Menü öffnen

Die Meinung
13. März 2023

Ein klimaneutrales Stromsystem für eine resiliente, bezahlbare Energieversorgung

Neue Regeln im Strommarkt sind überfällig. Die Leitwährung in einem klimaneutralen Strommarkt sind Flexibilitäten. Das dezentrale Back-up flexibel steuerbarer Anlagen in Verbindung mit Netzausbau und Lastmanagement ist der intelligente Partner von Wind- und Solarenergie.

Simone Peter ist Präsidentin des Bundesverbandes Erneuerbare Energie (BEE).

Simone Peter ist Präsidentin des Bundesverbandes Erneuerbare Energie (BEE).
Portrait Simone Peter
Foto: BEE

Ein neues Strommarktdesign steht auf der energiepolitischen Agenda in Berlin und Brüssel. Extreme Ausschläge bei den Strom- und Gaspreisen, verbunden mit hohen Kosten für Haushalte und Unternehmen, prägten die politische Debatte in den letzten Monaten. Gleichzeitig zeigen sich Verwerfungen auf den Märkten schon seit geraumer Zeit, weswegen sich die Bundesregierung schon im Ampel-Koalitionsvertrag zum Ziel gesetzt hatte, die Weichen für ein klimaneutrales Stromsystem zu stellen. Die Versorgungs- und Kostenkrise der fossilen Energieträger hat auch die EU-Kommission dazu bewogen, das Thema zu bearbeiten. Ein erster Konsultationsprozess wurde hier gestartet, während in Berlin die Plattform „Klimaneutrales Stromsystem“ unter Beteiligung von Stakeholdern aus Verbänden, Wirtschaft, Wissenschaft und Politik ihre Arbeit aufnahm.

Die Erneuerbaren Interessenvertretungen sprechen sich für einen zügigen Reformprozess auf europäischer und nationaler Ebene aus, um das vollständig auf Erneuerbaren Energien beruhende Energiesystem konsequent aufzubauen.

Denn mit einem Anteil von knapp 50 Prozent am Bruttostrombedarf sichern die Erneuerbaren Energien schon heute in relevantem Umfang die Stromversorgung. 2030 sollen es gemäß den Zielen der Bundesregierung 80 Prozent sein und schon wenige Jahre später 100 Prozent. Mit zunehmendem Anteil eines vornehmlich dezentralen Erneuerbaren Anlagenparks zeigen sich die Schwächen des Systems jedoch deutlich.

Sie reichen von negativen Börsenstrompreisen über das Abschalten statt Nutzen des wertvollen Grünstroms bis hin zu fehlenden Anreizen zur Nutzung von Flexibilitätsoptionen. Das mindert künftig zunehmend die Rentabilität von EE-Anlagen und wirkt sich auch volkswirtschaftlich nachteilig aus. Erklärtes Ziel der Plattform „Klimaneutrales Stromsystem“ ist es daher, den Wandel des deutschen Strommarkts – eingebettet in den europäischen Binnenmarkt – hin zu einem nachhaltigen und wirtschaftlich tragfähigen System zu gestalten, in dessen Struktur die Erneuerbaren Ausbauziele effizient umgesetzt werden können, die Sektorenkopplung vorangebracht und die Versorgung mit klimafreundlicher und bezahlbarer Energie zu jeder Zeit gesichert werden kann.

Der Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE), der bereits im Dezember 2021 zusammen mit seinen Fachverbänden und unter wissenschaftlicher Begleitung von Fraunhofer ISE und Fraunhofer IEE eine umfangreiche Studie dazu vorgestellt hatte, beteiligt sich an den Prozessen auf nationaler und europäischer Ebene, geht es doch um nichts weniger als das auf fossilen und atomaren Großkraftwerken basierende System auf die Bedürfnisse fluktuierender und vorwiegend dezentraler Energieerzeugung aus Sonne und Wind umzustellen.

Der heutige regulatorische Rahmen im Strommarkt verhindert aufgrund fehlender ökonomischer Grundlage den notwendigen Ausbau Erneuerbarer Energien. Daher sind Veränderungen des heutigen Strommarkts notwendig. Um den zukünftigen Zubau der fluktuierenden Quellen Wind und Solar betriebswirtschaftlich rentabel zu ermöglichen und das Gesamtsystem zu stabilisieren, müssen Flexibilitätsoptionen aufErzeuger-, Verbraucher- und Speicherseite ausgebaut werden.Auf der Erzeugerseite stellen Bioenergie, Wasserkraft, Geothermie, Grüne Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen, Speicher und Sektorenkopplung ausreichend steuerbare Leistung für die Versorgungssicherheit bereit - bei gleichzeitig geringerer Notwendigkeit des Zubaus an (Wasserstoff-ready)-Gaskraftwerksleistung. Bis zu 100 Gigawatt Elektrolyse-Leistung können hierzulande finanziell lohnend und mit hoher regionaler Wertschöpfung aufgebaut werden, sodass ein Import von grünem Wasserstoff zur Umsetzung der Energiewende in Deutschland nicht zwingend notwendig ist.

