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Schweizer AlpenKlimawandel lässt viele neue Gletscherseen entstehen

Alpengletscher mit Gletschersee
Der Rhonegletscher im Quellgebiet der Rhone schmilzt kontinuierlich. (Foto: Remeo Walser Wikimedia / CC BY-SA 4.0)

Durch die Gletscherschmelze entstanden allein in den letzten zehn Jahren 180 neue Seen in den Schweizer Alpen. Forscher des schweizerischen Wasserforschungsinstitutes sehen darin einen sichtbaren Beweis für den Klimawandel.

21.07.2021 – Der Klimawandel lässt die Gletscher der Alpen schmelzen. Ziehen sich die teils riesigen Eisfelder zurück, hinterlassen sie oft Vertiefungen und natürliche Dämme in der freigelegten Landschaft. Die Becken können sich mit Schmelzwasser füllen und neue Gletscherseen entstehen. Seit dem Ende der Kleinen Eiszeit um 1850 sind auf diese Weise knapp 1200 neue Seen in ehemals vergletscherten Regionen in den Schweizer Alpen hinzugekommen.

"Wir waren überrascht von der schieren Anzahl einerseits und der deutlich beschleunigten Bildung andererseits", sagt Daniel Odermatt, Leiter der Gruppe Fernerkundung am Wasserforschungsinstitut Eawag. Er hat zusammen mit einer Forschergruppe eine umfassende Bestandsaufnahme erarbeitet.  "Zu Beginn des Projekts hatten wir mit wenigen hundert Gletscherseen gerechnet. Jetzt sind es über tausend, und allein im letzten Jahrzehnt kamen 180 hinzu.“ Eine andere Studie war im letzten Jahr zu dem Ergebnis gekommen, dass die Alpengletscher zwischen 2000 und 2014 ein Sechstel ihres Eisvolumens verloren haben.

Seit nahezu 200 Jahren existieren Aufzeichnungen

Die ältesten Informationen zu Gletschern in der Schweiz stammen aus der Mitte des 19. Jahrhunderts. Als zum Ende der Kleinen Eiszeit das Eis zu schmelzen begann, weckte dies das Interesse der damaligen Naturkundler. Zwischen 1840 und 1870 wurde die Ausdehnung und Längenänderung einiger großer Gletscher in den Schweizer Alpen erstmals kartographiert. Mitte des letzten Jahrhunderts kamen die ersten qualitativ hochwertigen Luftbilder hinzu. Insgesamt konnte das Forscherteam auf Daten zu sieben Zeitpunkten zwischen 1850 und 2016 zurückgreifen.

Für jeden der 1200 Seen erfassten die Forscher Lage, Höhe, Umriss und Fläche des Sees zu den verschiedenen Zeitpunkten. Sie bestimmten Typ und Material des Damms, oberirdischen Abfluss und hielten die Entwicklung des Sees fest. Mit diesen Grundlagen kann in einem nächsten Schritt das individuelle Gefahrenpotential der Seen geschätzt werden, also etwa die Gefahr einer plötzlichen Entleerung des Sees bei einem Dammbruch.

Im letzten Jahrzehnt entstanden im Schnitt 18 neue Seen pro Jahr

Die Ergebnisse sind nun in einem Gletschersee-Inventar verfügbar. Das Forscherteam veröffentlichte auf dieser Basis auch einige interessante Fakten: Im Jahr 2016 bedeckten die Schweizer Gletscherseen eine Fläche von ungefähr 620 Hektar. Über 90 Prozent der Seen sind kleiner als ein Hektar. Die Gletscherseebildung hatte zwischen 1946 und 1973 einen ersten Höhepunkt, mit durchschnittlich acht neuen Seen pro Jahr. Danach kehrte etwas Ruhe ein.

Doch zwischen 2006 und 2016 hat die Geschwindigkeit, mit der neue Gletscherseen entstehen, wieder zugenommen und übersteigt deutlich das frühere Maximum. Pro Jahr bildeten sich im Schnitt 18 neue Seen und die Wasserfläche wuchs jährlich um über 15 Hektar – ein sichtbarer Beweis für den Klimawandel in den Alpen, wie das Forscherteam berichtet.

Etwa ein Viertel der neuen Seen ist aber auch geschrumpft oder sogar ganz verschwunden. Die Sedimente, die kontinuierlich vom Gletscher herantransportiert werden, füllten die Seen langsam wieder auf. So hat zum Beispiel der See beim Huefifirn Gletscher im Kanton Uri zwischen 1985 und 2016 etwa 20 Prozent seiner Fläche verloren. 187 Gletscherseen verschwanden in den letzten 170 Jahren sogar ganz oder schrumpften zumindest auf weniger als 200 Quadratmeter. Einige Seen seien jedoch auch ausgebrochen, oder künstlich entleert worden. Auch diese Prozesse sind im Datensatz ersichtlich.

Die jetzige Bestandsaufnahme bilde einen guten Ausgangspunkt, um den Einfluss des Klimawandels auf Gletscherseen zu beobachten und zu analysieren. Auch weitere Studien könnten von diesem Gletschersee-Datensatz profitieren, denn das Interesse an den Gewässern. Einerseits steigt mit der zunehmenden Anzahl an Gletscherseen das Risiko plötzlicher Ausbrüche und damit die Gefahr von Flutwellen für die unterhalb liegenden Siedlungen. Andererseits bieten die Naturphänomene eindrucksvolle Attraktionen für den Tourismus, und durch die künstliche Vergrößerung der Seen eröffnen sich neue Chancen für die Wasserkraft. pf


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