Klimagerechtigkeit: Schuldet Deutschland Kamerun eine Entschädigung?

Die reichen Länder produzieren die meisten Emissionen, doch Entwicklungsländer leiden am stärksten unter der Klimakrise. Sollte Deutschland der ehemaligen Kolonie Kamerun Klimareparationen zahlen? Die NGO Konzeptwerk Neue Ökonomie hat Argumente.
02.05.2025 – Überschwemmungen, Starkregenfälle und außerordentlich schwere Regenzeiten – der Klimawandel macht Kamerun wie vielen anderen Ländern der Südhalbkugel zu schaffen. Es sind Tote zu beklagen, Schulen und Straßen wurden zerstört, Ernten gingen verloren. Wie viele Entwicklungsländer ist Kamerun überdurchschnittlich stark von den Folgen des menschengemachten Klimawandels betroffen. Gleichzeitig haben diese Staaten nicht genügend Ressourcen, um die beschädigte Infrastruktur wieder aufzubauen, Geschädigten Ausgleichszahlungen zu leisten oder sich gegen weitere Unwetter zu wappnen. Die finanzielle Misere und Verschuldung der Entwicklungsländer ist auch eine Folge des Kolonialismus und der bis heute andauernden ungleichen Wirtschaftsbeziehungen.
Frage nach Klimaschuld
Tragen die Industrieländer und in diesem Fall Deutschland eine Art Klimaschuld? Wäre es angemessen, finanzielle Reparationen zu zahlen? Immerhin beherrschte Deutschland Kamerun von 1884 bis 1919, entließ das Land dann jedoch nicht in die Unabhängigkeit. Vielmehr musste Deutschland durch die Niederlage im Ersten Weltkrieg seine Ansprüche an den Völkerbund abtreten, der seinerseits Kamerun als Mandatsgebiet unter die Verwaltung Frankreichs und Großbritanniens stellte.
Die Nichtregierungsorganisation Konzeptwerk neue Ökonomie in Leipzig argumentiert, dass Deutschland durch die Zerstörung der kamerunischen Wälder und der Sozialstrukturen eine Mitschuld trägt an den schweren Klimaschäden in dem afrikanischen Land. Daher sei es angemessen, Entschädigungen zu zahlen.
Schäden in Milliardenhöhe
Wie hoch sollten diese ausfallen? Das Konzeptwerk neue Ökonomie hat versucht, die Klimaschuld Deutschlands gegenüber Kamerun zu quantifizieren. Dazu ziehen sie Datensätze wie die gesellschaftlichen Kosten von Kohlendioxid, die Treibhausgasemissionen von Deutschland und Kamerun, die Treibhausgaskonzentration in der Atmosphäre sowie die Bevölkerungszahlen der beiden Länder heran. Im Ergebnis kommt die Nichtregierungsorganisation auf einen Betrag von 38 Mrd. Euro im Zeitraum von 1990 bis 2020.
Komplexe Berechnung
Die Organisation stellt diese Berechnung unter Vorbehalte. So geht die Berechnung von einer linearen Beziehung zwischen den Folgen der Erderwärmung und den sozialen Kosten aus. Es könnte jedoch sein, dass die Kosten exponentiell ansteigen, wenn gewisse Grenzwerte überschritten werden.
Außerdem ist es nicht einfach, eine plausible Messung einer „Klimaschuld“ zu erstellen. Denn die Kosten der Kohlendioxid-Belastung und die Folgen des Klimawandels sind weltweit unterschiedlich verteilt. Auch die soziale Anpassungsfähigkeit ist nicht gleich. So zählt Kamerun zu den 55 am stärksten betroffenen Ländern laut der Notre Dame Global Adaptation Initiative, Deutschland hingegen zu den zehn am wenigsten gefährdeten. Das Konzeptwerk neue Ökonomie räumt selbst ein, dass eine monetäre Berechnung einer Klimaschuld unsicher sei und außerdem reduktionistisch, da es nicht alle Ungerechtigkeiten ausgleichen könnte.
Entwicklungszusammenarbeit unzureichend
Nach Meinung der Leipziger gleicht die gegenwärtige bilaterale Entwicklungszusammenarbeit mit Kamerun die Klimaschuld Deutschlands gegenüber Kamerun nicht aus. Denn diese steigere die Verschuldung, soweit sie als Kredit gewährt würde, es mangele an Mitbestimmung der Bevölkerung über die Verwendung und die Entwicklungshilfe fördere die Privatisierung öffentlicher Güter. Derzeit ist Deutschland einer der drei größten bilateralen Geber Kameruns mit rund 50 Projekten und einem Budget von etwa 295 Mio. Euro.
Entschuldigung gefordert
Juraprofessorin Maxine A. Burkett, die auf Hawaii an der William S. Richardson School of Law zu Klimawandel und seinen Rechtsfolgen forscht, schlägt eine Definition von Klimareparationen vor, die drei Dimensionen umfasst: Eine Entschuldigung für die verursachten Schäden, dazu eine monetäre Entschädigung sowie eine Verpflichtung des Täters, die Tat nicht zu wiederholen.
Das Konzeptwerk neue Ökonomie in Leipzig bezieht sich auf die Arbeit von Burkett, um seine Forderungen zu untermauern. Ein Instrument für Reparationszahlungen könne der multilaterale Loss and Damage Fund sein, der bei der Klimakonferenz 2022 ins Leben gerufen wurde. Bisher haben die reichen Statten jedoch lediglich rund 731 Millionen US-Dollar zugesagt, um die Schäden durch den Klimawandel in den Entwicklungsländern auszugleichen. Charlotte Schmitz