Klimakrise – Erderwärmung - Extremhitze: Globaler Aufruf für eine konzertierte Kühlungsstrategie

Die Welt kommt immer häufiger in Hitzestress. Kühlung ist kein Randthema mehr, sondern als globales Systemproblem erkannt. Länder sollten nationale Kälteausschüsse und Infrastrukturen einrichten, um die Herausforderungen zu bewältigen.
03.07.2025 – In dieser Woche traf Europa eine Hitzewelle mit Extremtemperaturen. Die Hotspots lagen in Südeuropa, doch auch in Deutschland stiegen die Temperaturen lokal bis 40 Grad. Wiederkehrende Hitzewellen sind Klimawissenschaftlern zufolge ein eindeutiges Merkmal für die globale Erderwärmung.
Durch die fortschreitende Erderwärmung wird die Zunahme von hohen und sehr hohen Temperaturen in ganz Europa immer häufiger zur Gesundheitsgefahr. Allein in den Sommern 2023 und 2024 gab es in Deutschland knapp 6.000 Hitzetote, berichtet das CleanTech-Startup für CO2-neutrale Energie1KOMMA5°. Laut einer Auswertung von Daten des Deutschen Wetterdienstes steigt die durchschnittliche Anzahl an Tagen über 30°C seit den 1980er Jahren kontinuierlich. Während es zwischen 1980 und 1989 im Schnitt lediglich 3,9 heiße Tage pro Jahr gab, sind es seit 2020 bereits 11,4 Tage über 30°C.1 Das ist ein Anstieg um 195 Prozent.
Jahrzehnt der Kühlung
Über 170 Vertreter von Regierungen, Industrie, Wissenschaft und internationalen Organisationen aus mehr als 60 Ländern kamen am 18. Juni zu einer vom International Institute of Refrigeration (IIR) initiierten Veranstaltung in Paris zusammen, um sich auf eine gemeinsame Botschaft zu einigen: Die Kühlung ist kein Randthema mehr, sie ist eine zentrale Infrastruktur. „Dies ist das Jahrzehnt, in dem die nachhaltige Kühlung unsere Gesellschaft prägen wird. Seien wir visionär, seien wir bahnbrechend, und seien wir integrativ", sagte IIR-Generaldirektor Yosr Allouche.
Anlässlich des Weltkältetages am 26. Juni hat das IIR als wissenschaftliche, unabhängige und unparteiische zwischenstaatliche Organisation für die Entwicklung der Kältetechnik alle Länder weltweit dazu aufgerufen, „die Kältetechnik als kritische Infrastruktur für Gesundheit, Lebensmittelsicherheit, Energieeffizienz und Klimaverträglichkeit“ anzuerkennen und die globalen Bemühungen aktiv zu unterstützen, die Kältetechnik an die Spitze der nationalen und internationalen Agenden zu setzen, indem sie den Kältesektor als einen entscheidenden Faktor für nachhaltige Entwicklung und Klimaresilienz anerkennt.
Kältekomitees einrichten
Das IIR fordert die Regierungen zudem auf, Nationale Kältekomitees einzurichten, sektorübergreifende Plattformen, die die Bemühungen um eine nachhaltige Kühlung in allen Anwendungsbereichen koordinieren sollen – von Kryotechnologien und Ultra-Niedrigtemperaturanwendungen bis hin zu Kühlketten für Lebensmittel und Gesundheit, Klimaanlagen und Wärmepumpen. In den jeweiligen Ausschüssen sollten alle relevanten Interessengruppen vertreten sein, so das IIR, um sicherzustellen, dass alle öffentlichen und privaten, technischen und politischen Akteure an der Ausarbeitung wirksamer und umfassender nationaler Kühlstrategien beteiligt sind.
Globaler Wendepunkt
Die Vertreter der Regierungen, von Indonesien über Nigeria bis hin zur Europäischen Union, betonten, wie die Kühlung saubere Energie, Lebensmittelsicherheit und wirtschaftliche Integration unterstützen würde. Die vorgeschlagenen Nationalen Ausschüsse würden Ministerien, den Privatsektor und die Wissenschaft zusammenbringen – um eine kohärente Politik, abgestimmte Investitionen und qualifizierte Arbeitskräfte zu gewährleisten.
Das IIR kündigte zudem den Start des Global Refrigeration Outlook an, einer neuen Berichtsreihe des IIR, die als Leitfaden für Politik, Wissenschaft und Finanzen dienen soll. Führende Unternehmen der Branche präsentierten in Paris skalierbare Innovationen unter Verwendung natürlicher Kältemittel, thermische Integration, innovative Kühlketten und Wärmepumpenlösungen. Es wird teuer, aber es führt kein Weg daran vorbei, mahnten die Akteure – und Fördermaßnahmen werden notwendig.
