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Klimaklage gegen RWEEin Erfolg in der Niederlage

Ein Mann mittleren Alters in einem grauen Anzug mit Krawatte steht in der Eingangshalle eines modernen Gebäudes mit viel Glas und Stahl. Im Hintergrund sind weitere Personen und der Eingangsbereich mit Drehtüren und großen Fensterfronten zu sehen. Die Atmosphäre wirkt professionell und geschäftlich.
Der Kläger Saúl Luciano Lliyua bei einem Prozesstag Mitte März in Hamm (Bild: Germanwatch / Alexander Luna)

Ein Gericht hat endgültig entschieden: Die Klage des peruanischen Bauern Saúl Luciano Lliuya gegen den Energiekonzern RWE wird abgewiesen. Die Urteilsbegründung aber wertet die Klägerseite dennoch als Erfolg.

29.05.2025 – Nach Auffassung des deutschen Energiekonzerns RWE ist, mit der Entscheidung des Oberlandesgerichtes (OLG) Hamm, der von deutschen NGOs unterstützte Versuch gescheitert, über die Klage von Saúl Luciano Lliuya einen Präzedenzfall zu schaffen, um nach deutschem Recht einzelne Unternehmen für Auswirkungen des Klimawandels weltweit verantwortlich zu machen. Ganz anders sieht das die Umwelt- und Menschenrechtsorganisation Germanwatch, die den Kläger unterstützt hatte.

Das OLG hat die konkrete Klage zwar abgewiesen, laut Germanwatch in ihrem Urteil aber festgestellt, dass große Emittenten nach dem deutschen Zivilrecht grundsätzlich für die Folgen des Klimawandels zur Verantwortung gezogen werden können. „Die Entscheidung des Gerichts, die sich wegen der Klageabweisung auf den ersten Blick wie eine Niederlage anhört, ist in Wirklichkeit ein historisches Grundsatzurteil, auf das sich Betroffene an vielen Orten weltweit berufen können. Denn in zahlreichen anderen Ländern wie zum Beispiel Großbritannien, den Niederlanden, USA oder in Japan gibt es ganz ähnliche rechtliche Voraussetzungen“, so Germanwatch.

Was steckte hinter der Klage?

2015 zog Luciano Lliuya erstmals vor ein Essener Gericht, den Hauptsitz von RWE. Der Kläger führte an, dass der Klimawandel für den rapide schmelzenden Gletscher oberhalb seiner Heimatstadt Huarez in den peruanischen Anden verantwortlich ist, der den weiter unten liegenden Gletschersee füllt und zudem die Gefahr besteht, dass große Eis- und Felsteile in den See stürzen, die eine Flutwelle auslösen könnten. Die Klage sollte den Nachweis erbringen, dass RWE mit seiner klimaschädlichen Wirtschaftsweise den Lebensraum des Peruaners bedroht und anteilig zur Verantwortung gezogen werden kann.

Das Essener Gericht wies die Klage jedoch ab. Zwei Jahre später ließ das OLG in Hamm die Klage wiederum zu. Das Gericht interpretierte einen Paragraphen im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch neu. Paragraph 1004 kommt normalerweise in direkten Nachbarschaftsstreitigkeiten zum Einsatz und regelt, ob Eigentum durch einen Störer beeinträchtigt wird. Das OLG in Hamm entschied, dass der Klimawandel mit seinen grenzüberschreitenden Auswirkungen ein globales Nachbarschaftsverhältnis herbeigeführt hat. Laut Anklageschrift ist RWE für etwa 0,5 Prozent des weltweiten CO₂-Ausstoßes verantwortlich. Daher sollte sich RWE anteilig an Schutzmaßnahmen beteiligen. Anfangs ging es um 17.000 Euro, später noch um 13.000 Euro.

Die Richter:innen des OLG Hamm mussten sich ein eigenes Bild der Lage vor Ort machen. Ein Termin fand Mitte 2022 statt. Der vor Ort Termin in den Anden diente der Beweisführung in zweierlei Hinsicht. Zum einen, ob Haus und Hof wirklich bedroht sind. Und zum anderen, ob diese potenzielle Bedrohung ihre Ursache in den klimatischen Veränderungen hat. Dafür besichtigten die Prozessbeteiligten das Haus von Luciano Lliuya, sowie den Gletscher und Gletschersee oberhalb von Huarez, samt dazu gehörigem Staudamm, der in den Siebzigerjahren gebaut wurde.

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„Die aufgenommenen Beweise sind überwältigend“, so die für die Klage zuständige Rechtsanwältin Roda Verheyen nach dem Termin. Die Beweisführung vor Ort habe klar aufgezeigt, dass nicht nur das Haus von Luciano Lliuya sondern auch die Heimat von 50.000 weiteren Menschen in der Region durch den ansteigenden Gletschersee und mögliche abbrechende Gletscher- und Felsbrocken von einer verheerenden Flutwelle bedroht sind.

Doch nach Auswertung verschiedener Gutachten, weiteren mündlichen Verhandlungen Mitte März mit Saúl Luciano Lliyua vor Ort und letztendlichen Auffassung des OLG ist im spezifischen Fall, also bezogen auf das Hausgrundstück des Klägers, das Risiko von Schäden durch eine Gletscherflut nicht ausreichend hoch. Gutachter der Klägerseite sehen das anders.

RWE erklärte nach dem Urteil, man habe seine Anlagen jederzeit im Einklang mit dem geltenden Recht betrieben. „Es wäre ein unauflöslicher Widerspruch, wenn der Staat CO2-Emissionen erlaubt, gesetzlich im Einzelnen regelt und im Einzelfall sogar fordert, aber gleichzeitig dafür rückwirkend eine zivilrechtliche Haftung anordnen würde.“

Die Klägerseite sieht es jedoch aufgrund des Klagewegs und Urteilsbegründung weiterhin gegeben, dass große Emittenten für die Folgen ihrer Treibhausgasemissionen vor deutschen Gerichten zur Verantwortung gezogen werden können. „Der Druck auf das fossile Geschäftsmodell ist heute gestiegen. Der Finanzmarkt muss jetzt die Risiken der Treibhausgasemissionen der größten Emittenten neu bewerten“, so Christoph Bals, Politik-Vorstand bei Germanwatch. Um eine Vielzahl von Einzelklagen zu vermeiden, müsse die Politik nun die großen Emittenten nach dem Verursacherprinzip verbindlich und geordnet für die angerichteten Schäden und den Schutz vor Risiken zur Kasse bitten. Dies würde auch Saúl und den Menschen in Huaraz am effektivsten helfen. mg

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