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Die Meinung
24. November 2014

Energiezukunft ohne Bürger? Geht nicht!

Gerade die aktuellen Debatten um die Energiewende, um Kohlekraftwerke, Atommüllentsorgung, Windparks und Leitungstrassen zeigen: Bisherige Politikkonzepte versagen bei der Lösung dieser Zukunftsfragen.

Jörg Sommer, Vorstandsvorsitzender Deutsche Umweltstiftung

Jörg Sommer, Vorstandsvorsitzender Deutsche Umweltstiftung
Jörg Sommer ist Schriftsteller und Vorstandsvorsitzender der Deutschen Umweltstiftung (Foto: Deutsche Umweltstiftung)
Jörg Sommer ist Schriftsteller und Vorstandsvorsitzender der Deutschen Umweltstiftung (Foto: Deutsche Umweltstiftung)

24.11.2014 – Das Prinzip des „Erst entscheiden, dann kommunizieren“ hat sich überlebt. Viele Bürgerinnen und Bürger wollen sich nicht mehr mit der bisherigen Arbeitsteilung der repräsentativen Demokratie zufrieden geben. Gern werden diese als „Wutbürger“ abqualifiziert. Das ist populär, wird aber der Tiefe des Konfliktes nicht gerecht. Es stimmt: Oft ist der Auslöser für Engagement unmittelbare persönliche Betroffenheit. Immer geht es aber um die Frustration über einsame Entscheidungen von „denen da oben“.

Ich arbeite in der vor kurzem neu ins Leben gerufenen sogenannten Endlagerkommission des Deutschen Bundestages mit. Bei einem so kontroversen Thema wie der Lagerung hochradioaktiver Abfallstoffe treten die Defizite bisheriger elitenorientierter Politikkonzepte besonders scharf hervor. Die Erfahrungen aus zahlreichen gescheiterten Verfahren um die Endlager Morsleben und Asse, vor allem aber um Gorleben machen einen neuen, auf gesellschaftliche Partizipation fokussierten Anlauf notwendig. Und das heißt auch: Eine Bürgerbeteiligung von neuer Qualität.

Denn auch der neue Anlauf zur Endlagersuche wird scheitern, wenn er die Bürgerbeteiligung nur in den bisher im Fokus stehenden zwei Dimensionen sieht:
Als Mittel zur Legitimierung repräsentativ getroffener Entscheidungen von übergeordneter gesellschaftlicher Relevanz oder als Mittel zur Schaffung von Akzeptanz von unpopulären Entscheidungen. Eine solche zweidimensionale Bürgerbeteiligung ist gut gemeint, bleibt aber in bisherigen elitären Politikkonzepten verhaftet, weil sie sich auf die Vermittlung von Entscheidungen und die Befriedung von dadurch entstandenen Konflikten konzentriert, also lediglich an den Symptomen kuriert.

Nachhaltig erfolgreich kann deshalb nur die Etablierung einer neuen Beteiligungskultur sein, die der repräsentativen Demokratie Formen einer Bürgergesellschaft zur Seite stellt, indem sie der Bürgerbeteiligung eine dritte Dimension hinzufügt: Die Bürgerbeteiligung als Mittel zur Emanzipation der Bürgerinnen und Bürger als Subjekte politischer Gestaltung unserer Gesellschaft.  Ohne die Bereitschaft, die Gesellschaft umfassend und nachhaltig zu „politisieren“, alleine mit dem Fokus der Schaffung von Legitimation und Akzeptanz von durch die politischen Eliten definierten Zielen kann und wird Bürgerbeteiligung nicht funktionieren.

Der Prozess der Suche nach einem Endlager für radioaktive Abfälle ist in dieser Hinsicht eine historische Chance. Der beschlossene Atomausstieg, wenngleich noch immer nicht vollständig vollzogen, bietet hier die Möglichkeit, verhärtete Fronten zumindest so weit aufzulösen, das wir uns gemeinsam auf die Suche nach einer sicheren und gesellschaftlich akzeptierten Lösung begeben können. Wo auch immer das Endlager schließlich in Betrieb gehen wird, die einzige Chance auf Akzeptanz für dieses Endlager liegt dabei in einem breiten, langen, offenen und sicher auch schmerzhaften öffentlichen Diskurs im Vorfeld der Entscheidung.

Doch da ist bereits der Start etwas holprig geraten. Seit April 2014 tagt die Endlagerkommission. Die umfangreiche Beteiligung aller Bürger am Prozess der Suche nach einem Endlager hätte längst beginnen müssen. Es wäre ein Rückschritt in elitäre Politikkonzepte, wenn wir davon ausgingen, dass die Menschen zwar an der Suche nach einem Endlager zu beteiligen wären, den Prozess der Ausarbeitung der Methoden, Kriterien und Entscheidungselemente dieser Suche, der jetzt in der Endlagerkommission stattfindet, jedoch nicht aktiv mitgestalten dürfen.

Wie könnte eine solche Beteiligung ausgestaltet werden? Darüber mit Juristen und Politikern hinter verschlossenen Türen zu beraten, ist schon von Beginn an der falsche Weg. Warum also nicht die Bürgerinnen und Bürger selbst fragen, wie sie sich eine Beteiligung wünschen würden?

Die Deutsche Umweltstiftung hat deshalb vor wenigen Wochen eine neue Online-Bürgerplattform gestartet: www.plenum.cc

Dort diskutieren schon jetzt viele Bürgerinnen und Bürger über unterschiedliche, sich ergänzende oder auch alternative Beteiligungsformen – aber auch über andere Aspekte der Endlagerfrage. Wichtig ist uns dabei, diese Plattform nicht nur zu einem Forum mehr oder weniger professioneller Stakeholder zu machen, sondern einen breite, niederschwelligen Zugang zum Thema anzubieten. Sie wird deshalb intensiv redaktionell betreut, moderiert und regelmäßig mit neuen Impulsen versehen.

Die Plattform lebt davon, dass sich viele Menschen an ihr beteiligen - unabhängig von ihrem Kenntnisstand zur Atomenergie in Deutschland. Sie steht dabei unter skeptischer Beobachtung der „Fachleute“ in Politik, Wissenschaft und Wirtschaft. Die einen können sich nicht vorstellen, dass breite Bürgerbeteiligung wirklich funktioniert – die anderen wollen es nicht. Ich denke: Die Entwicklung hin zur aktiven Bürgergesellschaft kann nicht nur gelungen – sie ist Bedingung für die Lösung zentraler Zukunftsfragen unserer Zivilisation

Ich lade Sie deshalb ein: Diskutieren Sie darüber – mit mir und vielen anderen Bürgerinnen und Bürgern auf www.plenum.cc

Jörg Sommer ist Schriftsteller und Vorstandsvorsitzender der 1982 gegründeten Deutschen Umweltstiftung.




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