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Klimawandel – Forscher erkunden Schlammvulkane

Mit Seeigeln besiedelte Bartwürmerkolonie, die unterhalb einer Kalkkruste wurzelt. Zahlreiche weiße Muschelschalen sind auf dem Meeresboden verstreut. (Bild: © MARUM − Zentrum für Marine Umweltwissenschaften, Universität Bremen)
Mit Seeigeln besiedelte Bartwürmerkolonie, die unterhalb einer Kalkkruste wurzelt. Zahlreiche weiße Muschelschalen sind auf dem Meeresboden verstreut. (Bild: © MARUM − Zentrum für Marine Umweltwissenschaften, Universität Bremen)

Tausende Schlammvulkane stoßen, im Ozean verborgen, Gase und Flüssigkeit aus. Seit einigen Jahren sind die wenig bekannten Methanspeier in den Fokus der Wissenschaft geraten. Denn sie nähren gewaltige Methaneisfelder in der Tiefsee – und die könnten bei zunehmendem Klimawandel schmelzen.

14.04.2015 – Am 6. November 2014 bricht das deutsche Forschungsschiff Meteor vom sizilianischen Catania in See. Das Ziel: Die Schlammvulkane auf dem Grund des Mittelmeers. Bislang gibt es noch viele offene Fragen über diese Schlunde im Ozean, die statt Lava ein Ton-Wassergemisch ausspeien. Für Wissenschaftler sind sie deswegen interessante Forschungsobjekte. Sie entstehen an verkrusteten Erdlippen, dort, wo sich eine Platte unter die andere schiebt. Im Kalabrischen Bogen, wo die Afrikanische auf die Eurasische Erdplatte trifft und die Meteor forscht, gibt es Schätzungen zufolge bis zu 150 Schlammvulkane. Weltweit sind es wohl Zigtausende, die meisten von ihnen liegen verborgen in der Tiefsee und sind noch nie von einem menschlichen Wesen erblickt worden.

Gerhard Bohrmann, Professor für Geologie an der Universität Bremen und einer der stellvertretenden Direktoren des Zentrums für Marine Umweltwissenschaften MARUM, leitet die Expedition ins Mittelmeer. Schlammvulkane pressen Flüssigkeiten und Gase nach oben. Bei dem Gas handelt es sich neben Propan und Schwefelwasserstoff hauptsächlich um Methan. Das könnte in der Zukunft beispielsweise als effektive Energiequelle genutzt werden. In der Atmosphäre allerdings könnte es auch Schaden anrichten, denn es ist ein sehr starkes Treibhausgas.

Niemand weiß wie viel Methaneis im Ozean lagert

Bormann interessiert die Frage, wie die Prozesse in den Schlammvulkanen ablaufen und wie viel Methan entweicht. Sogenannte „Seeps“ stoßen besonders schnell Methan aus, denn hier gelangt es direkt als freies Gas ins Meerwasser, wo es sich auflöst. In großen Tiefen, wo hoher Druck und Kälte herrschen, bildet sich Methanhydrat. Wie viel dieser Verbindung, die wie Eis aussieht, in der tiefen Dunkelheit der Ozeane lagert, weiß niemand. Schätzungen gehen auseinander, von mehreren hundert bis hin zu mehreren hunderttausend Gigatonnen. Das Methaneis würde jedoch vermutlich ausreichen, um die gesamte Menschheit mit Energie zu versorgen – mit mehr Energie als die bisher geförderten Mengen an Öl und Kohle zusammen bereitstellen können.

Der Energieträger der Zukunft? Schwierig, denn der Abbau ist schwer und könnte Erdrutsche verursachen – und in der Folge Tsunamis. Forscher mutmaßen, dass ein natürlicher Abrutsch von Methaneishängen vor etwa 8150 Jahren den Storegga-Tsunami ausgelöst haben könnte, der mit 20 Metern Höhe auf Europa zurollte. In Norwegen, auf den Shetland-Inseln und den Färöern wurden damals unzählige Küstensiedlungen vernichtet. Bohrmann warnt, man wisse noch viel zu wenig über die Methanquellen und damit im Zusammenhang stehende Vorgänge im Ozean.