Die zeitliche Förderung der Erneuerbaren Energien sollte dafür optimalerweise in eine Mengenförderung überführt werden. Das sichert den wirtschaftlichen Betrieb der Erneuerbaren Anlagen und ermöglicht es ihnen, selbst auf Strompreise zu reagieren und flexible Leistung zur Verfügung zu stellen.

Dagegen bauen die Vorschläge der EU-Kommission zum neuen Strommarkt in wesentlichen Aspekten auf den Beschlüssen zur Gewinnabschöpfung im Rahmen der Strompreisbremse auf. So sollen neben einer größeren Rolle von „Power Purchase Agreements“ (PPAs) – also Verträgen zu vorab vereinbarten Preisen – auch Mindestpreise und Höchsterlöse für Erneuerbare Energien im Rahmen von Differenzverträgen, sogenannte „Contracts for Difference“, kurz CfD, Einzug finden. Dabei vereinbaren Versorger und Regulierer in Auktionen einen Preis, der für die erwartete Lebensdauer der Anlagen gilt. Liegt der tatsächliche Preis am Spotmarkt darüber, zahlt der Erzeuger die Differenz an den Regulierer. Ist er niedriger, zahlt der Regulierer an den Erzeuger.

Gerade erst in den Markt entlassen, würden Erneuerbare so wieder in ein starres Korsett gezwungen. Es besteht die Gefahr, dass bei Geboten in Ausschreibungen höhere Risiken eingepreist werden und damit volkswirtschaftliche Kosten steigen. Die bestehende „Gleitende Marktprämie“, die die Differenz zur EEG-Vergütung ausgleicht, bietet dagegen in Auktionen den Anreiz, erwartete höhere Börsenstrompreise in der Zukunft im Angebot einzupreisen. Die Erfahrung zeigt, dass dadurch niedrigere Gebote abgegeben werden, als es mit CfD möglich wäre. In einem verpflichtenden CfD-Förderrahmen wirken zudem Preissignale für flexibel steuerbare Erneuerbare nicht mehr. Auch akzeptanzfördernde Grünstromprodukte würden aufgrund des bestehenden Doppelvermarktungsverbots gefährdet, wichtige Langfristmärkte wie der Terminmarkt stark begrenzt werden. Davor warnte jüngst auch die Spotmarktbörse EPEX Spot in einem eindringlichen Appell.

Der künftige Strommarkt muss berechenbar bleiben und darf sich nicht an unvorhergesehenen Marktpreisschwankungen orientieren. Die Leitwährung in einem klimaneutralen Strommarkt sind Flexibilitäten. Das dezentrale Back-up flexibel steuerbarer Anlagen in Verbindung mit Netzausbau und Lastmanagement ist der intelligente Partner von Wind- und Solarenergie. Um deren gewaltige Potenziale nutzbar zu machen, müssen Markthemmnisse schnell eingerissen werden, statt neue zu schaffen. Ein modernes Strommarktdesign muss planungssicher, unbürokratisch und barrierearm ausgestaltet sein.

Zukunftstauglich ist es dann, wenn es für Erzeuger, Verbraucher und Prosumer gleichermaßen attraktiv ist, wenn es Großinvestoren und Bürgergenossenschaften anspricht. Sie alle werden für den Umbau des Energiesystems gebraucht. Die Schaffung möglichst umfangreicher Verknüpfungen der Sektoren garantiert, dass jede erzeugte Kilowattstunde grünen Stroms auch genutzt wird. So wird die Versorgung besser und günstiger als mit planwirtschaftlichen Vorgaben.




Kommentare

Diskutieren Sie über diesen Artikel

Keine Kommentare gefunden!

Neuen Kommentar schreiben


Name: *
E-Mail: *
(wird nicht veröffentlicht)
Nicht ausfüllen!


Kommentar: *

(wird nicht veröffentlicht)
max 2.000 Zeichen


energiezukunft