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Emissionsminderungen 2024Vorreiter Stromsektor, Sorgenkind Verkehr

Windpark über einem nebligen Wald
Mit einem Anteil von 26,8 Prozent ist die Windkraft weiterhin wichtigste Erneuerbare Energiequelle in Deutschland. Zwar war der Zubau 2024 gering. Aber viele erteilte Genehmigungen stimmen die Windbranche zuversichtlich (Bild: Frank Albrecht für Unsplash+)

Neue Emissionsberechnungen zeigen: Der Stromsektor sorgt in Deutschland für die Übererfüllung der deutschen Klimaschutzziele 2024. Stagnation dagegen in weiteren Sektoren, für die nach der Bundestagswahl unterschiedliche Pläne vorliegen.

08.01.2025 – Es sind erst einmal positive Nachrichten, die der Think Tank Agora Energiewende am gestrigen Dienstag mit seinen vorläufigen Berechnungen vorlegte. Aus der Bilanz des Energiejahres geht hervor, dass die Treibhausgasemissionen in Deutschland 2024 deutlich gegenüber 2023 gesunken sind – und zwar um 18 Millionen Tonnen beziehungsweise 3 Prozent. Insgesamt 36 Millionen Tonnen CO2 wurden 2024 ausgestoßen. Damit werde das Jahresziel nach dem neuen Klimaschutzgesetz um 36 Millionen Tonnen CO₂ übererfüllt, so Agora Energiewende.

Als Haupttreiber macht der Think Tank positive Effekte in der Energiewirtschaft aus (Minus 18 Millionen Tonnen CO2, das sind 9 Prozent weniger Emissionen als 2023). 2024 wurden Kohlekraftwerke mit einer Gesamtkapazität von 6,1 Gigawatt und damit 16 Prozent der installierten Kohle-Kapazität stillgelegt. In Deutschland erzeugte Erneuerbare Energie (ein Plus von 12 Terrawattstunden) und Importe (ebenfalls Plus 12 TWh) fingen den Wegfall ohne Probleme auf. Wobei bei den Importen knapp die Hälfte aus Erneuerbaren Energien stammte. Die Entwicklungen hatten auch positive Effekte auf die Börsenstrompreise. Trotz einer Dunkelflaute und hoher Preise zum Ende des Jahres, sank der durchschnittliche Preis je Megawattstunde auf 78 Euro – ein Rückgang um durchschnittlich 18 Prozent bzw. 17 Euro im Vergleich zu 2023.

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Simon Müller, Direktor von Agora Energiewende Deutschland, sagte: „Im Stromsektor zeigen die Klimaschutzmaßnahmen der letzten Jahre immer stärker ihre Wirkung: Deutschland bereitet mit einem deutlichen Plus bei den Erneuerbaren Energien und der positiven Entwicklung beim Netzausbau den Weg für eine erfolgreiche Transformation in allen Sektoren. Dabei profitiert die Bundesrepublik zunehmend von sinkenden Emissionen und günstigeren Börsenstrompreisen."

Zwar spielen auch wirtschaftliche Effekte eine Rolle, doch am Ende bliebe die Bedeutung von Politikmaßnahmen entscheidend, erklärte Gunnar Lederer, Leiter der Arbeitsgruppe Energiesysteme am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) nach Bekanntwerden der Agora-Berechnungen. Lederer blickt beim Stromsektor zudem positiv in die Zukunft: „Im letzten Jahr wurden bei Ausschreibungen für neue Windkraftwerke dreimal höhere Zuschlagsmengen erreicht als noch 2022 – hier kann also mit einer deutlichen Belebung gerechnet werden.“ Auch bei der Solarenergie ist eine Fortsetzung des guten Trends der vergangenen 2 Jahre zu erwarten.

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Ein Trend der entscheidend für die künftige Energieversorgung Deutschlands ist. „Durch die wirtschaftliche Erholung, aber auch wegen der zunehmenden Elektrifizierung von Gebäudebeheizung und Mobilität wird der Strombedarf wieder ansteigen. Für die weiteren Emissionsminderungen ist es entscheidend, dass durch neue Wind- und Solaranlagen die erneuerbare Stromerzeugung deutlich schneller wächst als die Stromnachfrage“, so Lederer.