Klimakrise ist Menschenrechtskrise
Bei einer Diskussion zur Klimakrise beim UN-Menschenrechtsrat in Genf warnte auch UN-Menschenrechtskommissars Volker Türk, dass die Folgen des Klimawandels das Recht auf Leben und Gesundheit bedrohten. Die Hitzewellen müssten die Verantwortlichen dazu veranlassen, die dringend notwendigen Anpassungsmaßnahmen zu ergreifen – um diese Rechte zu schützen. Ein Ausstieg aus fossilen Energieträgern – wie auf der Klimakonferenz COP28 in Dubai zugesagt – sei dafür notwendig und ein beherzter Umstieg auf Erneuerbare Energien.
Gefahr von Hitzedomen – Hitze-Studie warnt
Trotz wachsender globaler Hitzekatastrophen bleibt Deutschland unzureichend auf extreme Hitzeereignisse – insbesondere sogenannte „Hitzedome“ – vorbereitet, warnt auch die Deutsche Allianz Klimawandel und Gesundheit (KLUG e.V.). Bei einem Hitzedom bildet eine besonders stark ausgeprägte Hochdruckzone in der Atmosphäre eine „Kuppel“, die die Hitze über einem bestimmten Gebiet einschließt. Auch in Mitteleuropa wären solche Wetterlagen möglich, mit dem fortschreitenden Klimawandel werden sie sogar immer wahrscheinlicher.
„Die gesundheitlichen Gefahren von Hitze werden oft unterschätzt, sie sind aber erheblich, im schlimmsten Fall kann der Kreislauf versagen“, sagt Dr. Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer. Er betont, dass noch wesentliche Bausteine für eine Hitzeschutz-Infrastruktur fehlten. „Die bisherigen Hitzeaktionspläne sind nicht ausreichend auf diese extreme Hitzeszenarien ausgerichtet“, sagt Dr. Martin Herrmann, Vorstandsvorsitzender von KLUG. „Klare Zuständigkeiten im Katastrophenfall fehlen und Wege, um Schutzmaßnahmen so hochzuskalieren, dass sie alle erreichen, die sie brauchen. Ein flächendeckender, gestufter Notfallplan, der auch vulnerable Gruppen berücksichtigt, ist wirklich überfällig.“
Besonders gefährdet sind in Hitzeperioden ältere Menschen, chronisch Kranke, Obdachlose, Schwangere und Kleinkinder. Herrmann schlägt vor, Schutzkonzepte auf sie zu fokussieren. Denkbar seien Maßnahmen wie bspw. klimatisierte Hitzeschutzräume in Wohnquartieren und frühzeitige Versorgung mit Kühlhilfen.
Namhafte Experten fordern daher in einer aktuellen Übersichtsarbeit ein schnelles, abgestimmtes und vorausschauendes Handeln von Bund, Ländern und Kommunen, um hitzebedingte Todesfälle in Zukunft zu verhindern. „Ein Hitzedom in Deutschland ist keine abstrakte Bedrohung, sondern eine reale Gefahr. Wer jetzt nicht handelt, riskiert Menschenleben“, warnt Prof. Clemens Becker, Erstautor der Hitze-Studie.
Nachhaltige Gebäudekühlung wird ein notwendiger Teil der Klimaanpassung
„Der Klimawandel ist längst Realität“, sagt auch Jannik Schall, Mitgründer und CPO von 1KOMMA5°. „Wie in Südeuropa schon gängige Praxis, muss auch Deutschland mehr für den Hitzeschutz tun. Klimaanlagen sind dabei keine reine Komfortlösung mehr, sondern Teil einer klimafesten Infrastruktur. Vor allem, wenn sie effizient und in Kombination mit Photovoltaikanlagen fast klimaneutral betrieben werden.“
Im Beispiel verbraucht eine moderne, effiziente Klimaanlage bei sechs Stunden Betrieb an 70 Sommertagen rund 319 Kilowattstunden Strom im Jahr. Zum Vergleich: Allein die Warmwasserbereitung eines Vierpersonenhaushalts verbrauche dreieinhalb Mal mehr Strom im Jahr, so Schall. Ohne Solaranlage und bei einem Strompreis von 35 Cent pro Kilowattstunde koste der Betrieb der Klimaanlage etwa 112 Euro pro Jahr. Wer tagsüber eigenen Solarstrom nutzt, um die Klimaanlage zu betreiben, könnte daher die Kosten auf knapp 38 Euro im Jahr senken, rechnen die Energieexperten vor.
Kühlung mit der Sonne
„Wer eine PV-Anlage mit seiner Klimaanlage verbindet, kühlt sein Haus mit der Energie der Sonne“, sagt Energieexperte Schall. „Das verursacht kaum Emissionen und entlastet gleichzeitig das Stromnetz. Mit einer Klimaanlage steigt der Eigenverbrauch häufig dann, wenn auch viel Solarstrom produziert wird. Dadurch wird weniger Energie ins lokale Netz eingespeist, Erzeugungsspitzen der Solaranlage werden abgefedert“ – und davon profitierten alle, meint Schall. na