Emissionsprognose des Umweltbundesamts: Weg frei für die Klimawende
2023 wurden gut 10 Prozent weniger Treibhausgase ausgestoßen als im Vorjahr. Deutschland liegt zudem erstmals auf Kurs, die Klimaziele bis 2030 einzuhalten. Trotz positiver Gesamtbilanz überzieht der Verkehr sein Emissions-Budget erneut deutlich.
18.03.2023 – Eine Analyse des Umweltbundesamts (UBA) kommt zu dem Schluss, dass Deutschland im vergangenen Jahr 76 Millionen Tonnen weniger Treibhausgase ausgestoßen hat als im Jahr zuvor. Mit 10,1 Prozent sind Emissionen so stark gesunken wie zuletzt zum Ende des Kalten Krieges.
Bis Ende des Jahrzehnts müssen Emissionen im Vergleich mit 1990 um 65 Prozent reduziert werden. Noch 2021 bestand eine enorme Emissionslücke von 1.100 Millionen Tonnen. Mehr Erneuerbare, weniger fossile und ein geringerer Energieverbrauch bereiten den Weg für die Einhaltung der Klimaziele bis 2030.
„Mit Ausbruch des Kriegs gegen die Ukraine hatten viele die Sorge, dass wir eine Renaissance der Kohle und anderer fossiler Energieträger sehen werden“, so UBA-Präsident Dirk Messner zu den Hochrechnungen. „Wir wissen heute, dass das nicht passiert ist. Das liegt vor allem am sehr erfolgreichen Ausbau der erneuerbaren Energien.“ Der Klimaschutz sei ein großes Stück vorangekommen und er sei zuversichtlich, dass die Klimaziele bis 2030 eingehalten werden können.
„Es ist gut, dass die Regierung richtige Maßnahmen eingeleitet hat, der Ausbau der Erneuerbaren ist spürbar“, stimmt Olaf Bandt, Vorsitzender des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) zu. Dass die Klimaziele bis 2030 erreicht werden, sei aber keinesfalls gesichert. Mit dieser Meinung steht er nicht allein da, auch Experten der Menschen-, Umwelt-, und Klimaorganisationen Germanwatch, Agora Energiewende, Greenpeace, Öko-Institut, Klima-Allianz Deutschland und GermanZero sehen die Einhaltung der Klimaziele kritisch.
Weniger Energie verbrauchen
Ein Teil des Emissionsrückgangs geht auf einen niedrigeren Energieverbrauch zurück. Private Haushalte und Industrie verbrauchten demnach im Vorjahresvergleich zusammen rund 20 Prozent weniger Energie. Das UBA geht davon aus, dass der Rückgang auf hohe Energiepreise, den milden Winter und eine teilweise schwache Konjunktur zurückzuführen ist – nicht auf mehr Energieeffizienz.
„Ein großer Teil der Minderung ist konjunktur- und preisbedingt und bleibt ein vorübergehender Effekt, wenn jetzt nicht effektiv nachgesteuert wird“, warnt Bandt. Ähnlich sieht das auch Martin Kaiser, geschäftsführender Vorstand von Greenpeace Deutschland. “Niemand darf eine kriselnde Wirtschaft mit Klimaschutz verwechseln“, so Kaiser. „Hinter den vordergründig guten Emissionszahlen stecken zu einem großen Teil deutliche Produktionsrückgänge in der energieintensiven Industrie.“
Emissionen im Verkehr kaum gesunken
Um Emissionen langfristig zu senken, müssen vor allem die Sektorenziele eingehalten werden, auch im Verkehr. Die NGOs fordern Sofortmaßnahmen, um die Klimaziele im Gebäude- und Verkehrssektor zu erreichen. Trotz positiver Gesamtbilanz rissen die Sektoren ihre Ziele 2023 erneut. Die Emissionen im Verkehr nahmen zwar im Vorjahresvergleich leicht ab, lagen aber noch immer 13 Millionen Tonnen über der nach Klimaschutzgesetz für 2023 zulässigen Jahresemissionsmenge von 133 Millionen Tonnen, so das UBA.
„Die Ziellücke liegt im Vergleich zum Klimaschutzgesetz mittlerweile bei mehr als 10 Mio. Tonnen CO2 und wird voraussichtlich weiter ansteigen“, kritisiert Peter Kasten, stellvertretender Bereichsleiter Ressourcen & Mobilität am Öko-Institut. Auch im prozentualen Vergleich mit den anderen Sektoren habe der Verkehrssektor am wenigsten Treibhausgasemissionen gemindert. „Der hoffnungsvolle Solarboom, ein großer Erfolg von Wirtschaftsminister Habeck, kann auf Dauer nicht das anhaltend schlechte Abschneiden im Verkehr wettmachen“, ist sich auch Kaiser sicher.
Die Klimawende im Verkehrssektor geht einfach zu langsam voran. „Das ist das Ergebnis der Verweigerungspolitik insbesondere von Verkehrsminister Volker Wissing“, fügt Stefanie Langkamp, Geschäftsleiterin Politik der Klima-Allianz Deutschland hinzu. Auch BUND, Germanwatch und Klima-Allianz fordern ausdrücklich Sofortmaßnahmen für den Verkehr wie den öffentlichen Nahverkehr auszubauen, ein Tempolimit, die Abschaffung klimaschädlicher Subventionen und des Dienstwagenprivilegs. GermanZero setzt sich zudem für einen schnelleren Neuzulassungsstopp von Verbrenner-Autos ein.
Gebäude sanieren
Der Rückgang im Gebäudesektor war mit über 7 Prozent deutlicher, aber auch hier wurden die Zielwerte knapp nicht erreicht. Germanwatch und Agora Energiewende Deutschland warnen davor, die Klimawende bei Gebäuden weiter zu verschleppen. Deutschland gehe das Risiko von Strafzahlungen an die EU ein, wenn es die europarechtlich festgelegten Effort-Sharing-Minderungsziele für Gebäude und Verkehr verfehle.
„Im Gebäudesektor ist die Zielverfehlung im vergangenen Jahr aufgrund von Einmal-Effekten zwar gering, aber die Projektion zeigt, dass die Lücke in den nächsten Jahren wieder wachsen wird, wenn jetzt keine wirksamen Maßnahmen kommen“, so Kai Bergmann, Referent für deutsche Klimapolitik bei Germanwatch. Die Bundesregierung sollte die aktuellen Beschlüsse zur Europäischen Gebäuderichtlinie schnellstmöglich nutzen, um zusätzliche Sanierungsanstrengungen in öffentlichen sowie privaten Bestandsgebäuden anzustoßen, so Bergmann. jb