestellt gewesen. Im Mittelpunkt stand, inwieweit das Haus des Klägers und seiner Familie von einem Flutrisiko durch einen stark angewachsenen Gletschersee betroffen ist. „Es ist bereits ein großer Durchbruch, dass eine solche Diskussion über die Wissenschaft der Klimaanpassung in einem Gerichtssaal stattfindet, in dem ein fossiler Brennstoffriese auf der Anklagebank sitzt“, schreibt Duyck.
Roda Verheyen, Rechtsanwältin von Lliuy, ist zuversichtlich. „Wir haben jetzt alle Elemente belegt, die notwendig sind, um im Verfahren weiterzukommen: Es gibt eine Gefahr für das Haus, und diese realisiert sich auch in einer absehbaren Zeit. Eine Flut würde das Haus schädigen. Jetzt geht es nur noch darum, welche Wahrscheinlichkeit das Gericht als notwendig ansetzt. Dabei muss der massiv fortschreitende Klimawandel berücksichtigt werden.“
„Die Klimakrise ist unsere Realität, mit der wir tagtäglich konfrontiert sind. Ich mache mir Sorgen um meine Familie und die Zukunft meiner Stadt“, sagt Lliuya. „Die beiden Verhandlungstage waren sehr lang, aber die große Solidarität der Menschen hier vor Ort gibt mir Kraft. Ich hoffe, dass das Gericht festlegt, dass die großen Unternehmen Verantwortung übernehmen müssen. Ich hoffe auch, dass das Gericht den nächsten Schritt geht, um die Verantwortung von RWE abschließend zu klären.“ Die Entscheidung des Gerichts wird am 14. April erwartet. jb
Kommentare
Andreas W am 21.03.2025
Verklagt Herr Lliyua auch die restlichen 99 Verursacher weltweit?
Ich denke viele dieser Klagen werden von den zuständigen Gerichten in den jeweiligen Ländern erst gar nicht nicht zugelassen und sofort abgelehnt.
Aber in Deutschland wird jeder gehört und kann Klage einreichen. Wo soll das noch hinführen?