TOP-THEMA
Industrie







Klima-Risiko-IndexDie neue Normalität der Wetterextreme

Straße mit Menschen und zerstörten Gebäuden
Der Morgen, nachdem Hurrikan Maria 2017 über den Inselstaat Dominica hinweggefegt war – Rund 90 Prozent der Gebäude auf der Insel waren zerstört (Bild: Roosevelt Skerrit from Vieille Case, Dominica - Morning after Hurricane Maria, Public Domain)

Hunderttausende Tote und Billionen US-Dollar an Schäden – klimawandelbedingte Wetterextreme nehmen seit Anfang der 90er Jahre global immer weiter zu. Ein Sicherheitsrisiko, das politisch von vielen ignoriert wird.

13.02.2025 – Es ist eine der umfassendsten Analysen klimawandelbedingter Schäden weltweit: der Klima-Risiko-Index (KRI) der deutschen Umwelt- und Menschenrechtsorganisation Germanwatch. Die letzte Veröffentlichung des KRI liegt jedoch einige Jahre zurück, denn die Datenlage gestaltete sich schwierig. Anhand neuer Datenquellen konnte Germanwatch am gestrigen Mittwoch erstmals seit 2021 wieder eine Neuauflage des KRI veröffentlichen, der auf Daten der internationalen Katastrophen-Datenbank EM-DAT, der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds (IWF) zurückgreift und die weltweiten Folgen der Klimakrise von 1993 bis inklusive 2022 aufzeigt.

Demnach starben bei über 9.400 Extremwetterereignissen mehr als 765.000 Menschen. Die direkt verursachten wirtschaftlichen Schäden beliefen sich inflationsbereinigt auf fast 4,2 Billionen US-Dollar. Mit Blick auf die vergangenen 30 Jahre zeige sich deutlich, dass Länder des globalen Südens besonders stark von Extremwetterereignissen betroffen sind, konstatiert Laura Schäfer, Leiterin des Bereichs Internationale Klimapolitik bei Germanwatch und eine der Autor:innen des Index. „Sorgen bereiten insbesondere jene Länder, in denen immer wiederkehrende Wetterextreme kaum noch ein Zurück in den zuvor normalen Alltag ermöglichen. Extreme Wetterereignisse wie Überschwemmungen, Dürren und Hitzewellen nehmen zu und werden in einigen Regionen der Welt allmählich zur neuen Normalität.“

Es sind insbesondere regelmäßig wiederkehrende Überschwemmungen und Dürren in China, Hitzewellen in Indien und eine Mischung aus Wirbelstürmen und Überschwemmungen auf den Philippinen, die für die Bevölkerung der Länder schon fast Alltag sind und trotzdem immer wieder verheerende Schäden anrichten. Entsprechend liegen diese Länder auf Platz 2, 6 und 10 der Staaten, die zwischen 1993 und 2022 am stärksten von klimawandelbedingten Wetterextremen betroffen waren.

Auf Platz eins der am stärksten betroffenen Länder liegt indes der Inselstaat Dominica in der östlichen Karibik. Hier war es vor allem ein Extremwetterereignis, das für den unrühmlichen Spitzenplatz des Inselstaats sorgt. Am 18. September 2017 traf Hurrikan Maria auf Land, fegte über Dominica hinweg und hinterließ extreme Schäden. Fast 90 Prozent der Gebäude wurden zerstört und der Gesamtschaden wurde auf über 1,3 Milliarden US-Dollar geschätzt – das entsprach etwa 226 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) der Insel. Mindestens 65 Menschen verloren ihr Leben.

Auch in Honduras (Hurrikan Mitch 1998), Myanmar (Zyklon Nargis 2008) und Vanuatu (Zyklon Pam 2015) waren es vor allem einzelne Wirbelstürme, die solch verheerende Schäden anrichteten, dass diese Länder Teil der am meisten betroffenen Länder der letzten 30 Jahre sind. Durch die menschengemachte Globale Erwärmung nehmen die Risiken solch verheerender Wirbelstürme indes zu, ebenso wie die Häufigkeit von Überschwemmungen, Hitzewellen und Dürren.

