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COP25Was wir von der Klimakonferenz in Madrid erwarten können

Chiles Präsident Sebastián Piñera musste die Klimakonferenz wegen Unruhen in seinem Land nur wenige Wochen vorher absagen. Obwohl die COP25 nun in Madrid stattfindet, ist Chile offizieller Gastgeber.
Chiles Präsident Sebastián Piñera musste die Klimakonferenz wegen Unruhen in seinem Land nur wenige Wochen vorher absagen. Obwohl die COP25 nun in Madrid stattfindet, ist Chile offizieller Gastgeber. (Foto: © Regierung der Republik Chile, www.cop25.cl)

Die Klimakonferenz COP25 steht unter keinem guten Stern: Schwierige Sachthemen müssen gelöst werden, damit ab 2020 der Pariser Klimavertrag wirken kann. Gleichzeitig kommt der globale Klimaschutz kaum voran. Die Hoffnungen ruhen auf der EU.

28.11.2019 – Am 20. September versammelten sich sieben Millionen Menschen auf den Straßen der Welt und forderten von ihren Politikern, die Klimakrise entschlossen zu bekämpfen. Ob der Druck geholfen hat, wird sich ab der kommenden Woche zeigen. Vom 2. bis zum 13. Dezember treffen sich die Regierungen der Welt zur jährlichen Klimakonferenz COP25 in Madrid. Was dort wichtig wird und welche Ergebnisse man erwarten kann, haben wir zusammengetragen.

Klimaschutz 2019 – Wo stehen wir?

Fünf Jahre nach dem Beschluss des Pariser Klimavertrags müssen die Regierungen im nächsten Jahr endlich liefern, nämlich die nationalen Klimapläne (NDC). Der UN-Sondergipfel im September war dafür der Startschuss, spätestens Anfang 2020 sollen sie beim UN-Klimasekretariat vorliegen. Das Problem: Zwar haben bereits 66 Staaten verbesserte Klimapläne eingereicht, darunter aber fast nur kleine Länder, die insgesamt für acht Prozent der globalen Treibhausgas-Emissionen verantwortlich sind. Von den G20-Staaten kam noch nichts.

Und das nicht ohne Grund: Das Lager der Skeptiker ambitionierter Klimaziele wächst. Zwar hat die offizielle Kündigung des Vertrags durch die USA am 4. November keine großen Reaktionen der anderen Staaten hervorgerufen, es zeichnet sich aber ab, dass neben den USA und Saudi-Arabien Brasilien eine Bremser-Rolle einnehmen könnte. Mächtige Länder wie China, Indien und Russland haben bei den wichtigen Verhandlungen zum Artikel 6 Bedenken angemeldet.

Die Hoffnungen ruhen auf der neuen EU-Kommission

Es braucht zu diesen Strömungen ein Gegengewicht und diese Rolle kann aus Sicht vieler Klimaexperten nur die EU einnehmen. Die Hoffnungen sind nicht unbegründet: Die am Mittwoch vom Europaparlament neu gewählte EU-Kommission bereitet seit Monaten den Kampf gegen die Klimakrise als ihr wichtigstes Projekt vor. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen strebt eine Erhöhung des Klimaziels von derzeit 40 Prozent weniger Treibhausgase bis 2030 auf 50 bis 55 Prozent an. Vor wenigen Wochen legten die EU-Staaten zudem fest, aus der Europäischen Investitionsbank eine Art Klimabank zu formen.

Ganz allein wird die EU-Kommission dem internationalen Klimaschutz aber nicht mehr Leben einhauchen können. Wichtig sei es, Allianzen zu schmieden, sind sich Beobachter einig. Etwa mit Indien, der größten Demokratie der Welt, glaubt Christoph Bals, Geschäftsführer der Entwicklungs-NGO Germanwatch. Wichtig sei in jedem Fall, eine Atmosphäre und positive Grundstimmung für stärkeren Klimaschutz zu schaffen, sagen Klimaexperten.

Diese Themen werden auf der COP25 wichtig

„Es ist eine ganz entscheidende COP“, sagt Ann-Kathrin Schneider, die beim Umweltverband BUND seit Jahren die Klimakonferenzen beobachtet. „Es reicht nicht mehr ein paar Windräder in Gambia zu unterstützen, wir brauchen einen sozial-ökologischen Wandel. Wir dürfen nicht nur die Emissionen in einigen Ländern senken, sondern in allen.“

Dennoch stehen neben den großen Aufgaben, die zum Teil gar nicht auf der offiziellen Agenda auftauchen, vermeintlich kleine und technische Themen in Madrid zur Verhandlung. Für Beobachter sind sie allerdings alles andere als unwichtig.

Knackpunkt Artikel 6: Internationaler Handel von Emissions-Reduktionen

Es ist wohl der heikelste Punkt auf der diesjährigen Klimakonferenz, der zum Teil über Erfolg oder Misserfolg des weltweiten Klimaschutzes entscheiden wird. Fragt man Klimaexperten, erhält man Antworten, die nach Bauchschmerzen klingen. Im Kern geht es in Artikel 6 des Pariser Klimavertrags darum, wie Länder mit ihren eingesparten CO2-Emissionen handeln und diese zu Geld machen können.

