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Die Meinung
25. Juni 2021

Die Bürgerenergie gehört in den Mittelpunkt!

Das Europarecht sieht die Bürger:innen im Mittelpunkt des Energiesystems. Während die Bundesregierung untätig bleibt, feiert das Bündnis Bürgerenergie am 30.06.2021 die „Lange Nacht der Bürgerenergie“ und setzt damit ein Zeichen. Statt zu resignieren, wird sie die von der EU zugesicherten Rechte nun einfordern.

Viola Schmidt, Referentin für Energiepolitik und -wirtschaft im Bündnis Bürgerenergie

Viola Schmidt, Referentin für Energiepolitik und -wirtschaft im Bündnis Bürgerenergie
Viola Schmidt, Referentin für Energiepolitik und -wirtschaft im Bündnis Bürgerenergie
Foto: BBEn

25.06.2021 – Es ist so gut wie offiziell: In der Nacht des 30.06.2021 wird die Umsetzungsfrist der Europäischen Erneuerbare-Energien-Richtlinie ins deutsche Recht ablaufen, die Bundesregierung die neuen Rechte für die Bürgerenergie aber nicht umgesetzt haben. Damit hat die aktuelle Bundesregierung es bislang verpasst, dem Leitgedanken des Clean-Energy-Pakets gerecht zu werden und die Bürger*innen in den Mittelpunkt des Energiesystems zu stellen.

Europa ist einen Schritt voraus

Europa ist dem ehemaligen Musterschüler in Sachen Unterstützung der Bürgerenergie einen großen Schritt voraus. Artikel 21 und 22 der Erneuerbaren-Energien-Richtlinie geben genau die Impulse, die dem deutschen Energiemarktsystem noch fehlen. Dabei hat das Bundesverfassungsgericht allen Verantwortlichen erst vor wenigen Monaten eindrücklich vor Augen geführt, dass die bisherigen Anstrengungen zur Minderung der Treibhausgasemissionen nicht genügen werden, um die Ziele des Pariser Klimaschutzabkommens einhalten zu können. Eine solch große gesellschaftliche Aufgabe kann nur gelingen, wenn die Last auf möglichst viele Schultern verteilt wird. Anstatt auf teure zentrale Versorgungssysteme zu setzen und sich womöglich von Energieimporten abhängig zu machen, sollten die ehemaligen Pionier:innen der Energiewende im ganzen Land wieder als gleichberechtigte Akteure im Markt mitwirken können.

Die Potenziale der Bürgerenergie nutzen

Die Bürgerenergie wird immer mehr aus dem Markt gedrängt. Statt Anreize zu setzen, scheinen aktuelle Regelungen die Bürgerenergie so unattraktiv wie möglich machen zu wollen. Beispielhaft genannt seien die Einführung der Ausschreibungen, die Regelung zum Atmenden Deckel oder aber die bürokratisch überfrachteten Regelungen zum Mieterstromzuschlag. Wesentliche Stellschrauben für ein zukunftsfähiges Strommarktdesign wären die Einführung von Kollektiver Eigenversorgung und von Energy Sharing.

Umsetzungsbedarfe aus der Erneuerbaren-Energien-Richtlinie

Erneuerbare Energie, die lokal erzeugt wurde, sollte auch von den Menschen vor Ort verbraucht werden können – und zwar ohne große finanzielle Belastungen und bürokratische Hürden. Schließlich könnten damit die Netze entlastet, teure Netzausbaukosten eingespart, die Gesamtkosten der Energiewende gesenkt und eine breite bürgerschaftliche Beteiligung ermöglicht werden. Das EEG 2021 verwehrt jedoch Prosument:innen und Erneuerbare-Energie-Gemeinschaften bislang das Recht, sich gemeinschaftlich mit eigenem grünen Strom zu versorgen.

Die unterbliebene Umsetzung von Art. 21 Abs. 4 der Erneuerbaren-Energien-Richtlinie verhindert, dass die kollektive Eigenversorgung mit Erneuerbaren Energien der individuellen Eigenversorgung gleichgestellt ist. Voraussetzung dafür wäre, das Kriterium der Personenidentität zwischen Anlagenbetreiber:in und Energieverbraucher:in aufzuheben. In der Praxis führt es z.B. dazu, dass eine Wohnungseigentümergemeinschaft den erzeugten Strom ihrer Erneuerbaren-Energie-Anlage nur für die gemeinsamen Stromverbräuche (z.B. die Treppenhausbeleuchtung), nicht aber für die Stromverbräuche in den einzelnen Wohnungen ohne EEG-Umlagenbelastung nutzen darf.

Zudem hat der Gesetzgeber es versäumt, die Erneuerbaren-Energien-Gemeinschaft nach Art. 22 der Erneuerbaren-Energien-Richtlinie zu etablieren und sie mit dem Recht auf Energy Sharing auszustatten. Nach EU-Recht sollte jeder die Möglichkeit erhalten, Mitglied einer Erneuerbaren-Energien-Gemeinschaft zu werden und somit unabhängig von den Wohnverhältnissen an der Energiewende zu partizipieren. Mitglieder einer Gemeinschaft dürfen die gemeinsam produzierte Erneuerbare Energie gemeinsam nutzen. Das schafft Identifikation und überzeugt möglicherweise selbst ehemalige Zweifler:innen der Energiewende, sollten diese von einer preiswerten Grünstromlieferung aus einer nahegelegenen Anlage profitieren.

Konkrete Schritte folgen

Das Bündnis Bürgerenergie will diese Untätigkeit nicht länger hinnehmen. In einem ersten Schritt wird es am 30.06.2021 im Rahmen einer „Langen Nacht der Bürgerenergie“ mit Politiker:innen aus allen demokratischen Fraktionen die Umsetzungsdefizite diskutieren und einen Blick auf gelungene Umsetzungskonzepte in anderen Ländern der EU werfen. Dazu kommen Energierechts- und Energiewirtschaftsexpert:innen zu Wort, die vom BBEn beauftragte Studien sowie Best-Practice Beispiele aus dem In- und Ausland präsentieren. Die Bürgerenergie muss endlich den Handlungsspielraum erhalten, der ihr nach EU-Recht schon längst zusteht.

Neben diesem konstruktiven Dialog plant das BBEn auch formale rechtliche Schritte einzuleiten. Wenn ein Mitgliedsstaat eine EU-Richtlinie nicht vollständig umsetzt, können Interessensträger:innen eine Beschwerde einreichen und die Europäische Kommission dazu auffordern, ein Vertragsverletzungsverfahren gegen das EU-Land einzuleiten. Ein weiterer gangbarer Weg wäre die Geltendmachung der Direktwirkung der Richtlinie. Es bleibt abzuwarten, wann und wie die neue Bundesregierung reagiert. Das BBEn wird jedenfalls nicht untätig bleiben.

Hier geht's zur Veranstaltung  Lange Nacht der Bürgerenergie




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