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KlimakriseKollaps des Golfstroms unwahrscheinlich

Felsige Küste an einem regnerischen Tag.Blick aufs raue Meer
Atlantischer Ozean vor der Küste Irlands: Hier zieht die AMOC vorbei (Foto von Patrick Schöpflin auf Unsplash)

Entgegen früheren Studien zeigt sich, der Golfstrom ist widerstandsfähiger als gedacht. Statt dem Kollaps, ist nur noch eine Abschwächung wahrscheinlich. Doch auch die kann gravierende Folgen haben.

03.02.2025 – Eine letzte Woche veröffentlichte Modellierungsstudie von Forscher:innen der University of Exter sorgt für Aufsehen. Weitere Expert:innen auf dem Gebiet bewerten den gewählten Forschungsansatz positiv. In der Studie zeigte sich: die sogenannte Atlantische meridionale Umwälzzirkulation (AMOC), zu der auch der Golfstrom gehört könnte widerstandsfähiger seien als bislang angenommen. Der in einigen Studien angenommene Kollaps erscheint unwahrscheinlich. Eine durch den menschengemachten Klimawandel hervorgerufene Abschwächung der Strömung gilt aber als sicher.

Einem Förderband gleich, transportiert die Strömung an der Wasseroberfläche sehr warmes und salzhaltiges Meereswasser gen Norden, was entscheidend für die relativ milden klimatischen Verhältnisse auf der Nordhalbkugel ist. Auf der Nordhalbkugel kühlt das Meereswasser ab, sinkt mit zunehmender Dichte ab und die Umwälzströmung transportiert das kühlere Wasser wieder zur Südhalbkugel, wo es einen kühlenden Effekt auf das Klima hat. Die allgemein bekannte Bezeichnung „Golfstrom“ ist nur ein Teil der AMOC.

Seit den 2010er Jahren verdichten sich die Hinweise auf eine Abschwächung der AMOC. 2018 veröffentlichten Forscher:innen des Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) Ergebnisse, wonach sich die Strömung seit Mitte des 20. Jahrhunderts um 15 Prozent abgeschwächt hat. 2021 bestätigten Wissenschaftler:innen des PIK, dass die Abschwächung Folge der Süßwasserzufuhr durch schmelzendes Eis in der Arktis ist. Süßwasser ist leichter als Salzwasser und verringert die Tendenz des Wassers im Nordatlantik, von der Oberfläche in größere Tiefen abzusinken – was die Umwälzung eigentlich antreibt.

Eine vor rund einem Jahr veröffentlichte und breit angelegte Studie anhand komplexer Computersimulationen zeigte: Der Zeitpunkt des sogenannten Kipppunktes – wenn die Strömung versiegt – sei zwar unklar, aber dass ein solches Ereignis eintreten könne, würden die Daten klar belegen. Die Forscher:innen maßen unter anderem den Salzgehalt im südlichen Teil des Atlantiks und stellten davon ausgehend Computersimulationen zu dessen Rückgang an. Bei einem Kollaps könnten die Temperaturen in einigen Teilen Europas innerhalb eines Jahrhunderts um bis zu 30 Grad sinken.

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Auf der Nordhalbkugel würde es bis zu 30 Grad kälter werden, auf der Südhalbkugel deutlich wärmer als jetzt schon. Küstenstädte würden überflutet. Die Anzeichen für einen dramatischen Kipppunkt der atlantischen Strömungen verdichten sich.

Eine Studie von August 2024 verwies jedoch auf große Unsicherheiten zur Vorhersage eines Kollapses. Die letzte Woche erschiene Studie sieht diesen nun als sehr unwahrscheinlich an. Und das selbst bei extremen Szenarien. Die Forscher:innen aus Exter analysierten mithilfe von 34 Klimamodellen, wie sich die AMOC unter extremen Bedingungen entwickelt – darunter eine Vervierfachung des atmosphärischen CO2-Gehalts und ein massiver Zustrom von Schmelzwasser aus Grönland. In allen Simulationen schwächte sich die AMOC erheblich ab, ein vollständiger Kollaps wurde jedoch nicht beobachtet.

Den verhinderte der windgetriebene Aufstieg von Tiefenwasser im Südlichen Ozean. Dem physikalischen Gesetz der Massenerhaltung folgend – wonach die Gesamtmasse in einem abgeschlossenen System konstant bleibt – kann Wasser an einer Stelle nur aufsteigen, wenn es an anderer Stelle absinkt.

Wichtiger Beitrag, mit robusten Erkenntnissen

Mit der Thematik befasste Expert:innen halten die Ergebnisse für robust und wichtigen Beitrag zur Debatte. Laut Jens Terhaar, leitender Wissenschaftler in der Abteilung Klima und Umweltphysik, Forschungsgruppe Modellierung der Biogeochemie und des Ökosystems des Arktischen Ozeans, an der Universität Bern, Schweiz, argumentiere die Studie anders als viele andere Studien. „Statt sich auf die Region im Nordatlantik zu konzentrieren, in der Tiefenwasser gebildet wird, schauen sich die Autoren an, wieviel Tiefenwasser im Südlichen Ozean wieder an die Oberfläche kommt. Solange Wasser dort an die Oberfläche kommt, muss woanders Tiefenwasser gebildet werden. In den meisten Modellen ist dies nur im Nordatlantik möglich. Dadurch muss die AMOC bestehen bleiben.“ Diese intuitive Annahme werde in der Methodik der Studie zu einer robusten Annahme.

Terhaar und andere weisen aber auch auf die in der Studie ermittelten extremen Abschwächungen der AMOC von bis zu 80 Prozent hin. „Ob es dann am Ende ein Kollaps oder eine sehr starke Abschwächung ist, macht für die Auswirkungen dieser Veränderung am Ende kaum keinen Unterschied. Beides wäre mit extremen Folgen verbunden und man sollte alles unternehmen, um dies zu vermeiden“, so Terhaar.

Stefan Rahmstorf Leiter des Forschungsbereiches Erdsystemanalyse, Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK), und Professor für Physik der Ozeane, Institut für Physik und Astronomie an der Universität Potsdam, sieht die Studie nicht im Widerspruch zu früheren, etwa des PIK. Der falsche Eindruck, dass die neue Studie früheren Ergebnissen widerspreche, könne leicht durch die unterschiedliche Verwendung des Begriffs ‚AMOC-Kollaps‘ entstehen. „In der neuen Studie bedeutet dieser Begriff, dass es im Nordatlantik nördlich des Äquators unterhalb von 500 Meter Tiefe keine oder negative Umwälzungen gibt, während in früheren Studien dieser Begriff für Zustände mit stark geschwächter AMOC verwendet wurde“, so Rahmstorf.

Ein schwächer werdender AMOC könnte zum Beispiel dazu führen, dass der Meeresspiegel entlang der US-Ostküste um bis zu 30 Zentimeter steigt, da die bestehende Strömung das Meer in der westlichen Atlantikregion normalerweise tiefer hält. In Europa würde es deutlich kälter und womöglich auch trockener werden, was vor allem die Landwirtschaft gefährdet. In der südlichen Hemisphäre könnten sich die Regengebiete der Tropen verschieben. Das würde die ohnehin schon zunehmende Trockenheit in Sahel und Amazonasgebiet weiter verstärken. mg

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