Menü öffnen

Die Meinung
16. Januar 2023

Immer wieder (zu) erfolgreich: Die Finanzlobby

Ob EU-Lieferkettengesetz, Finanztransaktionssteuer oder EU-Taxonomie: Oft bekommt die Öffentlichkeit kaum mit, wie stark die Finanzlobby Politik beeinflusst. Aber ihre Macht ist enorm und zu oft wir alle die Leidtragenden, argumentiert Daniel Mittler von der Bürgerbewegung Finanzwende.

Daniel Mittler ist Geschäftsführer der Bürgerbewegung Finanzwende.

Daniel Mittler ist Geschäftsführer der Bürgerbewegung Finanzwende.
Foto: Finanzwende e.V.

Endlich! Die EU bekommt ein Lieferkettengesetz. Das ist ein Fortschritt, auch wenn in vielen Bereichen das Gesetz nicht weit genug geht und noch nachgeschärft werden muss. Interessant ist aber auch, welche Bereiche aus dem Gesetz ausgeklammert wurden. Finanzdienstleistungen sind aus dem Anwendungsbereich des Lieferkettengesetzes, das der EU-Rat beschlossen hat, faktisch ausgeschlossen. Das Gesetz fasst nämlich Lieferketten so eng, dass die Sorgfaltspflichtanforderungen für Banken quasi nicht mehr vorkommen. Denn die wichtigsten Sorgfaltspflichtrisiken der Banken liegen ja nicht in der Lieferkette ihres Büromaterials, sondern darin, was mit dem Geld geschieht, das sie verleihen. Die Deutsche Bank zum Beispiel ist zwischen 2019 und 2021 über 378 Millionen Euro in RWE investiert. Als einer der großen Investoren des Kohlekonzerns sollte sie damit durchaus auch in der Verantwortung für die Auswirkungen dieser Investitionen stehen. Das ist aber nach dem vom EU-Rat vorgelegten EU-Lieferkettengesetz nicht so.

Und wie so oft, wenn es um den Finanzsektor geht, wurde diese Verantwortung in letzter Minute gestoppt. Noch am 25. November 2022 hatte es danach ausgesehen, dass die Einbeziehung des Finanzsektors eine ausreichend große Mehrheit finden würde. Doch wenige Tage später, beim Ratsbeschluss Anfang Dezember, wurde die Finanzbranche ausgenommen. Leider gab es darüber auch keine große öffentliche Debatte, sodass das Thema jetzt, wo das EU-Parlament um den EU-Ratsentwurf ringt, wieder nicht prominent diskutiert wird.

Als Beobachter der Finanzlobby kennen wir das. Denn die Finanzlobby, eine der mächtigsten Lobbys, schafft es immer wieder im Dunkeln zu agieren. Und das, obwohl sie in Deutschland selbst die Energie- und Autobranche in Sachen Lobbyismus in den Schatten stellt. Keine andere Branche hat unter den Top 100 der Lobbybudgets mehr Vertreter. Mehr als 42,5 Millionen geben die Schwergewichte jährlich fürs Lobbying aus. Und auch der finanzstärkste Lobbyverband in Berlin überhaupt, der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft, gehört zur Finanzlobby. Die großen Schlagzeilen machen jedoch andere, zum Beispiel die Energieindustrie. Diese hat neun Akteure unter den Top 100 der finanzstärksten Akteure, Jahresbudget insgesamt: knapp 25 Millionen Euro.

Immer wieder ist es der Finanzlobby in den vergangenen Jahren gelungen, quasi unter Ausschluss der Öffentlichkeit, ihre Interessen durchzusetzen. Wussten Sie, dass es Teile der Finanzindustrie waren, die in Brüssel für die Aufnahme von Gas und Atomkraft in die EU-Taxonomie trommelten? Wussten Sie, dass die Finanzindustrie gerade intensiv daran arbeitet, Banken-Auflagen für mehr Eigenkapital zu untergraben – genau die Regeln also, die den nächsten Bankencrash verhindern sollten (und die die EU nutzen könnte, um CO2- intensive Investitionen teurer zu machen)? Oder wussten Sie, dass die auch von unserem jetzigen Bundeskanzler immer wieder versprochene europaweite Finanztransaktionssteuer im Sande verlaufen ist? Und wie viel uns das alle kostet? Wäre zum Beispiel die Finanztransaktionssteuer EU-weit 2014 eingeführt worden, wie es mal geplant war, wären seitdem allein in Deutschland Steuereinnahmen in Höhe von etwa 261 Milliarden Euro entstanden. Fast ein Triple-Wumms.