Die Meeresböden könnten tauen

Dennoch könnten die Methaneisfelder in der Tiefsee künftig eine große Bedeutung haben. Denn schreitet der Klimawandel ungebremst voran, könnten sie tauen – und unglaubliche Mengen an Methan freisetzen, dessen Treibhaus-Effekt etwa 20- bis 30-mal so stark ist wie der von CO2. Auch deswegen gerät das Hydrat in den letzten Jahren immer mehr in den Fokus der Wissenschaft, nicht nur bei dem Team des Forschungsschiffes Meteor. Erste Anzeichen, die darauf hindeuten, dass die Meeresböden bereits tauen, gibt es bereits. Wissenschaftler haben im vergangenen Jahr 570 neue Methanquellen vor der US-Ostküste, am nordamerikanischen Kontinentalsockel, entdeckt. Wie das Magazin Nature berichtet, befinden sich die Stellen in unterschiedlichen Meerestiefen.

Methan steigt als Gas auf, unter Umständen können sich größere Mengen ansammeln, die dann schlagartig freigesetzt werden – ein sogenannter Blowout. Seit einiger Zeit kennt man das Phänomen blubbernder Meeresoberflächen aus der arktischen Region, wo unterseeische Permafrostböden auftauen. Adam Skarke von der Mississippi State University und seine Kollegen werteten für ihre Arbeit Daten des Forschungsschiffes „Okeanos Explorer“ aus, die auf Expeditionen von 2011 bis 2013 erhoben wurden. „Die ausgedehnte Leckage im Atlantik hat uns überrascht", erklärte Skarke.

Auch Wissenschaftler der Universität Stockholm haben vor der Eismeerküste Russlands, der Laptewsee, überraschend viel Methan im Meerwasser lokalisiert. Die Expedition des Swerus-C3-Programms, dessen Team mit dem Eisbrecher „Oden“ in Sibirien forscht, hält aufgetaute unterseeische Permafrostböden für den Auslöser der hohen Gaskonzentrationen.  „Wir registrierten Gasblasen, deren Methangehalt um das zehn- bis fünfzigfache über dem natürlichen Wert liegt", schreibt Professor Örjan Gustavsson von der Swerus-3-Expedition. Daher sei anzunehmen, das Gas stamme aus Methanhydraten, die unter der zunehmenden Erwärmung instabil werden. Sein Team vermutet eine Art „warme Zunge“ des Golfstroms, die sich mittlerweile bis an den russischen Festlandsockel ausgebreitet hat und das Tiefeneis zunehmend schmelzen lässt.

Grundlagenforschung ist wichtig

In der Geschichte des Planeten Erde hat ein schneller Klimawandel ein großes Artensterben hervorgerufen. Das Massensterben vor 252 Millionen Jahren wurde von der Versauerung der Ozeane hervorgerufen. Zu diesem Schluss kommt eine aktuelle Studie des Forscherteams um Matthew Clarkson von der University of Edinburgh. Damals starben mehr als 90 Prozent der marinen Lebewesen und über zwei Drittel der auf dem Land lebenden Tiere aus. Ursache waren heftige Vulkanausbrüche, durch die gewaltige Mengen an CO2 in die Meere gelangten – und sie so versauerten. Die Forscher schließen dies aus der chemischen Zusammensetzung von Gesteinsschichten in den Vereinten Arabischen Emiraten, die sich zu der betreffenden Zeit am Grund des Ozeans befanden. Das Massensterben der Arten vollzog sich etwa über einen Zeitraum von 60.000 Jahren. Die Ozeanversauerung bestand 10.000 Jahre. Sie führte offenbar zum Höhepunkt des Artensterbens und gab dem ohnehin bereits stark geschwächten Ökosystem eine Art „Todesstoß“. Die angestiegenen Temperaturen und die zunehmende Verringerung des Sauerstoffs im Meer dürfte die Lebewesen nach Einschätzung der Wissenschaftler bereits im Vorfeld stark unter Druck gesetzt haben.

Das CO2, das durch die Vulkansaubrüche in die Atmosphäre gelangte, hat allerdings auch das Klima erwärmt und möglich ist, dass dadurch ganze Felder aus Methaneis auftauten. Bislang ist wenig darüber bekannt, wie – und wie viel – Methan sich in den Weltmeeren bildet. Darüber, wie es auf eine Erwärmung des Wassers reagiert, weiß man ebenfalls wenig. Deswegen ist Grundlagenforschung, wie sie Bohrmann und viele weitere Kollegen betreiben, so wichtig. Rebecca Raspe

Lesetipp: Das Magazin National Geographic hat das Team um Gerhard Bohrmann auf der Expedition zu den Schlammvulkanen begleitet und die Logbücher der Reise veröffentlicht.


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Kommentare

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Dietmar Meyndt 04.04.2020, 08:19:11

Sehr interesant.


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