In Madrid müssen sich die Staaten auf einen Mechanismus einigen und so oder so werden wohl am Ende Schlupflöcher bleiben. Artikel 6 könnte im schlechtesten Fall dazu beitragen, dass Industrieländer sich günstig Klimaschutz-Zertifikate einkaufen und ihre Emissionen zu Hause nicht oder nur ungenügend senken, so die Befürchtungen. Auf dem Papier hätten sie ihre Ziele aber erreicht.

Lieber keine Einigung als eine schlechte Lösung

Weitere Gefahren: Die Doppelzählung von Emissions-Reduktionen, wie sie Brasilien gerne durchsetzen würde. Oder eine Aushöhlung des gesamten Pariser Vertrags. Denn theoretisch wäre es möglich, dass Länder ihre verpflichtenden Klimaziele zu niedrig ansetzen und anschließend bei Übererfüllung ihre Emissions-Reduktionen als Zertifikate an andere Länder verkaufen. Es könnte ein Wettlauf der Staaten entstehen, die eigenen Ziele möglichst gering zu halten. Auch könnten Länder ihre Ziele anpassen, je nachdem wie hoch oder niedrig die Zertifikatspreise liegen.

Ein weiterer Knackpunkt: Unter dem Kyoto-Protokoll, dem Vorläufer des Pariser Abkommens, besteht bereits ein ähnlicher, weitaus kleinerer Handel mit Emissionszertifikaten. Eine Übernahme der dortigen Mengen in das neue System würde dafür sorgen, dass gleich zu Beginn des neuen Handelssystems zu viele Zertifikate auf dem Markt liegen und eine CO2-Reduzierung faktisch unwirksam wird. Es wäre der gleiche Geburtsfehler wie im Europäischen Emissionshandel ETS, der erst nach vielen Jahren und Reformen langsam anfängt zu wirken.

Einige Schlupflöcher werden sich nicht vermeiden lassen, ist sich Klimaexpertin Schneider sicher. Zeichne sich keine für den Klimaschutz günstige Lösung ab, sei es besser, eine Entscheidung auf das nächste Jahr zu vertagen.

Wie umgehen mit klimabedingten Schäden und Verlusten?

Ein Dauerbrenner auf Klimakonferenzen der letzten Jahre war das Thema „Loss and Damage“, zu Deutsch „Schäden und Verluste“ durch die Klimakrise. Das ist natürlicherweise ein Punkt, der für die besonders betroffenen Inselstaaten ein im wahrsten Sinne des Wortes überlebenswichtiges Thema darstellt. Zunehmend geraten weitere Entwicklungsländer in einen Strudel von Klimakrisen-Schäden und finanziellen Schwierigkeiten.

Internationale Ratingagenturen haben damit begonnen, die Kreditwürdigkeit krisengebeutelter Staaten herabzustufen. Sie fürchten, diese könnten ihre Kredite aufgrund häufiger auftretender Schäden durch Stürme oder Überschwemmungen nicht bedienen. Nicht ganz zu Unrecht: Die NGO Brot für die Welt schätzt, dass auf die am meisten verwundbaren Länder ab 2020 zusätzliche Kapitalkosten in Höhe von 150 bis 170 Milliarden Dollar zukommen. Als Folge der Klimakrise.

Kein Wunder, dass diese Länder den sogenannten „Warschau-Mechanismus“ etablieren wollen. Im besten Falle würden die Staaten in Madrid eine Institution beschließen, die klimabedingte Schäden und Verluste hilft einzudämmen und Betroffene finanziell entschädigt, sagt Sven Harmeling, Klimakonferenz-Experte der Organisation Care. Das es soweit kommt, gilt aber als eher unwahrscheinlich.

Was könnte die COP25 in Madrid erreichen?

„Eine Gruppe von Vorreiterstaaten muss sagen: ‚Wir sind bereit nachzusteuern‘ und diese Gruppe muss die restlichen Länder mitziehen.“ Darauf hofft Lisa Göldner, Klimaexpertin von Greenpeace. Tatsächlich steuert die Welt mit den bisherigen Klimaplänen der Länder auf eine Erderwärmung von 3 Grad zu. Allein Marokko und Gambia haben Pläne eingereicht, die mit dem 1,5-Grad-Ziel vereinbar sind. Staaten wie Indien, die Philippinen und Äthiopien sind immerhin auf 2-Grad-Kurs. Dahinter folgt lange nichts.

Auch Göldner kommt wieder auf die EU zurück: „Ich sehe keine andere Möglichkeit als die Europäische Union. Nur sie ist in der Lage, Allianzen zu schmieden, etwa mit China, Indien, Kanada oder Indonesien.“ Zwar wird die neue EU-Kommission noch nicht so weit sein, neue Klimaziele für 2030 zu verkünden. Aber Experten rechnen damit, dass sie ihre Langfriststrategie vorstellen wird, bis 2050 klimaneutral zu werden. Daraus könnte ein großer politischer Moment entstehen und andere Länder mitziehen, lauten die Hoffnungen. Getreu dem Motto der COP25: „Zeit zu Handeln“.
Clemens Weiß


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