Bundestagswahl: Klimastreik fordert Politik für Klimaschutz und Energiewende

Die Klimakrise war im Wahlkampf bisher kaum Thema. Heute gehen in ganz Deutschland Menschen auf die Straße, um für mehr Klimaschutz zu demonstrieren. Der Klimastreik ruft dazu auf, Klimaleugnern und Rechtsradikalen nicht den Diskurs zu überlassen.
14.02.2025 – Am heutigen Freitag ruft die deutsche Sektion der internationalen Klimastreik-Bewegung Fridays For Future dazu auf, für Klimaschutz und eine lebenswerte Zukunft auf die Straße zu gehen. Die Aktivisten fordern von den Parteien, die Klimakrise ernst zu nehmen und dies auch zu kommunizieren. Notwendig sei eine Klimapolitik, die auf wissenschaftlichen Fakten basiere und alle Menschen mitnehme.
„Nicht nur, dass die Klimakrise in den letzten Monaten kaum eine Rolle gespielt hat, noch viel schlimmer, die öffentliche Debatte drehte sich nahezu nur um die Themen der Rechten“, kritisiert das Klimabündnis. Den Rechten dürfe nicht Bühne und Debatte überlassen werden. „Es steht viel auf dem Spiel: Wir können gewinnen – aber auch alles verlieren.“
Demonstrationen gegen Rechts
Angestoßen durch eine Debatte um Migration im Bundestag fanden in ganz Deutschland in den vergangenen Wochen zahlreiche Demonstrationen gegen Rechts statt.
Friedrich Merz hatte im Bundestag einen sogenannten Entschließungsantrag zur Migration eingebracht. Dabei handelte es sich nicht um ein Gesetz, sondern um eine Positionserklärung des Parlaments. Der Antrag enthielt Elemente wie eine grundsätzliche Zurückweisung von Menschen an deutschen Grenzen, auch, wenn diese Asyl suchen wollten. Da dies weder mit deutschem noch mit EU-Recht vereinbar wäre, schien von Beginn an klar, dass SPD und Grüne dem Antrag nicht zustimmen würden, und eine Mehrheit nur mit Stimmen der AfD möglich wäre. Der CDU-Chef nahm dies billigend in Kauf und brach damit eine langstehende Absprache der demokratischen Parteien im Parlament, nicht mit der AfD zusammenzuarbeiten, die in Teilen als gesichert rechtsextrem gilt. Parteichef Merz hatte die Absprache von Seiten der CDU/CSU noch im November vergangenen Jahres ausdrücklich im Bundestag bestätigt – um sie im neuen Jahr scheinbar mit voller Absicht und ohne Skrupel zu brechen. Der Antrag wurde am Nachmittag des 28. Januar unter Jubel der AfD angenommen, nachdem das Parlament noch am Morgen den 80 Jahrestag der Befreiung von Auschwitz gedacht hatte.
Aus Protest gegen die Abstimmungen zur Migrationspolitik gab der Holocaust-Überlebende Albrecht Weinberg sein Bundesverdienstkreuz zurück. In den letzten zwei Wochen gingen deutschlandweit hunderttausende Menschen auf die Straße, um gegen den Rechtsruck und Koalitionen zwischen demokratischen Parteien und der AfD zu protestieren. Ihnen zur Seite stellte sich auch der bekannte Publizist und ehemaliges Mitglied des CDU-Bundesvorstands Michel Friedman, der in Reaktion auf den Tabubruch nach über 40 Jahren aus der Partei ausgetreten war. Klima- und Demokratiebündnisse fordern seither gemeinsam mehr Fokus auf eine demokratische Debatte und zukunftsorientierte Klimapolitik.
Klima im Wahlkampf kein Thema
Trotz allem war die Klimakrise im Bundestagswahlkampf bisher kaum Thema. Das zeigte sich auch beim TV-Duell von Olaf Scholz (SPD) und Friedrich Merz (CDU) in der vergangenen Woche. Das Netzwerk Klimajournalismus kritisiert, dass in der 90-minütigen Debatte keine einzige Frage zur Klimakrise gestellt wurde. Das Thema Klima erhielt dort ganze 97 Sekunden Sendezeit.