Noch bereiten die Sektoren Gebäude, Verkehr, aber auch Industrie Sorgen. Sie sind weiterhin zum Großteil auf fossile Brennstoffe angewiesen. In der Industrie stiegen die Emissionen trotz der wirtschaftlichen Stagnation im vergangenen Jahr um 3 Millionen Tonnen CO₂ leicht an, insbesondere wegen eines gesteigerten Verbrauchs fossiler Brennstoffe in der Schwerindustrie, teilte Agora-Energiewende mit. Bei den Sektoren Gebäude und Verkehr drohen sogar Strafzahlungen der EU, weil Vorgaben verfehlt werden. Geringfügige Emissions-Reduktionen im Gebäudebereich von 2 Millionen Tonnen CO₂ gingen laut Agora im Wesentlichen auf den verringerten Heizenergiebedarf wegen milder Witterung zurück mit. Wäre die Witterung im Vergleich zu 2023 gleichgeblieben, wären die Emissionen sogar gestiegen.

Auch im Verkehrssektor wurde nur eine Reduktion von 2 Millionen Tonnen CO₂ gegenüber dem Vorjahr erreicht – vor allem durch geringeren Lkw-Verkehr infolge der wirtschaftlichen Schwäche. Zugleich stieg der Pkw-Verkehr an. Insgesamt verfehle der Verkehrssektor mit Emissionen in Höhe von 144 Millionen Tonnen CO₂ das im Klimaschutzgesetz definierte Jahresziel deutlich um 19 Millionen Tonnen CO2. Setzt sich dieser Trend fort, müsste die Bundesregierung in absehbarer Zeit Emissionsrechte aus anderen EU-Mitgliedstaaten zukaufen, ansonsten drohen die erwähnten Strafzahlungen. Agora-Energiewende nennt das ein „milliardenschweres Haushaltsrisiko“.

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„Ein zentraler Grund für den Mangel an strukturellem Klimaschutz in den Sektoren Industrie, Gebäude und Verkehr ist die Verunsicherung bei Haushalten und Unternehmen. Diese führte zu einer allgemeinen Investitionszurückhaltung - trotz 2024 insgesamt rückläufiger Stromkosten”, sagte Agora-Direktor Müller. Der Absatz von Wärmepumpen und die Neuzulassungen von E-Pkw gingen im Vergleich zum Vorjahr um 44 bzw. 26 Prozent zurück. „In der nächsten Legislaturperiode gilt es, die Transformationsdynamik aus dem Stromsektor auch in die Nachfragesektoren zu übertragen. Zentral hierfür sind politische Maßnahmen, die die soziale Ausgewogenheit sichern und es Haushalten und Unternehmen ermöglichen, den Umstieg zur Klimaneutralität zu schaffen“, so Müller.

Als wahrscheinliche Bündnisse nach der kommenden Bundestagswahl gelten schwarz-grün oder schwarz-rot. CDU/CSU, Bündnis 90/Die Grünen und SPD wollen, ihren Wahlprogrammen folgend, die Erneuerbaren Energien und insbesondere die Solarenergie, weiter fördern und ausbauen. Auch bei dem weiteren Ausbau von Netzen, Speichern, dem Wasserstoffmarkt und Reformierung des Strommarktes gibt es große Gemeinsamkeiten. Während Grüne und SPD jedoch den eingeschlagenen Weg im Gebäudesektor fortführen wollen, will die Union das Heizungsgesetz und kommunale Wärmeplanung wieder abschaffen und legen bislang keine Alternativen vor. Im Verkehrsbereich propagiert die Union ebenfalls eine Abkehr vom eingeschlagenen Weg und Fokus auf die Elektromobilität. Ihr Credo: die vermeintliche Technologieoffenheit.

Zur Unterstützung von Haushalten fordern Grüne und SPD ein Klimageld, dass insbesondere einkommensschwachen Haushalten zugutekommen würde. Die Union will mit CO2-Einnahmen zuerst Stromsteuer und Netzentgelte reduzieren, was tendenziell wohlhabenden Vielverbrauchern stärker nutzen würde. Damit sollen auch Unternehmen und insbesondere die Industrie entlastet werden, für die Grüne und SPD wiederum gezielte Maßnahmen und Förderungen vorschlagen.

Während der Europäische Emissionshandel in der Energiewirtschaft den Umstieg auf Erneuerbare Energien befördert, sei der in Deutschland erhobene CO2-Preis im Gebäude- und Verkehrssektor mit aktuell 55 Euro pro Tonne CO2 noch viel zu schwach, um Lenkungswirkung zu entfalten, konstatiert PIK-Forscher Lederer. „Unsere Analysen zeigen, dass bis 2030 ein CO2 -Preis von deutlich über 100 Euro pro Tonne CO2 nötig ist, um auf Kurs für die Klimaziele zu bleiben. Dieser CO2 -Preis schafft staatliche Einnahmen, die beispielsweise über eine Klimadividende zur Entlastung von einkommensschwachen Haushalten genutzt werden können.“ mg

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