Schwammstadt Graz: Weniger Verschmutzung bei Starkregen

Für die Stadt Graz hat ein Forscherteam berechnet, wieviel Regenwasser in der Stadt zusätzlich zurückgehalten werden könnte. Betrachtet wurden nur realisierbare Maßnahmen mit besonderem Augenmerk auf Baumrigolen.
06.10.2025 – Das Prinzip der Schwammstadt hält in vielen Kommunen Einzug. Der Umgang mit Regenwasser wird überdacht und neu gemanagt. Es geht darum, es nicht möglichst schnell über das Abwassersystem abzuleiten, sondern es zu sammeln und vor Ort versickern zu lassen. Das zurückgehaltene Wasser steht im Idealfall in trockenen Perioden zur Bewässerung des Stadtgrüns bereit.
Zudem werden Überflutungen bei Starkregen abgemildert oder verhindert, wenn Regenwasser direkt dort, wo es anfällt, zurückgehalten werden kann. Diese Rückhalteoptionen auszubauen ist das Gebot der Stunde. Denn Abwasserkanäle können nur eine bestimmte Menge Regenwasser aufnehmen, danach wird es in vielen Städten direkt in Flüsse oder Seen abgeleitet. Nehmen Starkregenereignisse zu, ohne das bauliche Maßnahmen die Regenwasserrückhaltung verbessern, gelangt mehr schmutziges Wasser in die Umwelt.
Ein Team vom Institut für Siedlungswasserwirtschaft und Landschaftswasserbau der TU Graz hat ermittelt, dass die Stadt Graz ein Rückhalte- und Versickerungspotenzial von rund 500.000 Kubikmetern Wasser hat. Das Team hat dabei lediglich auf öffentlichem Grund realisierbare Maßnahmen zugrunde gelegt und zusätzlich die Potenziale berechnet, die sich durch geänderte Bauvorschriften zur Regenrückhaltung auf privatem Grund ergeben. Allein die Maßnahmen auf öffentlichem Grazer Grund böten bereits ein Rückhaltevolumen von rund 190.000 Kubikmetern Wasser.
Die neuen Bauvorschriften für private Neubauprojekte in Graz verlangen einen Nachweis darüber, dass das Wasser eines bis zu 30-jährlichen Regenereignisses – also ein Niederschlag mit einer Stärke, wie er statistisch gesehen nur alle 30 Jahre auftritt – auf dem betreffenden Grundstück zurückgehalten wird. Allein durch diese Maßnahme könnten sich auf Basis der Berechnungen des Forschungsteams in Graz ein dezentrales Wasserrückhaltevolumen von rund 296.000 Kubikmetern Wasser ergeben. Da die neuen Bauvorschriften nur zukünftige Projekte betreffen, entfalten sich deren volle Auswirkungen auf Privatgrund allerdings über einen längeren Zeithorizont von 30 bis 50 Jahren.
Baumrigolen besonders im Fokus
Für den öffentlichen Raum haben die Forschenden mehrere Maßnahmen untersucht: die Entsiegelung von Parkraum, um dort sickerfähige Parkplätze zu schaffen, die Installation von Baumrigolen sowie den Ausbau des Straßenbegleitgrüns zu Sicker- und Retentionsmulden, damit Wasser nicht am Bordstein abgehalten wird, sondern im existierenden Grünstreifen gereinigt werden und dann versickern kann.
Besonders genau haben die Forschenden Baumrigolen unter die Lupe genommen, da sie recht komplex sind und in puncto Regenwasserbewirtschaftung besondere Möglichkeiten bieten. Die nach dem Stockholm-System errichteten Rigolen liegen unter Geh- und Radwegen und Parkplätzen. Sie bestehen aus einem Gerüst aus grobem Kies mit Steinen bis zu 15 Zentimetern Durchmesser. Zwischen den Steinen befindet sich Substrat für den Baum. Dadurch hat er Wurzelraum, bekommt Luft und Wasser und die Oberfläche bleibt nutzbar. Baumrigolen bieten insofern Vorteile, weil sie sowohl die Kanalisation entlasten als auch den urbanen Hitzeinsel-Effekt bekämpfen. Eine umfassende räumliche Analyse nutzbarer Flächentypen in Graz ergab allein für diesen Maßnahmentyp ein potenzielles Speichervolumen von ca. 65.000 Kubikmetern Wasser.
Kanalsystem nicht negativ betroffen
„Die Umsetzung derartiger Maßnahmen kann natürlich nicht von heute auf morgen geschehen, aber das Potenzial, eine Stadt wie Graz mit naturnahen Maßnahmen besser gegen Starkregenereignisse zu schützen, ist sehr groß“, sagt Albert König von der TU Graz. „Um sicherzugehen, dass sich unsere Maßnahmen nicht negativ auf das Kanalnetz auswirken, weil dort dann große Wassermengen seltener und Ablagerungen weniger oft weggespült werden, haben wir uns auch das angesehen. Unsere Untersuchungen haben gezeigt, dass hier keine Nachteile zu befürchten sind.“
Wie in vielen anderen Städten gibt es in Graz eine Mischwasserkanalisation. Regenwasser und verschmutztes Wasser rinnen gleichermaßen in den Abwasserkanal und vermischen sich dort mit dem Abwasser aus den Grazer Haushalten und Gewerbebetrieben. Grundsätzlich kein Problem – fließt das Abwasser doch in die Kläranlage der Stadt Graz und wird dort gereinigt. Aber bei Starkregen ist der Abwasserkanal überlastet. Ein Problem, das viele Städte in Europa kennen – die Notlösung ist dann, das verschmutzte Wasser direkt in Flüsse und Seen abzuleiten. Graz hat deshalb einen zentralen Speicherkanal gebaut, ein riesiges unterirdisches Wasserreservoir. Bis zur Fertigstellung des Speicherkanals 2022 flossen in Graz jedes Jahr Hunderttausende Kilogramm Schmutzstoffe in die Mur. pf


















