Parteien seien nicht gefragt worden, ob und wie sie die Klimaziele einzuhalten gedenken. Stattdessen wurde Merz auf seinen Kommentar angesprochen, Windräder seien hässlich, und nach den Kosten der CO2-Bepreisung gefragt. Die kostspieligen Schäden durch die Klimakrise wurden nicht erwähnt. Dabei gehört die Klimakrise zu den größten Bedrohungen für Wirtschaft und Wohlstand. Zunehmende Extremwetter verursachten laut Rückversicherer Munich Re allein im vergangenen Jahr Schäden im Wert von 320 Milliarden Dollar, und kosteten hunderttausende Menschenleben.
Klimaleugnern und Rechtsradikalen nicht den Diskurs überlassen
Die Programme von SPD und auch CDU enthalten durchaus Klimaschutzmaßnahmen, öffentlich diskutiert werden diese jedoch kaum. In der letzten Bundestagsdebatte Anfang der Woche stellte lediglich Robert Habeck seine Zukunftsagenda für Deutschland vor. Damit ist das Bündnis 90/Die Grünen die einzige Partei, die mit ihrer Klimaschutzagenda offen Wahlkampf macht.
Die Fridays kritisieren, dass FDP und CDU Rückschritte beim Klimaschutz planten, während SPD und Grüne ihre Klimaschutzpolitik zu verstecken suchten. Adäquate Antworten auf die Klimakrise liefere bisher keine Partei.
In einem offenen Brief an die neue Bundesregierung rufen Fridays For Future dazu auf, das Klima nicht den Rechten zu überlassen. „Überall auf der Welt bekämpfen Rechtsradikale demokratische Grundwerte und Klimaziele gleichermaßen“, heißt es darin. Rechtsradikale hetzten gegen Demokratie und Klimaschutz, und demokratische Parteien der Mitte machten mit bei der Polemik, oder blieben stumm. „Je leiser die demokratischen Parteien dazu werden, desto einseitiger diktieren die Klimaleugner und Rechtsradikalen den Klimadiskurs.“ Die Klimakrise im Wahlkampf nicht zu thematisieren sei unverantwortlich und lasse Menschen wissentlich im Dunkeln über die größte Herausforderung der Zeit. „Wer auch immer in den nächsten vier Jahren regieren wird, wird in nie dagewesenem Ausmaße Klimaschutz und Klimaanpassung umsetzen müssen – um Menschen zu schützen, Katastrophen zu verhindern und internationale Abkommen einzuhalten.“ Von der zukünftigen Regierung fordern die Akteure einen verantwortungsvollen Umgang mit der Klimakrise, Lösungen statt Polemik, und Menschen für weniger statt mehr Zerstörung zu gewinnen.
Zurück in die Zukunft
Wahlumfragen sehen derzeit die CDU/CSU bei der Bundestagswahl vorn. Zu den Sofortmaßnahmen, mit denen die Partei Wahlkampf macht, gehört, das langwierig ausdiskutierte Heizungsgesetz sowie das Verbrenner-Aus zurückzunehmen. Das Heizungsgesetz sorgt unter anderem für einen sozialen Ausgleich der steigenden CO2-Kosten. Eine reine Marktlösung durch den CO2-Preis führt hingegen zu drastischen Mehrkosten für alle Haushalte. Ohne ein Verbrenner-Aus sind die Klimaziele im Verkehrssektor, die bereits in den vergangenen zwei Jahren gerissen wurden, kaum einzuhalten. Wohlgemerkt, es geht hier um Neuzulassungen ab dem Jahr 2035, nicht um das Verbot bereits zugelassener Fahrzeuge.
