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Die Meinung
18. Mai 2022

Das Herz der Klimapolitik ist der Emissionshandel

Der Umweltausschuss des Europaparlaments entschied sich am Dienstag in Brüssel dafür, den Emissionshandel auf Gebäude und Verkehr auszuweiten. Nun muss das gesamte EU-Parlament mutig sein und konsequent für Europas Klimaschutz und Souveränität stimmen.

Michael Bloss, Abgeordneter der Grünen/EFA im Europäischen Parlament

Michael Bloss, Abgeordneter der Grünen/EFA im Europäischen Parlament
Michael Bloss, Abgeordneter der Grünen/EFA im Europäischen Parlament
Foto: Patrick Haermeyer

Über 40 Prozent der Emissionen in der Europäischen Union fallen unter ein einziges Klima-Instrument: dem europäischen Emissionshandel. Es ist das Herz der europäischen Klimapolitik und wir führen gerade eine Operation am offenen Herzen durch. Die gute Nachricht ist: die erste Phase der Operation ist gut verlaufen. Der Umweltausschuss des EU-Parlaments hat heute ein starkes Signal für den Klimaschutz, eine moderne und Klimaneutrale Industrie und eine sozial-gerechte Transformation gesetzt. Jetzt gilt es das gesamte Parlament zu überzeugen in der Plenarsitzung Anfang Juni auch dafür zu stimmen.

Raus aus Kohle, Öl und Gas

Wir befinden uns im Klimanotstand. Ende 2019 rief das EU-Parlament ihn aus. Nach zwei extremen Dürrejahren in Folge, mussten wir der Realität in die Augen blicken. Die Klimakrise ist mitten im Leben angekommen, auch hier in Europa. An die Wetterextreme haben wir uns vermeintlich schon gewöhnt, jetzt gießt der Angriffskrieg Putins Öl ins Krisenfeuer. Es zeigt sich, wie extrem abhängig wir von Kohle, Öl und Gas sind - aus Russland und anderen autokratischen Ländern. Wir brauchen dringend politische Reformen, um uns aus diesen Krisen gestärkt herausbewegen zu können. Konkret, um uns aus der Abhängig von Kohle, Öl und Gas zu lösen.

Der europäische Emissionshandel ist hier unser stärkster Treiber. Er umfasst nicht nur über 40 Prozent der Gesamtemissionen der Union, sondern konnte in den betroffenen Sektoren die Emissionen bereits um 43% seit 2005 senken (stand 2021). Das ist bemerkenswert und gibt Hoffnung, dass diese Transformation mit deutlich mehr und wirkungsvolleren Erneuerbaren als noch vor 20 Jahren zügig abgeschlossen werden kann. Wichtigstes Ziel muss sein, bis 2030 aus der klimaschädlichen Kohle auszusteigen und den Ausbau der Erneuerbaren massiv zu beschleunigen. Andernfalls, so der Weltklimarat, droht uns ein Bruch mit dem Pariser Klimaabkommen. Die Folgen wären verheerend.

Und wir liefern. Über 15 Milliarden können demnächst direkt für den Ausbau der Erneuerbare durch den neu getauften Klimainvestitionsfonds bereitstehen, die neben Klimaverträgen und weiteren Hebeln die Industrie zu dekarbonisieren, unsere Abhängigkeit von Kohle, Öl und Gas massiv reduzieren werden.

Wir stopfen die CO2-Schlupflöcher

Der Hebel für all das ist schlicht und einfach der CO2-Preis. Der Emissionshandel legt diesen fest, indem eine Anzahl von CO2-Zertifikaten auf dem Markt ist und gehandelt wird. Wer mir vor zwei Jahren gesagt hätte, der Markt liefert einen europäischen CO2-Preis von 80 bis 90 Euro pro Tonne CO2, dem hätte ich persönlich die Glaskugel signiert. Aber so ist es tatsächlich gekommen. Der Markt wirkt, CO2 ist teurer geworden und ein wichtiger Faktor im Marktgeschehen. Die Gelder daraus füllen den Klimainvestitionsfonds und die Haushalte der Mitgliedsländer. Also alles gut? Mitnichten.

