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Die Meinung
03. November 2014

Bewegung in der Kohle-Politik

In den vergangenen Jahren ist es nicht gelungen, die Klimaverschmutzung in Deutschland auf das nötige Maß zu beschränken. Dies liegt vor allem an der hohen Kohleverstromung. Die Pläne aus dem Bundeswirtschaftsministerium, Kohlekraftwerke abzuschalten, sind deshalb goldrichtig.

Daniela SettonLeiterin Energiepolitik Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland

Daniela SettonLeiterin Energiepolitik Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland
Daniela Setton ist Leiterin des Bereichs Energiepolitik beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland. (Bild: Daniela Setton)
Daniela Setton ist Leiterin des Bereichs Energiepolitik beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland. (Bild: Daniela Setton)

03.11.2014 - Bis Anfang Dezember geht es ums Eingemachte: Dann soll das Maßnahmenpaket der Bundesregierung stehen, mit dem das drohende Scheitern Deutschlands beim Klimaschutz doch noch abgewendet werden könnte. In den vergangenen Jahren ist es nicht gelungen, die Klimaverschmutzung hierzulande auf das nötige Maß zu beschränken. Dies liegt vor allem an der hohen Kohleverstromung, die 2013 auch im zweiten Jahr infolge  für eine Erhöhung des CO2-Ausstosses gesorgt hat. Den erneuerbaren Energien ist es zu verdanken, dass dieser Emissionsanstieg trotz Kohle-Boom mit etwa 1,2 Prozent nur moderat ausfiel.

Es ist das klare Verdienst von Bundesumweltministerin Barbara Hendricks, dass die Bundesregierung  die klaffende Klimaschutzlücke so klar eingestanden hat und handeln will. Denn geht alles so weiter wie bisher, wird das für 2020 beschlossene Ziel einer Treibhausgasminderung um 40 Prozent im Vergleich zu 1990 deutlich verfehlt. Nach optimistischsten Schätzungen wären dann lediglich bis zu 33 Prozent zu erreichen. Am  3. Dezember soll das ressortübergreifende „Aktionsprogramm Klimaschutz 2020“ vom Kabinett beschlossen werden. Noch ist nicht abzusehen, ob der benötigte große Wurf gelingt.  

Die Aufgabe ist keinesfalls profan: Mindestens 87 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente müssen laut Bundesregierung zusätzlich reduziert werden, sonst wird das Minderungsziel verfehlt. Und dies ist noch optimistisch. Klar ist: Ohne eine Reduzierung der Kohleverstromung, die für über 40 Prozent der gesamten deutschen CO2-Emissionen verantwortlich ist, wird Deutschland beim Klimaschutz nicht vorankommen. Im „Rekordjahr“ 2013 produzierten mit den Braunkohlekraftwerken ausgerechnet die größten CO2-Emittenten so viel Strom wie zuletzt vor 20 Jahren, insgesamt 161 Terrawattstunden. Allein die neun größten Braunkohlekraftwerke waren 2013 für knapp ein Fünftel aller nationalen CO2-Emissionen verantwortlich. Derzeit hält sich die Stromproduktion aus Braunkohle auf hohem Niveau und liegt etwa fünf Prozent über dem Durchschnitt der letzten zehn Jahre. Aber auch die Steinkohleverstromung verursachte 2013 im Vergleich zum Vorjahr einen Emissionsanstieg um 14 Prozent oder neun Millionen Tonnen CO2.  

Die gute Nachricht ist, dass es  inzwischen massive Überkapazitäten bei den fossilen Kraftwerken gibt. Dank der erneuerbaren Energien werden viele klimaschädliche Kraftwerke, die noch am Netz sind, gar nicht mehr gebraucht. Die schlechte Nachricht: Aufgrund der Marktbedingungen werden vor allem Gas- statt Kohlekraftwerke und damit die emissionsärmsten und flexibelsten Kraftwerke aus dem Markt gedrängt. Der seit 2010 anhaltende Trend weg von Gas hin zu Kohle läuft dem Klimaschutz und der Energiewende völlig zuwider. Ausgerechnet der klima- und umweltschädlichste fossile Energieträger Braunkohle ist bei der fossilen Stromerzeugung mit Abstand die betriebswirtschaftlich attraktivste Option. Sogar die ältesten und schmutzigsten Anlagen laufen auf Hochtouren. Ursache dafür ist eine Kombination aus niedrigen-CO2- und Kohlepreisen mit hohen Gaspreisen. Dadurch hält sich die Kohleverstromung auf hohem Niveau, während sich die Produktion in Gaskraftwerken seit Anfang des Jahrzehnts nahezu halbiert hat. So haben wir in Deutschland mit über 45 Prozent noch immer einen sehr hohen Anteil an Braun- und Steinkohlekraftwerken an der Bruttostromerzeugung. Dass heute noch Braunkohleblöcke aus den 1960er und 1970er Jahren fast durchgängig Grundlaststrom erzeugen, während hocheffiziente und hochmoderne Gas- und Dampfturbinen-Kraftwerke (GuD) allenfalls auf Sparflamme laufen und von Stilllegungen bedroht sind, ist klimapolitisch und volkswirtschaftlich inakzeptabel.

