HochwasserJetstream sorgt für ein Tiefdruckgebiet nach dem anderen

Fahrradständer und ein Fahrrad halb unter Wasser. Eine Ente schwimmt dran vorbei
Hochwasser in vielen Regionen Deutschlands, wie hier am Main bei Aschaffenburg (Bild: Thomas M, flickr, CC BY-ND 2.0 Deed)

Wieder einmal ist es eine besondere Jetstream-Lage, die das aktuelle Hochwasser in Deutschland entscheidend beeinflusst. Jedoch stellt sie sich anders dar als in vergangenen Extremwetterlagen. Der Klimawandel spielt trotzdem eine Rolle.

05.01.2024 – Es hört nicht auf. Beständig fallen die Wassermassen vom Himmel. Vor allem weite Teile Niedersachsens sind von Dauerregen betroffen. Zwar sind die Regenmassen seit Weihnachten besonders ergiebig. Das Drama bahnte sich aber bereits vorher an. Die im West-Harz gelegenen Talsperren etwa waren schon am 20. Dezember zu 88 Prozent gefüllt, wie die Harzwasserwerke mitteilten. Das ist 18 Prozent mehr als der Durchschnitt der letzten 30 Jahre. Im letzten Jahr waren die Harzer Speicherbecken sogar nur zu 42 Prozent gefüllt. Schon im Oktober und vor allem im November gab es überdurchschnittlich starke Niederschläge.

Hauptgrund für den aktuellen Dauerregen ist wieder einmal eine besondere Jetstream-Lage. Der Jetstream ist ein Windband in der Troposphäre, etwa zehn Kilometern über der Nordhalbkugel, das normalerweise in wellenförmigen Bewegungen Hoch- und Tiefdruckgebiete über die Kontinente transportiert. In der jüngeren Vergangenheit schwächelte dieser häufig, was zu anhaltenden Wetterlagen führte, in denen sich Hitzewellen und Starkregenereignisse aufstauten.

Wissenschaftler:innen stellten die These auf, dass die Abschwächung des Jetstreams eine Folge der Globalen Erwärmung sein könnte, da die wellenförmige und gleichmäßige Bewegung auch eine Folge des Ausgleichs von Temperaturunterschieden zwischen dem Nordpol und tropischen Gefilden am Äquator ist. Der Nordpol erwärmt sich jedoch schneller als die Tropen. Der geringere Temperaturunterschied könnte zu einer Abschwächung des Jetstreams führen, so die Annahme, der zudem stärker ausschweift, im Fachbegriff mäandert.

Konträre Lage

Der aktuelle Dauerregen jedoch ist Folge einer völlig konträren Jetstream-Lage. Ein deutlich schnellerer und flacherer Jetstream sorgt dafür, dass ein Tiefdruckgebiet nach dem anderen über uns hinwegfegt. Angefeuert durch wärmere Meere und sogenannten atmosphärischen Flüssen. Christian Herold, Meterologe vom Deutschen Wetterdienst, erklärt dieses Phänomen genauer: „In diesem Fall zapft der Jetstream viel feuchte, subtropische Luft an, mit einem hohen Wassergehalt, die das nasse Wetter hierzulande zusätzlich verstärken.“ Der aktuelle Dauerregen sei auf ein ohnehin von Schnee und Regen bereits gesättigtes Land getroffen, so Herold im Gespräch mit der energiezukunft.

Die aktuelle Jetstream-Lage rührt wahrscheinlich aus Prozessen über der Troposphäre. Die Stratosphäre ist die zweite Schicht der Erdatmosphäre, die ab einer Höhe von 8 (an den Polen) bis 18 Kilometer (am Äquator) beginnt und mit der Ozonschicht die Lufttemperaturen auf der Erde entscheidend beeinflusst. In dieser Höhe sammelt sich im Winter, bedingt durch geringere Sonneneinstrahlung, an den Polen Kaltluft an, die zu einem stratosphärischen Polarwirbel werden und Tiefruckgebiete sowie einen stärkeren und flacheren Jetstream begünstigen.

„Die Theorie, dass der Jetstream grundsätzlich durch den Klimawandel langsamer wird, ist inzwischen hochumstritten. Dafür wirken sich auf den Jetstream zu viele verschiedene Prozesse aus“, so Herold. Das bestätigt auch Karsten Haustein, Experte für Atmosphärische Strahlung von der Universität Leipzig.

Keine signifikante Veränderung

Langanhaltende Wetterlagen, wie Hitzewellen, bedingt durch einen schwächelnden Jetstream, würden größere mediale Aufmerksamkeit erfahren, so Haustein gegenüber der energiezukunft. „Aber aus wissenschaftlicher Perspektive, wenn man sich die Statistik ansieht, dann ist in den letzten Jahren keine signifikante Veränderung zu beobachten, auch wenn physikalische Prozesse für einen schwächelnden Jetstream sprechen.“ Was die Attributionsforschung jedoch deutlich zeige: Die Erwärmung der Meere führt zu einer Zunahme an Niederschlag bei vergleichbaren Wetterlagen.

Denn steigende Meerestemperaturen erhöhen die Verdunstung, was zu feuchterer Luft führt. „Wir reden von rund sieben Prozent mehr Niederschlag bei einer Zunahme der Meeresoberflächentemperatur von einem Grad“, so Haustein. Die für unsere Breitengerade, Jetstream und damit Wetterlagen entscheidende mittlere Oberflächentemperatur des Nordatlantik betrug im Dezember 21,82 Grad Celsius und damit exakt ein Grad über dem langjährigen Mittel zwischen 1982 und 2011. Manuel Grisard

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