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Die Meinung
11. September 2017

Segeln unter falscher Flagge

Bürgerenergie findet praktisch jeder gut. Da produzieren die Leute in den Gemeinden vor Ort selbst ihren erneuerbaren Strom, sind beteiligt und profitieren gemeinsam davon. Weil sie beteiligt sind, können sie auch mitbestimmen, am besten geht das in einer Energiegenossenschaft. Weil Bürgerenergie durch das neue Vergütungssystem (Ausschreibungen) gefährdet ist, hat man Sonderregeln geschaffen, die sie schützen sollten. Jetzt machen sich große Projektierer diese Regeln zunutze.

Eva Bulling-SchröterSprecherin Energie und KlimaschutzFraktion DIE LINKE. im Bundestag

Eva Bulling-SchröterSprecherin Energie und KlimaschutzFraktion DIE LINKE. im Bundestag
Eva Bulling-Schröter, energie- und klimapolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag. (Foto: Eva Bulling-Schröter, DIE LINKE. im Bundestag)
Eva Bulling-Schröter, energie- und klimapolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag. (Foto: Eva Bulling-Schröter, DIE LINKE. im Bundestag)

11.09.2017 – Wenn die Menschen in den Dörfern und Kommunen an Bürgerenergie beteiligt sind und mitbestimmen können, am besten in einer Energiegenossenschaft, dann ist das gut für die Energiewende – auch für die Akzeptanz von Windrädern zum Beispiel. Seit Anfang des Jahres gelten aber neue Vergütungsregeln für erneuerbare Energien: Projekte, auch Bürgerenergieprojekte, müssen gegeneinander in Ausschreibungen konkurrieren. Das ist für die kleineren Bürgerwindinitiativen schwierig. Deshalb haben sie Sonderregeln bekommen.

Aber leider kann man sich neuerdings nicht mehr darauf verlassen, dass Bürgerenergie, die sich so nennt, wirklich Bürgerenergie ist. Denn bei einigen großen Projektierern gehört es offenbar neuerdings zum Geschäftsmodell, sich unter der Bezeichnung ‚Bürgerenergie‘ Vorteile zu verschaffen. Sie segeln unter falscher Flagge. Denn die EEG-Reform mit ihren neuen Ausschreibungsregeln und den Sonderrechten für die Bürgerenergie bietet offenbar ein Einfallstor für Missbrauch des guten Namens der Bürgerenergie. DIE LINKE hat bereits im Oktober 2016 (also kurz nach der Verabschiedung der EEG-Reform) vor dem Missbrauch des Bürgerenergie-Etiketts gewarnt und eine kleine Anfrage dazu an die Bundesregierung gestellt. Doch die hat die Gefahr des Missbrauchs des Bürgerenergie-Etiketts nicht gesehen. (PE dazu und Antwort Kleine Anfrage).

Zum zweiten Mal hat bei der Ausschreibungsrunde vom August eine große Windkraft-Gesellschaft, die (nach MDR-Recherchen) durch findige Tricks 40 sogenannte Bürgerenergie-Gesellschaften gegründet hatte, einen Großteil der Zuschläge erhalten. Das ist nicht die Idee von demokratischer Energiewende, die wir LINKE mit ‚Bürgerenergie‘ verbinden. Wir wollen dezentrale ökologische Energie sowie echte Mitbestimmung der Menschen vor Ort. Noch wird offenbar geprüft, ob die notwendigen Kriterien für Bürgerenergie bei den Bietern erfüllt sind. Doch bereits jetzt macht es den Anschein, dass sich offenbar schlaue Unternehmer in großen Stil ‚Bürgerenergie‘ nennen, zum Schein die Bürgerenergie-Kriterien erfüllen, und damit Vorteile einheimsen, die nur für echte, engagierte Bürgerenergie gelten sollten.

Dieses neue Geschäftsmodell führt zudem zu einer Verzögerung beim Bau der Anlagen, denn der Bürgerenergie werden längere Fristen bei Umweltgenehmigungen und bei der Bauzeit zugestanden als anderen Projektierern. Abwarten mit dem Bau hat für die Pseudo-Bürgerenergie den Vorteil, dass man auf fallenden Anlagenpreise spekulieren kann und damit auf einen höheren Gewinn. Für die Energiewende ist das aber sehr schädlich, denn so entsteht eine Pause beim Zubau von Windenergie, die die Branche womöglich zwingt, Beschäftigte entlassen oder auf Kurzarbeit umzustellen. Inzwischen wurden schon Betriebe aus der Windbranche dicht gemacht und weitere Entlassungen stehen an. Die Windenergie-Branche schlägt bereits Alarm. Diese Entwicklung halte ich für fatal und nicht zukunftsfähig. Auch die Klimaziele werden so nicht erreicht.

Insgesamt ist die Windkraftbranche unter einen hohen Druck gekommen, weil durch die Ausschreibungen die Preise purzeln. Alles muss immer billiger werden. Das führt zu Fusionen, vielleicht am Ende zu neuen Oligopolen. Davor haben wir gewarnt und deshalb hatten wir die Ausschreibungen abgelehnt, weil man diesen Monopolisierungsprozess im Ausland bereits beobachten konnte. Die echte Bürgerenergie und ihre Genossenschaften werden da über die Klinge springen, wenn die Politik nicht handelt.

Der Bundestag hat zwar noch im Juli 2017 versucht, diesen EEG-Murks zu heilen, allerdings nicht entschlossen genug, so dass im November noch einmal die langen Fristen beim Bau der Anlagen greifen. DIE LINKE fordert eine Überprüfung der Bürgerenergie-Definition auf Missbrauchs-Anfälligkeit. Wir befürworten zudem, den demokratischen Charakter der Energiewende zu erhalten, indem eine echte Verankerung der erneuerbaren Energien vor Ort über ein bundesweites Beteiligungsgesetz gewährleistet wird. Wenn man partout an dem Ausschreibungssystem festhalten will, dann sollte man wenigstens Tarifarbeitsplätze in der Windbranche zum Kriterium machen. Denn wir wollen gute Arbeit bei den erneuerbaren Energien.

Eva Bulling-Schröter ist seit 2014 Sprecherin der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag für Energie und Klimaschutz, ordentliches Mitglied im Ausschuss für Wirtschaft und Energie sowie stellvertretendes Mitglied im Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit.




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