Sofern nicht gegengesteuert wird, drohen in den nächsten Jahren umfangreiche Stilllegungen gerade bei Gaskraftwerken, der Kraftwerkspark würde auf absehbare Zeit auf einen klimaschädlichen Pfad festgelegt werden. Es bedarf eines unverzüglichen politischen Eingreifens, damit nicht jene Kraftwerke reihenweise aus dem Markt gedrängt werden, die aufgrund ihrer technischen und emissionsspezifischen Eigenschaften für das Erreichen der Klimaziele und das weitere Gelingen der Energiewende dringend gebraucht werden.

Da auch der EU-Emissionshandel auf absehbare Zeit nicht dabei helfen wird, die Emissionen der Kohleverstromung in Deutschland zu reduzieren, muss auf nationaler Ebene ordnungspolitisch gehandelt werden. Der BUND hat einen Braunkohle-Abschaltplan vorgelegt, mit dem in einem ersten Schritt bis 2020 die 24 ältesten und schmutzigsten Braunkohleblöcke über eine Begrenzung der Betriebslaufzeit auf 35 Jahre vom Netz genommen werden können. So würde eine Leistung von zehn Gigawatt stillgelegt werden – die  Hälfte aller Braunkohlekraftwerke in Deutschland. Die CO2-Emissionen der Braunkohlemeiler würden um rund 90 Millionen Tonnen zurückgehen. Wie hoch genau der Netto-Minderungseffekt ist, hängt dann jedoch davon ab, durch welche Kraftwerke die wegfallende Stromproduktion ersetzt wird und ob es gelingt, den Export von Kohlestrom einzudämmen. 

Eine der erstaunlichsten energiepolitischen Nachrichten der letzten Wochen ist, dass laut Medienberichten im Bundeswirtschaftsministerium unter Sigmar Gabriel in die gleiche Richtung gedacht wird, wie es der BUND fordert: nämlich Kohlekraftwerke in einem Umfang von zehn Gigawatt per Ordnungsrecht vom Markt zu nehmen, als Beitrag zum Aktionsprogramm Klimaschutz. Die abzuschaltende Kraftwerksleistung soll jedoch gleichmäßig auf Braun- und Steinkohlekraftwerke aufgeteilt werden. Ebenfalls scheint vorgesehen zu sein, Kraftwerke auch als Reserve zu „parken“. Derzeit sickern zwar nur wenige Details über die konkreten Pläne in die Öffentlichkeit.

Doch der Gegenwind der Kohlefreunde ist erheblich. Insbesondere die IGBCE läuft gegen eine mögliche Abschaltung von Kohlekraftwerken Sturm und ruft unter dem Motto „Nicht an unsere Kohle!“ zu Protesten auf. Staatssekretär Rainer Baake wird in den Medien mit den Worten zitiert, es seien noch keine Entscheidungen getroffen, noch sei alles offen. Es ist nur zu hoffen, dass sich Sigmar Gabriel nicht beirren lässt und seine Pläne trotz Widerstand weiterverfolgt. Er scheint verstanden zu haben, dass der Handlungsdruck nicht nur aus Klimaschutzgründen groß ist. Denn wenn das BMWi mit dem optimierten Strommarkt in Zukunft Flexibilitätsoptionen über Preisspritzen anreizen will, dann geht das nicht mit dem bestehenden hohen Sockel an inflexiblen Grundlastkraftwerken, die die Preise auf dem Strommarkt unten halten.

Auch wenn ein Blick auf die Ausgestaltung des im BMWi diskutierten Kohle-Abschaltplans für eine abschließende Bewertung zentral ist, so ist doch klar, dass die Richtung stimmt. Dessen Umsetzung ist von entscheidender Bedeutung, um Klimaschutz und Energiewende in Deutschland voranbringen. Die Abschaltung energiepolitisch unnötiger und schmutziger Kohlekraftwerke ist ein erster und erforderlicher Schritt, um den Kohle-Trend zu stoppen und den Kraftwerkspark flexibler zu machen. Auch auf die Erlöse der Anlagen aus erneuerbaren Energien hätte der Vorschlag positive Auswirkungen. Ebenso könnte es gelingen, Deutschlands internationale Glaubwürdigkeit bei der Energiewende wiederherstellen, die durch die hohen CO2-Emissionen der deutschen Kohleverstromung infrage gestellt ist. Ein nicht zu unterschätzendes Signal für die anstehenden Klimaverhandlungen bis Ende 2015 in Paris.

Die Diplom-Politologin Daniela Setton ist seit über 13 Jahren bei verschiedenen umwelt- und entwicklungspolitischen Nichtregierungsorganisationen aktiv. Sie arbeitete dort schwerpunktmäßig zu den Themen Energie- und Klimapolitik, Globalisierungskritik sowie internationales Finanz- und Handelssystem. In Ihrer Arbeit bei der NGO Weltwirtschaft, Ökologie & Entwicklung (WEED) beschäftigte sie sich z.B. insbesondere mit der Politik von IWF und Weltbank, dem globalen Finanzsystem und der internationalen Energiefinanzierung. Mehrere Jahre leitete sie die Anti-Kohlekampagne des breiten zivilgesellschaftlichen Bündnisses klima-allianz deutschland. Daniela Setton ist derzeit Leiterin des Bereichs Energiepolitik beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland.

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Zum Braunkohle-Abschaltplan des BUND: www.bund.net/fileadmin/bundnet/pdfs/klima_und_energie/140828_bund_klima_energie_laufzeitbegrenzung_kohlekraftwerke.pdf




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