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Grünes WachstumWirtschaftswachstum und Emissionssenkung schließen sich nicht mehr aus

Müllverbennungsanlage mit Skipiste
Copenhill in Kopenhagen. Eine Müllverbrennungsanlage versorgt aus jährlich 400.000 Tonnen Müll rund 160.000 Haushalte mit Fernwärme und 62.500 Häuser mit elektrischer Energie. Zugleich fungiert das Gebäude als Skipiste. Kopenhagen und ganz Dänemark ist Vorreiter in Sachen wirtschaftlicher Prosperität und sinkender CO2-Emissionen (Bild: News Øresund - Kristoffer Dahl, flickr, CC BY 2.0)

Vor einigen Jahren noch undenkbar: Immer mehr Regionen dieser Erde wachsen wirtschaftlich und senken trotzdem ihre CO2-Emissionen. Das gelingt vor allem einer bestimmten Gruppe von Regionen.

31.10.2024 – Vor einem Jahr kamen zwei Wissenschaftler der Universtitäten Leeds und Barcelona zu einem niederschmetternden Ergebnis: Narrative, die die Entkopplung von Errungenschaften in Ländern mit hohem Einkommen als grünes Wachstum feiern, seien irreführend und stellen eine Form von Greenwashing dar. Die Industrienationen müssten Postwachstums-Strategien zur Verringerung der Nachfrage entwickeln, die Wirtschaft auf Suffizienz, Gerechtigkeit und Wohlergehen ausrichten sowie gleichzeitig einen schnelleren technologischen Wandel und Effizienzsteigerungen schaffen.

Das Credo von geringerer Produktion und Konsum zur Senkung von Treibhausgas-Emissionen ist weit verbreitet. Doch auch an Gegenstimmen mangelt es nicht. Der Klimaphilosoph Darrel Moerrendorf, Professor an der Frankfurter Goethe Universität sagte 2020 in der energiezukunft: „Wenn es einzig um die Reduzierung von CO2-Emissionen geht, ist Wachstum nicht das Problem. Vielmehr müssen wir unsere ökonomischen Aktivitäten von den CO2-Emissionen entkoppeln.“ Energiewende und Technik zur Reduzierung des CO2-Ausstoßes müssten radikal vorangetrieben werden. Moellendorf verwies auf die Finanzkrise 2009, die zu einer vergleichsweise geringen Reduzierung der CO2-Emissionen gesorgt habe – im Vergleich zu den immensen wirtschaftlichen Schäden in reichen wie ärmeren Ländern.

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Für eine wirksame Klimafinanzierung fehle die moralische Verantwortung, prangert der Klimaphilosoph Darrel Moellendorf an. Und: wenn es einzig um die Reduzierung von CO2-Emissionen geht, sei Wachstum nicht das Problem.

Darrel Moellendorf ist Professor für Internationale Politische Theorie und Philosophie an der Goethe Universität in Frankfurt am Main

Portraitfoto von Darrel Moellendorf. Ein Mann mit Dreitagbart und hellem Sommerhut

Einer Studie des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) zufolge, gelingt es immer mehr Regionen dieser Erde tatsächlich ihr Wirtschaftswachstum von CO2-Emissionen zu entkoppeln. Es gelingt ihnen wirtschaftlich zu wachsen und gleichzeitig CO2-Emissionen zu reduzieren. Die Autor:innen der Studie, Maria Zioga, Maximilian Kotz und Anders Levermann, analysierten die Wirtschaftsleistung von 1.500 subnationalen Regionen, wie chinesische Provinzen, US-amerikanische Bundesstaaten oder deutsche Bundesländer, in denen das beobachtete Bruttoregionalprodukt anstieg. Regionen, die für 85 Prozent der globalen CO2-Emissionen verantwortlich sind.

Durch die Kombination dieser Daten mit CO2-Emissionen aus den vergangenen 30 Jahren konnten globale Entkopplungsmuster identifiziert werden. Das Ergebnis: In 30 Prozent der analysierten, wirtschaftlich prosperierenden Regionen, sanken die Emissionen. Der Erfolg dieser Entkopplung werde auch von Klimaschutzmaßnahmen auf regionaler Ebene bestimmt: „Vor allem Städte in der EU, die Klimaschutzpläne umgesetzt haben, und Regionen, deren Klimamaßnahmen zunehmend finanziell gefördert wurden, weisen höhere Entkopplungsraten auf“, erklärt PIK-Forscherin Maria Zioga, Hauptautorin der Studie.

Europa schneide durchweg besser ab als andere Teile der Welt. Im Gegensatz dazu würden die Entkopplungsmuster in Nordamerika und Asien im Laufe der Jahrzehnte eher schwanken. Zuletzt habe sich der Trend aber verbessert. Einschränkend geben die Autor:innen der Studie an, dass es noch keine weltweiten Daten zu konsumbedingten Emissionen auf regionaler Ebene gibt und die Studie daher nicht die Auswirkungen des internationalen Handels abbilde.

Wegweiser Klimakonferenz

Um jedoch die Pariser Klimaziele zu erreichen, würde das derzeitige Tempo der Entkoppelung nicht ausreichen, um Netto-Null-Emissionen 2050 zu erreichen. Autor Maximilian Kotz sagt: „Wenn die derzeitigen Entkopplungsraten anhalten, wird weniger als die Hälfte der Regionen in der Lage sein, bis 2050 Netto-Null-Emissionen zu erreichen. Auf allen Ebenen müssen deshalb größte Anstrengungen unternommen werden, und insbesondere die Industrieländer sollten ihr Engagement und Investitionen in die Energiewende im globalen Süden erhöhen, um die Netto-Null-Ziele weltweit zu erreichen.“

Die verstärkte Finanzierung von Entwicklungsländern durch Industriestaaten ist eines der wichtigsten Themen auf der kommenden Klimakonferenz COP29 in Baku, Aserbaidschan, die am 11. November startet. Laut eigenen Angaben vergeben die Industriestaaten inzwischen das 2009 festgelegte Ziel von 100 Milliarden US-Dollar jährlich für Klimaschutz und Klimaanpassung im Globalen Süden. Doch nach Berechnungen der Vereinten Nationen bräuchte es jährliche Mittel von bis zu einer Billion US-Dollar, auch für die Beseitigung von Schäden und Verlusten infolge der bereits grassierenden Klimakrise. mg

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