„Vor allem bei den ärmeren der am härtesten betroffenen Staaten sehen wir, dass Klimaanpassung auch an Grenzen stößt. Es gibt neben eigentlich durch Anpassung noch vermeidbaren massiven Verlusten und Schäden durch die Klimakrise auch solche, die nicht mehr abwendbar sind“, betont Vera Künzel, Referentin für Klimaanpassung und Menschenrechte bei Germanwatch und Co-Autorin des Index. Um damit umzugehen, brauche es ein Vielfaches der Unterstützung, die dafür bisher von reichen Nationen bereitgestellt worden ist. Künzel weist insbesondere auf die in den Augen vieler gescheiterten Verhandlungen auf der letzten Weltklimakonferenz in Baku, Aserbaidschan hin, wo ein geforderter Aufwuchs von Klimahilfen auf 1,3 Billionen US-Dollar bei weitem verfehlt wurde.

Mehr zum Thema

Zwei Männer halten sich an den Händen und diese gemeinsam nach oben
COP29

Viel Gerede für einen Minimalkompromiss

Offiziell schon am Freitag zu Ende, wurde auf der Klimakonferenz bis tief in die Samstagnacht hinein verhandelt. Am Ende steht ein Kompromiss, der mehr ist als zuvor, aber deutlich zu wenig für die gewaltigen Aufgaben angesichts der Klimakrise.

Der Blick auf die am meisten betroffenen Staaten zeigt indes auch, dass Europa mit Italien (Platz 5) Griechenland (Platz 7) und Spanien (Platz 8) ebenfalls in extremen Ausmaßen betroffen ist. Alle drei Länder hatten in den vergangenen 30 Jahren wiederholt mit Überschwemmungen, Hitzewellen und daraus resultierenden Dürren und Waldbränden zu kämpfen. Die Hitzewellen und ihre Folgen kosteten allein in Italien den Daten von Germanwatch zufolge 38.000 Menschenleben.

Deutschland liegt in der Gesamtschau seit 1993 auf Platz 48. Insgesamt 74 Extremwetterereignisse, wie die Hitzewellen 2003 und 2022, sowie Flutkatastrophen, wie an der Ahr 2021, sorgten hierzulande für mehr als 18.000 Todesfälle und inflationsbereinigt knapp 127 Milliarden Dollar Schäden. Mehr als 570.000 Menschen waren direkt von Folgen der Wetterextreme betroffen, zum Beispiel durch den Verlust ihres Eigentums aufgrund von Überschwemmungen und Stürmen oder durch gesundheitliche Schäden, die sie infolge dieser Ereignisse erlitten. „Dies zeigt, dass auch relativ reiche Länder ihr Klima-Risikomanagement dringend verbessern müssen”, sagt Vera Künzel. Auch in unseren Breitengraden nehmen die klimawandelbedingten Extremwetterereignisse zu – zeigen die Daten von Germanwatch. Im Jahr 2022 selbst lag Deutschland etwa auf Platz 17. Der am schlimmsten betroffenen Staaten.

Doch im aktuellen Bundestagswahlkampf spielen Klimaschutz und Klimaanpassung bei den öffentlich ausgetragenen Debatten nur eine untergeordnete Rolle. Beim viel kritisierten Kanzlerkandidaten-Duell zwischen Friedrich Merz (CDU) und Olaf Scholz (SPD) – bei der keine weiteren Kandidaten eingeladen waren – wurde zu keinem Zeitpunkt über diese Themen gesprochen. Migration und Wirtschaft dominierten das Geschehen.

Dabei ist vielfach belegt, dass die Klimakrise besonders negative Auswirkungen auf Migration und Wirtschaft hat. Flüchtlingsströme nehmen etwa infolge von Dürren zu, die zudem politische Konflikte befeuern, was zu kriegerischen Auseinandersetzungen führen kann und ebenfalls das Migrationsgeschehen erhöht. Auch angesichts der morgen beginnenden Münchner Sicherheitskonferenz appelliert Laura Schäfer: „Die Klimakrise ist eine der weltweit größten Bedrohungen für die internationale Sicherheit, die Stabilität von Staaten und Gesellschaften sowie des Finanzsystems. Die Staats- und Regierungschefs auf der Münchner Sicherheitskonferenz können die sicherheitspolitischen Herausforderungen nicht diskutieren, ohne auch den Klimawandel zu adressieren.“ mg

Neuen Kommentar schreiben


Name: *
E-Mail: *
(wird nicht veröffentlicht)
Nicht ausfüllen!


Kommentar: *

max 2.000 Zeichen