Über die Hälfte der Deutschen geht nicht davon aus, dass Friedrich Merz die richtigen Antworten auf die Klima- und Biodiversitätskrise findet, zeigt eine Studie im Auftrag des BUND. „Mit Ideen von gestern und ohne wirksame Konzepte hat die Union derzeit keine Antworten auf die Klima- und Biodiversitätskrise“, kritisiert Olaf Bandt, BUND-Vorsitzender. Merz verunsichere die Menschen und die Wirtschaft „Das ist unverantwortlich und schadet dem Klimaschutz und dem Vertrauen in die Politik. Wir brauchen einen klaren Plan, wie Klimaschutz gelingen kann und wie wir Menschen für den Naturschutz gewinnen. Dabei muss klar sein, wie alle Menschen die notwendige Unterstützung bekommen, damit sie teilhaben können.“
CDU/CSU reagierten auf Kritik von Klima- und Demokratiebündnissen mit Abwertung und Drohungen. CDU-Fraktionsvize Mathias Middelberg warnte gemeinnützige Organisationen, sie riskierten mit Protesten gegen die Linie der CDU ihren finanziellen Sonderstatus.
CSU-Chef Markus Söder verwirrt derweil mit der Forderung, den Atomausstieg rückgängig zu machen. Die drei zuletzt in Deutschland abgeschalteten Atomkraftwerke Neckarwestheim II, Isar 2 in Bayern, und Emsland in Niedersachsen sollten wieder in Betrieb gehen. Söder behauptet, dies sei nach Expertenmeinung möglich, und fördere die Energiesicherheit. Seine Quellen nennt er allerdings nicht. Die ehemaligen Betreiber der AKWs hielten eine Reaktivierung zuletzt offiziell nicht für möglich, da Mitarbeiter fehlten, und der Rückbau bereits laufe, berichtet die Tagesschau. Der von den AKWs produzierte Strom wurde nach dem Atomausstieg innerhalb eines Jahres bei sinkenden Emissionen vollständig durch Erneuerbare Energien kompensiert, auch Schreckensszenarien auf dem Strommarkt sind nicht eingetreten.
#Soederchallenge
Der Comedian und Kleinkünstler Marc-Uwe Kling konterte Söders Vorstoß mit einem Gegenvorschlag. Er fordert Söder auf, einen Betreiber zu finden, der ohne staatliche Zuschüsse und auf eigenes marktwirtschaftliches Risiko ein Atomkraftwerk bauen und betreiben, sowie eine Gemeinde, die das AKW samt Endlager bei sich ansiedeln will. Sollte ihm dies gelingen, verspricht Kling, ihm ein Loblied zu schreiben und mit einer Stunde Comedy über Robert Habeck durch Schleswig-Holstein zu touren. Inzwischen haben sich weitere Künstler angeschlossen: Comedians Oliver Kalkofe und Sarah Bosetti versprechen Söder Liebesgedichte und Musiker, Kabarettist und Diplom-Ingenieur Konstantin Schmidt gar „Markus Söder – Das Musical“. Kling gehört zu den Erstunterzeichnern des offenen Briefs von Fridays For Future und ist bereits bei zahlreichen Klimademonstrationen aufgetreten.
Klimapolitik gestalten
Fridays For Future fordert seit Jahren, dass Deutschland das Pariser Klimaabkommen konsequent umsetzt. In Deutschland setzen sie sich dafür ein, bereits bis 2030 aus der Kohleverstromung auszusteigen, Subventionen für fossile Energieträger zu beenden und 100 Erneuerbare Energien und das Nettonull-Ziel schon 2035 zu erreichen, sowie eine angemessene CO2-Steuer auf alle Treibhausgasemissionen.
Neu zur Bundestagswahl 2025 fordern sie jährlich 300.000 neue Jobs für die Klimawende, Klimaneutralität bis 2035, einen klaren Plan für einen Gasausstieg bis 2035, eine Steuer für Superreiche und fossile Konzerne, eine Mobilitäts- und Wärmegarantie für alle, sowie einen Fond für Klimaanpassung und Katastrophenhilfe. Julia Broich