Agrarwirtschaft in der KlimakriseGlobale Nahrungsmittelproduktion wird zum Klimakiller

Kühe auf Grasweide vor Windrädern
Eine extensive Weidehaltung wäre klimafreundlicher, ist jedoch mit billiger Massenproduktion nicht vereinbar. Weniger Tiere, viel Platz, naturbelassene Landschaft und saubere Energieerzeugung vor Ort – so sollte Tierhaltung in Zukunft aussehen. (Foto. Colling-architektur / Wikimedia Commons / CC BY-SA 3.0)

Der zunehmende Einsatz von Stickstoffdüngern in der Landwirtschaft lässt die Lachgaskonzentration in der Atmosphäre gefährlich steigen. Das heizt die Klimakrise weiter an. Experten raten dringend zu einem Umstieg auf eine nachhaltige Produktion.

16.10.2020 – Neben der Verbrennung fossiler Brennstoffe trägt auch die Landwirtschaft einen entscheidenden Anteil an Treibhausgas-Emissionen bei. Vor allem durch die Stickstoffdüngung erhöht sich die Konzentration von Distickstoffoxid in der Atmosphäre und heizt die Erderwärmung weiter an. Distickstoffoxid (N2O) oder auch Lachgas genannt gilt neben CO2 und Methan als klimaschädlichstes Treibhausgas, das von menschlichen Aktivitäten freigesetzt wird.

Einer internationalen Studie in der Zeitschrift Nature zufolge steigt dieKonzentration von Lachgas in der Atmosphäre in den letzten Jahren bedrohlich an. Als hauptverantwortlich nennen die Forscher den enormen Düngemitteleinsatz in der Landwirtschaft – weltweit. Da die Nachfrage nach Nahrungs- und Futtermitteln weiter steigen wird, werde entsprechend auch die N2O-Werte weiter nach oben klettern. Das ist auch deshalb alarmierend, weil Distickstoffoxid rund 300-mal so klimaschädlich wie Kohlendioxid sei, berichten die Wissenschaftler. Lachgas verweilt rund 120 Jahre in der Atmosphäre. Es sei dort zwar „nur in Spuren“ vorhanden, doch aufgrund seiner starken Treibhauswirkung trage es auf die Menge bezogen überproportional zum Klimawandel bei.

Die Konzentration an Distickstoffoxid in der Atmosphäre liege bereits heute rund 20 Prozent über dem vorindustriellen Wert. In den vergangenen Jahrzehnten hatte sich der Anstieg beschleunigt, was auf Emissionen aus verschiedenen menschlichen Aktivitäten zurückzuführen sei. Die aktuelle Studie „A comprehensive quantification of global nitrous oxide sources and sinks“ liefert erstmals eine umfassende Bewertung aller Lachgasquellen und -senken. Geleitet wurde sie von Forschern der Auburn University in Alabama/USA, in Deutschland war u. a. das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) beteiligt. Entscheidender Faktor bei der Produktion von Lachgas-Emissionen ist demnach der Einsatz von stickstoffhaltigen Düngemitteln – dazu zählten synthetische Dünger wie organische Dünger aus tierischen Ausscheidungen.

Laut Studie sind die N2O-Emissionen im Raum Süd- und Ostasien sowie Südamerika und Afrika sehr hoch. In Schwellenländern, vor allem China, Indien und Brasilien, geht es steil bergauf mit den Emissionen. In diesen Ländern gab es in den letzten Jahren einen enormen Zuwachs an Ackerbau und Viehzucht. In Europa dagegen seien die anthropogenen N2O-Emissionen zurückgegangen – in der Landwirtschaft und in der chemischen Industrie. Die Forscher führen das auf gezielte Maßnahmen zurück. In vielen westeuropäischen Ländern werde Stickstoff effizienter eingesetzt, um etwa die Wasserbelastung zu reduzieren.

Paradigmenwechsel in der Landwirtschaft notwendig

Doch insgesamt wird auch in Europa im Agrarsektor immer noch viel zu viel emittiert. Dabei geht es nicht nur um das Klima, sondern auch um den Schutz der Biodiversität. Denn die biologische Vielfalt in der Agrarlandschaft ist in den letzten Jahren, selbst in Naturschutzgebieten, stark zurückgegangen. In ihrer Studie „Biodiversität und Management von Agrarlandschaften” geben die deutschen Wissenschaftsakademien Empfehlungen für eine Wende in der Agrarwirtschaft. Der Schutz der Artenvielfalt müsse im Vordergrund stehen – eine komplexe Herausforderung. Auf dem Weg zu einer nachhaltigen Landwirtschaft müssten sowohl die ökonomischen und politischen als auch rechtlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen berücksichtigt werden.

Den wichtigsten Ansatzpunkt sehen die Wissenschaftler in den Subventionszahlungen im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik der Europäischen Union (GAP). Bisher werden Fläche und hoher Ertrag belohnt. In Zukunft sollten die Subventionen an tatsächlich erbrachte und messbare Ökosystemleistungen geknüpft werden. Ein Umbau wäre aber nur dann sinnvoll, so die Studienautoren, wenn auch die größte Emissionsquelle der Landwirtschaft, nämlich die Tierhaltung, in die Maßnahmen einbezogen wird.

Massentierhaltung befeuert die Klimakrise

Zu einem ähnlichen Ergebnis kommen auch Experten des Öko-Instituts. 2018 produzierte der Agrarsektor allein in Europa rund 435 Millionen Tonnen Treibhausgase: Das ist ein Achtel der gesamten EU-Emissionen. Das im selben Jahr vorgelegte Reformpaket der EU-Kommission für die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) gab an, 40 Prozent der GAP-Mittel für den Klimaschutz zur Verfügung zu stellen. Nach 2020 solle die GAP flexibler gestaltet werden, um eine nachhaltige Landwirtschaft zu entwickeln. Eine aktuelle Studie des Öko-Instituts im Auftrag der Umweltorganisation Germanwatch stellt jedoch in Frage, ob die angekündigten GAP-Maßnahmen ausreichen, um Treibhausgase im großen Umfang zu reduzieren. Denn als dickster Emissionsbrocken in der Landwirtschaft gilt die Viehhaltung: Der Methan-Ausstoß von Wiederkäuern hat einen Anteil von 45 Prozent an den Treibhausgasen und zählt laut Studie zu den „schwer vermeidbaren“ Emissionen. Methan lasse sich nur durch eine massive Verkleinerung des Viehbestands reduzieren.

Umweltverbände raten zu verstärktem Anbau von Hülsenfrüchten, zu unproduktiven Flächen, zu Agroforstsystemen, zur flächengebundenen Tierhaltung mit grünlandbasierter Fütterung, zu Weideprämien und extensiver Grünlandnutzung sowie einer moorschonenden Bewirtschaftung. Nur wenn es einen echten Wandel im Agrarsektor gibt, könnten die Emissionen reduziert werden. Und das müssen sie, sonst rücken alle Klimaziele in weite Ferne. Doch damit die landwirtschaftlichen Betriebe die Sache angehen, wären „beträchtliche Anreize“ notwendig, so die Studienautoren. Ein „Weiter-So“ wie bisher wäre Gift fürs Klima, warnt Germanwatch. Dann würde die Landwirtschaft bis 2030 mit einem Anteil der Emissionen von über 20 Prozent zu einer der größten Treibhausquellen in der EU werden. na

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