Emissionsminderung: Klimaschutz-Zertifikate liefern nicht

In Emissionsgutschriften ist erheblich weniger Klimaschutz drin als draufsteht. So werden mehr Zertifikate geschaffen und gehandelt, als Emissionen reduziert werden. Auch im zukünftigen globalen Kohlenstoffmarkt könnte das zum Problem werden.
18.11.2024 – Klimaschutzprojekte, mit denen Emissionsgutschriften produzierten werden, gleichen häufig deutlich weniger Emissionen aus als angegeben. Das bestätigt eine Metastudie, die diese Woche im Journal Nature Communications erschienen ist.
Es gibt drei Wege, Emissionen zu bepreisen: CO2-Steuern, Emissionshandelssysteme wie zum Beispiel das europäische ETS, und handelbare Emissionsgutschriften. Letztere sollen Emissionen dadurch ausgleichen, dass an anderer Stelle weniger CO2 ausgestoßen wird als in einem festgelegten Referenzrahmen angenommen. Dies kann etwa durch Aufforstungsprojekte oder den Ausbau Erneuerbarer Energien erreicht werden. Die so erstellten Carbon Credits können Unternehmen helfen, ihre Klimaschutzziele zu erreichen. Auch Privatpersonen können Carbon Credits erwerben, etwa um Emissionen aus Flugreisen auszugleichen.
Klimazertifikate sind bereits seit einiger Zeit in Verruf geraten. Ohne vergleichbare Standards ist es schwer, festzustellen, ob durch Projekte tatsächlich die versprochenen Emissionen eingespart wurden. Mehrere Studien wiesen darauf hin, dass Emissionsminderungen geringer ausfielen als versprochen.
Emissionsgutschriften weitgehend wirkungslos
Die Meta-Studie untersuchte 65 Studien mit Fokus darauf, ob Emissionen tatsächlich zusätzlich reduziert werden konnten. Für verschiedene Projektkategorien wurde dann der Erfüllungsgrad bewertet. Insgesamt analysierten die Forscher so Gutschriften für Klimaschutzprojekte im Umfang von fast einer Milliarde Tonnen CO2-Äquivalent.
Die Ergebnisse waren ernüchternd. Durchschnittlich erreichten die Projekte nur 16 Prozent der angestrebten Emissionsreduktion. Es wurden also etwa sechsmal weniger Emissionen reduziert als angegeben. Den höchsten Anteil vermiedener Emissionen erreichten Projekte zur Vermeidung von Fluorkohlenwasserstoff, während Projekte zum Windkraftausbau gar keine zusätzliche Emissionsminderung erreichten.
Forscher empfehlen dringend, die Anrechnung von Emissionen zu reformieren. „Das System setzt die falschen Anreize“, kritisiert Carsten Warnecke, Experte für internationale Kohlenstoffmärkte und Klimapolitik, New Climate Institute, Köln. Die Projektentwicklung erfolge im Rahmen eines marktbasierten Ansatzes. „Der Markt ist darauf trainiert, dass vermeintlich gleiche Ergebnis zu den geringstmöglichen Kosten zu erreichen.“ Dies seien unweigerlich die günstigsten Minderungsoptionen. Gleichzeitig entschieden sich Marktteilnehmer bei Abwägung der Risiken und Chancen zu Regelbrüchen, wenn diese nicht hart sanktioniert würden.
Gleichzeitig wirken sich viele Projekte auf vielfältige Weise positiv auf den Klimaschutz aus. Naturbasierte Lösungen sind meist No-Regret-Optionen, also gut für Mensch, Umwelt und Klima; auch, wenn sich ihr genaues CO2-Minderungspotenzial nur schwer einordnen lässt. Empfehlenswert wäre allerdings, sie zusätzlich umzusetzen.
Emissionen global ausgleichen
Zum Auftakt der Klimakonferenz in Baku verkündete der Präsident der COP29, dass ein neu entstehender globaler Kohlenstoffmarkt ganz ähnlich geregelt werden soll wie die Carbon Credits. Dabei wurden zwar neue Standards für die Bewertung von Emissionsminderungs- und Entnahmeprojekten festgelegt. Es liegt jedoch nahe, dass der zukünftige zwischenstaatliche Handel mit Emissionsgutschriften an ähnliche Grenzen stößt.
„Dieses System ist nicht kompatibel mit den Anforderungen, die das Pariser Klimaschutzabkommen an alle Unterzeichnerstaaten stellt. Die Projektentwicklung muss daher unabhängig von Marktkräften und deren Zwängen erfolgen. Das ist aber nicht erwünscht. Gleichzeitig haben die letzten 20 Jahre gezeigt, dass ein durchsetzbares Regelwerk auf internationaler Ebene in diesem Bereich reines Wunschdenken ist“, meint Warnecke.
NGOs kritisierten nach der Einigung auf der COP29 weiterhin, es sei nicht diskutiert worden, welche Kriterien und Standards bei Carbon Credits eingehalten werden müssten. Befürchtet wird unter anderem, dass Menschenrechte in Ländern des Globalen Südens für Carbon-Credit-Projekte verletzt werden könnten. jb