Wenn Sie das nicht wissen, ist es nicht Ihre Schuld, denn die Lobby agiert gerne im Dunkel und große Teile der Politik lassen sie genau da erfolgreich agieren. Es herrscht ein enormes Ungleichgewicht der Ressourcen zwischen Finanzlobby und Zivilgesellschaft. Die Lobby hat schlicht mehr Geld, mehr Mitarbeiter, mehr Zugang. Allein die Finanzsparte von Volkswagen, das (wenn auch überaus erfolgreiche) Nebengeschäft eines Autokonzerns also, hat so viele Lobbyisten wie Finanzwende Angestellte.

So kann die Lobby viele Gesetze schon in einem sehr frühen Stadium beeinflussen, wie es zum Beispiel im Falle der EU-Taxonomie geschehen ist. Oder sie kann mit jahrelanger Hinhalte- und Verzögerungstaktik Vorhaben so verwässern, dass sie ihren Zweck nicht mehr erfüllen, wie im Fall der Eigenkapitalauflagen für Banken. Oder die Finanzlobby nimmt so Einfluss, dass Gesetze gar ganz gestoppt werden, wie bei der Finanztransaktionssteuer. Oder ihr gelingt es in letzter Minute politische Vorhaben entscheidend zu schwächen, wie beim EU-Lieferkettengesetz. Die Öffentlichkeit bekommt davon in der Regel wenig mit, weil sich Medien dann entweder noch nicht oder schon nicht mehr für ein Thema interessieren, oder Finanzthemen als zu schwierig gelten, um sie zum großen öffentlichen Thema zu machen. Die Macht und Methoden der Finanzlobby hat Finanzwende Recherche erstmals in der Studie “Im Auftrag des Geldes” umfassend dargestellt.

Gerade da die Finanzlobby zu oft noch eine “Schattenlobby” ist, ist das Lobbyregister des Deutschen Bundestages ein wichtiger Fortschritt. Nur dadurch wissen wir zum Beispiel, wie groß die Finanzlobby ist. Wie das EU-Lieferkettengesetz, geht das Lobbyregister aber nicht weit genug. Viele Organisationen müssen sich dank großzügiger Ausnahmeregelungen nicht eintragen – Arbeitgeberverbände, Gewerkschaften, auch die in Sachen Lobbyarbeit sehr aktive staatliche Förderbank KfW. Agenturen müssen ihre Auftraggeber nicht im Detail benennen, Kontakte zu Ministerien müssen nur auf höheren Ebenen transparent sein. Und so ließe sich die Liste noch fortführen.

Um die Finanzlobby in die Schranken zu weisen, braucht es mehr Transparenz und bessere Regeln. Wir von der Bürgerbewegung Finanzwende haben deshalb eine Petition gestartet, die den Deutschen Bundestag auffordert, das Lobbyregister nachzuschärfen und Lobbyaktivtäten insgesamt stärker zu regulieren. Das ist dringend notwendig, wenn nicht auch in Zukunft bei wegweisenden Entscheidungen die Finanzlobby eine Extrawurst bekommen soll. Energiewende und Klimaschutz gehen nur mit Finanzwende. Bessere Lobbyregeln sind dafür ein dringender erster Schritt.

Daniel Mittler ist Geschäftsführer der Bürgerbewegung Finanzwende. Bis 2021 war er 11 Jahre Politischer Direktor von Greenpeace International.




Kommentare

Diskutieren Sie über diesen Artikel


Neuen Kommentar schreiben


Name: *
E-Mail: *
(wird nicht veröffentlicht)
Nicht ausfüllen!


Kommentar: *

(wird nicht veröffentlicht)
max 2.000 Zeichen


energiezukunft