Der Emissionshandel wirkt zuweilen wie ein Schweizer Käse. Voller Schlupflöcher für KlimaverschmutzerInnen. Kostenfreie CO2-Zertifikate und ein Überschuss an CO2-Zertifikaten verfälschen den CO2-Preis und die tatsächlichen Kosten für die Industrie massiv. Sie machen Klimaverschmutzung also besonders billig bzw. umsonst für einige Akteure. In Zeiten des Klimanotstandes und dem Verfeuern von russischer Kohle, Öl und Gas ist das eine bittere Realität, die wir jetzt bereinigen wollen. Der Umweltausschuss handelte und will die freien Zertifikate bis Ende 2030 auslaufen lassen. Parallel etablieren wir einen CO2-Grenzschutzmechanismus zum Schutz vor “Carbon Leakage” - also dem Abwandern der Industrie aufgrund von hohen Klimakosten. Gleichzeitig sollen über 200 Millionen überschüssige CO2-Zertifikate gelöscht werden, das ist mehr als alle deutschen Kohlekraftwerke zusammen in einem Jahr ausstoßen. So stopfen wir die Löcher der Vergangenheit, die sich heute als großes Laster im Einsatz gegen die Klimakrise, beim Ausbau der europäischen Energie-Souveränität und Modernisierung unserer Wirtschaft herausgestellt haben.

Europa, endlich sozial-gerecht

CO2 hat einen Preis, der steigt. So weit, so verständlich. Dieser Preis sorgt für Einnahmen und diese fließen an die Mitgliedsländer und in Geldtöpfe der Union. Daraus, so die Idee, entsteht ein neues, sauberes Energiesystem und eine Industrie, die weniger Last, sondern vielmehr Treiber der Klimawende ist. Und Europas Bürger*innen? Die gehen nicht mehr leer aus! Das ist wohl einer der größten Erfolge der Verhandlungen. Es wird einen starken, sozial-gerechten Klimasozialfonds geben.

Dieser soll schon in 2024 starten. Dann erhalten Europas Bürger*innen Geld für eine klimaschonende Verhaltensweise. Was in Deutschland das Klimageld oder Energiegeld ist, ist in Europa der Klimasozialfonds. Denn die EU darf nicht direkt Geld an Europas Bürger*innen ausschütten. Das läuft über die Mitgliedsländer, aber es ist ein starkes sozialpolitisches Signal. Seht her! Nach einer Wirtschafts- und Währungsunion gibt es jetzt den Startschuss für die Sozialunion.

Wir brauchen eine grüne Allianz im EU-Parlament

Klimasozialfonds, Klimainvestitionsfonds, das Ende der freien Zuteilung ab 2031, Klimaverträge, Erneuerbaren-Booster und so weiter und so fort. Es klingt alles schön, zu schön, oder? Aber genau dafür haben mein Team und ich zwei Jahre gekämpft und der Umweltausschuss hat sich uns angeschlossen. Das ist stark, aber es ist nur ein erster Schritt. Die Operation am offenen Herzen, Sie erinnern sich. Jetzt geht es in Phase zwei der Operation. Anfang Juni stimmt das gesamte EU-Parlament über unseren Vorschlag ab und es gibt viel Widerstand - besonders von Konservativen und Rechten.

Doch Kopf in den Sand stecken gilt nicht. Im Gegenteil. Wir sind nicht allein. Eine grüne Allianz aus SozialdemokratInnen, Liberalen, Linken und Grünen hat es in der Hand, effektiven Klimaschutz zu betreiben, um den Klimanotstand zu beenden, die Instrumente zu liefern, die die Industrie zur Transformation für die Zukunft braucht und Europas soziale Ader nach all den Jahren der Union pulsieren zu lassen.

Schlussendlich, und das dürfen wir nicht vergessen, geht es aber um etwas, was bis vor einigen Monaten noch müde belächelt wurde. Europas Souveränität. Denn ohne die Erneuerbaren bleibt uns in Europa nichts anderes übrig, als Kohle, Öl und Gas aus Russland oder anderen Staaten zu kaufen. Damit verlieren wir viel Geld, was uns alle in Form von hohen Strom- und Heizkosten am Ende des Monats ins Haus fliegt. Die grüne Allianz im EU-Parlament hat es in der Hand, Europas Freiheit, Europas Souveränität, zusammen mit dem Green Deal zu schaffen. Der wichtigste Hebel? Der europäische Emissionshandel. Die Operation kann gelingen. Das EU-Parlament muss nur mutig sein.

 




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