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KlimakriseDie menschengemachte Flutkatastrophe

Hochwasser in Altenahr-Kreuzberg
Überschwemmungen am 15. Juli in Altenahr-Kreuzberg. (Foto: Martin Seifert, Wikimedia Commons, Public Domain)    

Eine Studie renommierter Forscher bestätigt: die Klimakrise machte die Starkregenfälle und Überschwemmungen Mitte Juli an Ahr, Erft und Maas wahrscheinlicher. Neben mehr Klimaschutz gilt es nun, bedrohte Regionen besser an Wetterextreme anzupassen.

25.08.2021 – Zwischen dem 12. und15. Juli regnete es in den Regionen um die Flüsse Ahr und Erft in Deutschland, sowie der Maas in den Niederlanden, Belgien und Luxemburg so stark, dass es zu verheerenden Überschwemmungen kam. Mindestens 220 Menschen starben in Belgien und Deutschland. Die World Weather Attribution (WWA) Initiative untersuchte daraufhin den möglichen Einfluss des Klimawandels auf dieses Extremwetterereignis. Die WWA setzt sich aus einem internationalen Team renommierter Klimaforscher zusammen.

Die wichtigsten Ergebnisse der Attributionsstudie: Die Wahrscheinlichkeit, dass es zu solch extremen Regenfällen kommt, hat sich durch den Klimawandel um das 1,2- bis 9-Fache erhöht. Außerdem habe sich die Intensität dieser extremen Niederschläge aufgrund der globalen Erwärmung in der Region zwischen 3 und 19 Prozent erhöht. Dass der Mensch und die durch ihn verursachten Treibhausgasemissionen schuld an der Klimakrise sind, machte der Teilbericht des neuesten IPCC-Reports noch einmal deutlich. Die Landflächen dieser Erde haben sich demnach schon um 1,6 Grad Celsius erwärmt, die globale Erwärmung einschließlich der Ozeane hat inzwischen 1,1 bis 1,2 Grad erreicht.

Auf räumlich begrenzter, lokaler Ebene sei es schwierig, den Einfluss des Klimawandels auf extreme Regenfälle zu untersuchen, erläutert Sjoukje Philip, Klimaforscherin am Königlich Niederländischen Meteorologischen Institut und Mitglied der WWA. „Aber für ganz Westeuropa waren wir in der Lage zu zeigen, dass solche Extremereignisse durch Treibhausgasemissionen immer wahrscheinlicher werden“, zitiert der Deutsche Wetterdienst Philipp.

Das Vorgehen

Hauptschwerpunkte der Studie waren die extremen Regenfälle an Ahr und Erft, wo pro Tag durchschnittlich 93 Liter Regen pro Quadratmeter fielen, sowie an der Maas in Belgien, wo in zwei Tagen 106 Liter Wasser pro Quadratmeter zusammenkamen. Um den Einfluss des Klimawandels auf diese Regenmengen zu bewerten, analysierten die Forscher, wie wahrscheinlich es ist, dass sich ähnliche Starkregenfälle auch in anderen Regionen Westeuropas ereignen und welchen Einfluss steigende Temperaturen darauf haben. Dafür analysierten die Wissenschaftler Wetteraufzeichnungen und Computersimulationen und verglichen das heutige Klima mit dem Klima vor dem Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur um 1,2 Grad Celsius seit Ende des 19. Jahrhunderts.

Dabei stellten die Forscher fest, dass sich die sehr lokalen Regenfallmuster von Jahr zu Jahr stark unterscheiden. Unter den gegenwärtigen Klimabedingungen sei zu erwarten, dass eine bestimmte Region in Westeuropa etwa einmal in 400 Jahren von ähnlichen Ereignissen heimgesucht wird. In ganz Westeuropa seien solche Starkregenereignisse entsprechend häufiger zu erwarten und mit weiter steigenden Temperaturen würden diese Wetterextreme noch zunehmen.

Friederike Otto, stellvertretende Direktorin des Environmental Change Institute an der Universität Oxford und Leiterin der WWA sagt: „Durch die Überschwemmungen wurde deutlich, dass selbst Industrieländer nicht vor den schweren Auswirkungen solcher Extremwetterereignisse geschützt sind und dass sich dies mit dem weiteren Klimawandel noch verschärfen wird.“

Die Wahrscheinlichkeit extremer Regenfälle durch den Klimawandel (1,2 bis 9-fach erhöht) sowie deren Intensität (zwischen 3 und 19 Prozent erhöht) geben die Forscher dabei in einer relativ großen Spannbreite an. Doch Stefan Rahmstorf, Klimaforscher am Potsdam Institut für Klimafolgenforschung weist auf Twitter daraufhin, dass das obere Ende dieser Bereiche aus der Grundlage von Beobachtungen stammt und das untere Ende auf Modellen basiert. „Persönlich würde ich mehr Gewicht auf die beobachteten Schätzungen legen“, so Rahmstorf.

Die Aufbauhilfe

Heute findet im Bundestag eine Debatte über den von der großen Koalition eingebrachten Gesetzesentwurf „Aufbauhilfe 2021“ statt, der in einem Umfang von 32 Milliarden Euro den zerstörten Regionen an Ahr und Erft dienen soll. Umweltverbände wie der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Germanwatch und Deutsche Umwelthilfe (DUH) mahnen angesichts der Studie zu mehr Klimaschutz und Klimaanpassungsmaßnahmen.

Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der DUH, fordert die Anstrengungen für Klimaschutz und Wiederherstellung von Ökosystemen zu verdoppeln, um die nächsten Extremwettereignisse abzumildern. „Ein gutes Wiederaufbauprogramm hält die natürlichen Überflutungsflächen frei von Bebauung und wandelt Äcker und intensiv genutzte Wiesen wieder in Feuchtgrünland um, das Wasser in der Landschaft hält und Kohlenstoff bindet“, so Müller-Kraenner.

Auch müssten Kommunen unterstützt werden Gewässer zu renaturieren, Flächen zu entsiegeln und Siedlungen nach dem Schwammstadtprinzip klimagerecht zu modernisieren. Es brauche darüber hinaus neue Anreize, damit durch angepasste Bewirtschaftung im Wald, auf den Feldern und im Weinberg die Speicherfähigkeit der Landschaft wiederhergestellt wird.

Überschwemmungsfläche von Bebauung freizuhalten und die Versieglung zu verhindern sei keine Frage der Freiwilligkeit mehr, sagt Olaf Bandt, Vorsitzender des BUND. Und Kai Bergmann, Klimareferent bei Germanwatch, fordert über die Aufbauhilfen hinaus ein Klimaanpassungsgesetz, um weitere Vorsorgemaßnahmen zu ergreifen. „Noch haben wir aber zusätzlich die Chance, das Unbewältigbare für unsere Gesellschaft weitgehend abzuwenden, indem eine ambitionierte Klimapolitik den Anstieg der globalen Mitteltemperatur möglichst auf 1,5 Grad Celsius begrenzt“, so Bergmann. mf


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